Handy voll, Menschen ausgebrannt
Mehr als 32 Prozent der Bundesbürger litten 2017 laut einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg zumindest gelegentlich unter Schlafstörungen. 2015 waren es noch 26 Prozent, 2013 nur 23 Prozent. Bei den Berufstätigen zwischen 35 und 65 Jahren nahmen laut DAK-Gesundheitsreport „Deutschland schläft schlecht – ein unterschätztes Problem“ die Schlafstörungen von 2010 bis 2017 um 66 Prozent zu. Nach der repräsentativen Studie fühlen sich derzeit 80 Prozent der Arbeitnehmer betroffen.
Hochgerechnet auf die Bevölkerung sind das etwa 34 Millionen Menschen. Insgesamt lassen sich nur wenige Betroffene ärztlich behandeln. Und nur eine Minderheit meldet sich beim Arbeitgeber krank. Für Unternehmen bedeutet das: Fast die Hälfte der Erwerbstätigen ist bei der Arbeit müde (43 Prozent). Etwa ein Drittel (31 Prozent) ist regelmäßig erschöpft.
Schlafstörungen sind Vorzeichen
Im Vergleich zu 2010 schlucken heute fast doppelt so viele Erwerbstätige Schlafmittel. „Die zunehmenden Schlafstörungen in der Bevölkerung sollten uns wachrütteln“, sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. „Viele Menschen kümmern sich nachts um volle Akkus bei ihren Smartphones, aber sie können ihre eigenen Batterien nicht mehr aufladen.“ Die Beschwerden müssten ernst genommen werden, da chronisch schlechter Schlaf der Gesundheit ernsthaft schaden könne. Storm: "Schlafstörungen erhöhen beispielsweise das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit dem starken Anstieg der Krankmeldungen bei den psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren."
Wie die aktuelle DAK-Reportbefragung 2017 zeigt, steht die Abklärung von möglichen psychischen Ursachen bei Schlafproblemen in den Arztpraxen an erster Stelle (70 Prozent). Bezogen auf alle Krankheitsursachen lagen psychische Erkrankungen 2017 mit einem Anteil von rund 17,1 Prozent erstmals an zweiter Stelle hinter Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Mehr als jeder dritte Patient (38 Prozent) bekommt der Befragung zufolge eine Psychotherapie. Jeder zweite Betroffene erhält Medikamente.
Auch hier zeigt der DAK-Gesundheitsreport einen deutlichen Anstieg: Im Vergleich zu 2010 nehmen heute fast doppelt so viele der 35- bis 65-jährigen Arbeitnehmer Schlafmittel. Die Zahl der Betroffenen stieg von 4,7 auf 9,2 Prozent. Laut dem "Jahrbuch Sucht" sollen in der Bundesrepublik inzwischen 1,5 Millionen Menschen abhängig von Schlafmitteln sein.
Freizeit muss Freizeit bleiben
Die Zahl der Krankmeldungen insgesamt (also nicht nach Ursachen differenziert) stagniert in den letzten Jahren auf einem Niveau von etwa 3,9 Prozent aller Beschäftigten. Setzt man diese Zahl in Relation zum deutlichen Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Ursachen, sollten eigentlich alle Alarmglocken läuten. Wird hier aus Angst um den Arbeitsplatz so lange weitergearbeitet, bis die Psyche nicht mehr mitmacht?
Was sind die Ursachen für die zunehmenden psychischen Erkrankungen? Ein fast doppelt so hohes Risiko wie nicht erreichbare Personen haben laut Gesundheitsreport 2017 diejenigen, die mindestens einmal pro Woche ihre E‑Mails außerhalb der Arbeitszeit lesen; deren Festnetz- und Handynummer auf der Arbeitsstelle hinterlegt sind; deren Vorgesetzte und Kollegen etwa ein- bis zweimal pro Woche anrufen; die auch im Urlaub wegen dienstlicher Belange im Kontakt mit dem Arbeitsplatz stehen. Schichtarbeit, Nachtschichten, eher niedriges Tätigkeitsniveau sind ebenfalls Risikofaktoren.
Weitere Risiken ergeben sich aus der Arbeitsweise. Die Gruppe der Arbeiter ist mehr tangiert als andere Berufsgruppen. Betroffen sind Männer und Frauen jeden Alters - wobei der Anteil von Frauen etwas höher liegt (12,4 versus sieben Prozent). Auch die Region spielt eine Rolle: Den niedrigsten Krankenstand hat Baden-Württemberg mit 3,3 Prozent, den höchsten Sachsen-Anhalt mit 5,1 Prozent.
Fakten & Zahlen
Schlafstörungen können unterschiedlich ausgeprägt sein: gelegentlich oder täglich, Einschlaf- oder Durchschlafstörungen oder Schlafapnoe. Viele Krankenkassen haben für die Erstberatung eine 24-Stunden-Hotline in verschiedenen Sprachen, so dass auch Migranten diesen Service nutzen können. Auch auf der Homepage der Caritas gibt es ein Glossar und Gesundheitstipps. Beim Burnout handelt es sich nicht um eine psychische Erkrankung im medizinischen Sinne, sondern um einen stressbedingten Alarmzustand von Körper und Psyche. Erste Boten sind unter anderem Symptome wie emotionale Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Rastlosigkeit und Schlafprobleme. Bei frühzeitiger Diagnose kann ein Burnout vollständig überwunden werden. Andernfalls führt er häufig zu schwereren Erkrankungen wie Depressionen.
Immer häufiger landen Menschen mit Depressionen stationär in Kliniken. Waren es 2005 noch 169 200 registrierte Fälle, sind es 2015 bereits 263 000. Diese Zahl umfasst laut Statistischem Bundesamt einmalige depressive Episoden wie auch wiederkehrende depressive Störungen einzelner Patienten. Auf der Website www.deutsche-depressionshilfe.de können sich Betroffene und Angehörige über die Krankheit und erste Anlaufstellen informieren.
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gilt als psychische Erkrankung. Ihr gehen extrem belastende Ereignisse (psychisches Trauma) voran. Dabei muss die Bedrohung nicht unbedingt direkt die eigene Person betreffen, sondern sie kann auch nur bei anderen beobachtet und erlebt worden sein (zum Beispiel als Zeuge eines schweren Unfalls oder einer Gewalttat). Seit einigen Jahren gibt es dafür gezielte Therapiemethoden.