Herausforderung Demenz
Das enorme Interesse zeigte, wie sehr das Thema vielen Menschen unter den Nägeln brennt: Rund 200 Bürgerinnen und Bürger kamen Ende letzten Jahres ins Landratsamt Neumarkt, um einen Vortrag des renommierten Arztes, Neurologen sowie Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Thomas Kraus aus Engelthal über „Demenz“ zu hören. Organisiert hatte ihn die Caritas-Sozialstation zusammen mit der Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis.
Kontrovers erörtert
Das, was für viele Betroffene und Angehörige mittlerweile eine alltägliche Herausforderung ist, wird von Experten kontrovers erörtert. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft gibt es derzeit über eineinhalb Millionen demenzkranke Menschen und wird deren Anzahl bis zum Jahr 2050 auf rund drei Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Die Medizinjournalistin Cornelia Stolze verweist allerdings auf Studien, nach denen bis zu drei Viertel der Diagnosen „Demenz“ falsch sein sollen. In Wirklichkeit würden hinter Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Halluzinationen oft Ursachen stecken, die sich – früh erkannt – gut beheben oder verhindern ließen. Ganz von der Hand weist Prof. Kraus diese Kritik nicht: „Es gibt gerade bei älteren einsamen Menschen versteckte Alkoholprobleme. Und sehr viele depressive – insbesondere ältere – Menschen werden nicht behandelt, weil man davon ausgeht, dass das zum normalen Altern dazugehört. Und diese unbehandelte Depression geht mit einer Pseudodemenz einher. Das kann sicherlich eine Verzerrung bewirken.“ Doch hält der Facharzt die Behauptung, bis zu drei Viertel der Diagnosen seien falsch, für übertrieben.
Damit sich die Krankheit Demenz nicht so rasant ausbreitet wie allgemein befürchtet, geht es seiner Meinung nach vor allem darum, frühzeitig aktiv zu werden: vorbeugend sowie therapeutisch, sobald eine Demenz feststeht. Prof. Kraus erklärte beim Vortrag: „Wenn die Krankheit da ist, ist es natürlich ein Schicksal, aber wir können auch etwas tun. Insofern ist sie nicht nur Schicksal.“ Um einer Demenz vorzubeugen, ist dem Arzt zufolge eine gesunde Ernährung besonders wichtig: „möglichst vollwertig, mediterran mit Gemüse, Nüssen und Fisch.“ Ferner empfahl Kraus, sich viel zu bewegen und „in die Natur rauszugehen“ sowie sich geistig zu betätigen: „Den Kopf anzustrengen schafft auch Reserven für später, wenn ein Abbauprozess losgeht.“ Er riet nicht dazu, zur Vorbeugung von Demenz Medikamente und Vitamine einzunehmen, da nicht bekannt sei, wie sie auf Dauer wirken.
Selbstwertgefühl vermitteln
Sobald die Krankheit diagnostiziert ist, so der Arzt, komme es für die Therapie darauf an, um welche Art es sich handelt: Alzheimer – nach seiner Darstellung rund die Hälfte aller Demenzerkrankungen –, eine gefäßbedingte Demenz oder eine Sonderform. Natürlich seien dann medizinische und medikamentöse Maßnahmen wichtig. Doch für bedeutsam hält Kraus auch „psychotherapeutische und soziale Komponenten, denn auch diese können dazu beitragen, dass der Abbauprozess langsamer geht“. Als Beispiel nannte er Gedächtnistraining, das auch zu mehr Lebensqualität und einer besseren Stimmung beitragen könne. Und es sei wichtig, dass Angehörige den Betroffenen ein Selbstwertgefühl vermitteln.
Damit pflegende Angehörige die schwierige Situation meistern können, empfahl Kraus ihnen „Informieren, Verstehen, Akzeptieren“. Zunächst müsse man das Krankheitsbild und seine Stadien möglichst gut kennenlernen. Dann gehe es darum, sich darauf einzustellen, dass es Verhaltensänderungen und auch Konflikte geben wird, die man einordnen können muss. „Man darf es nicht persönlich nehmen, wenn der Demenzkranke aggressiv wird und Vorwürfe sowie Unterstellungen macht. Denn das hat mit der Krankheit zu tun.“ Schließlich sei es wichtig, diese in einem „Trauerprozess“ zu verarbeiten und zu akzeptieren. Die Akzeptanz fordere auch eine innerliche Gelassenheit. „Diese kann man üben, zum Beispiel mit Achtsamkeitsmeditation.“ Ganz wichtig sei es in dieser Situation, sich mit anderen auszutauschen, etwa in einer Selbsthilfegruppe, und sich beraten zu lassen. Dazu gehöre, „dass man sich nicht schämt, über die Probleme zu reden“. Und man müsse im Sinne einer Selbstfürsorge für Ausgleich sorgen. „Dann ist es auch in Ordnung, den Opa mal für ein paar Tage in die Tagespflege zu geben.“ So könne man selbst wieder zu Kräften kommen, um dem Betroffenen die nötige Zuwendung zu geben.
Persönliches geschildert
Die Veranstaltung war der Höhepunkt einer Aufklärungskampagne und Schulungsoffensive der Caritas-Sozialstation Neumarkt. Diese führte für pflegende Angehörige letztes Jahr drei kostenlose Fachvorträge durch und schulte zudem ehrenamtliche Laienhelfer zum Thema Demenz. Geschäftsführer Josef Bogner schilderte öffentlich seine persönliche Erfahrung mit der Problematik: Sein inzwischen verstorbener Vater sei vor mehreren Jahren an Demenz erkrankt. „Mich erkannte er irgendwann nicht mehr. Das hat mich tief berührt“, so Bogner. Auch aufgrund seines eigenen Erlebnisses fühlt er sich besonders motiviert, gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden anderen Menschen beim Umgang mit der Krankheit möglichst gut helfen zu wollen.
Kontakt: 09181/47650.