Keine echte Verbesserung
Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die EU-Institutionen Ende März auf die letzten Einzelheiten zum neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) geeinigt - ein Paket aus vier überarbeiteten Verordnungen und fünf Richtlinien. Die Dublin-Verordnung bestimmt die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen. Die Eurodac-Verordnung regelt die Speicherung der Fingerabdrücke von Asylsuchenden. Die dritte Verordnung legt das Mandat der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex fest, während mit der vierten das Europäische Asylunterstützungsbüro gegründet wurde.
Aus dem Jahr 2001 stammt die (bisher nie angewendete) Richtlinie über den vorübergehenden Schutz. Sie sichert den kurzzeitigen Aufenthalt bei Massenflüchtlingsströmen. Neu verabschiedet wurde 2011 die Qualifikationsrichtlinie über die Auslegung des Flüchtlingsbegriffs. Die Rückführungsrichtlinie mit Regelungen zu Abschiebungen ist ebenfalls in Kraft. Eine weitere Richtlinie, deren Neufassung gerade beschlossen wurde, soll die Ausgestaltung von Asylverfahren vereinheitlichen. Und die überarbeitete Aufnahmerichtlinie setzt EU-weite Normen bei der Versorgung von Flüchtlingen.
Beurteilt man dieses Paket nach seinen Auswirkungen für schutzsuchende Menschen, fallen einige Verbesserungen auf: Die Qualifikationsrichtlinie enthält Klarstellungen etwa zur Asylrelevanz der religiösen Verfolgung und sieht eine Gleichstellung verschiedener Flüchtlingsgruppen vor. Nach der neuen Aufnahmerichtlinie sollen Asylsuchende künftig nach neun Monaten eine Arbeit aufnehmen können. In Deutschland gilt bislang ein zwölfmonatiges Arbeitsverbot. Doch bleibt die deutsche Praxis erlaubt, bei der Vergabe von Arbeitsgenehmigungen Deutsche oder EU-Bürger den Asylbewerbern vorzuziehen. Auch die Möglichkeit für Kranke und Traumatisierte, die notwendige medizinische und psychologische Behandlung zu erhalten, ist in Deutschland aufgrund des neuen Rechts zu verbessern. Bei der Abschiebungshaft müssen vorrangig Alternativen geprüft werden.
Dem stehen problematische Regelungen gegenüber: Polizei und Sicherheitsdienste können künftig auf Fingerabdrücke von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen zugreifen, was mit dem Datenschutz nicht vereinbar ist. Die Praxis vieler Mitgliedstaaten, Asylbewerber zu inhaftieren, wird mit Einschränkungen gebilligt.
Insgesamt gibt es für Asylsuchende keine entscheidenden Verbesserungen. Es fehlen auch künftig effektive Standards, die Schutzsuchenden ein faires Verfahren und Asylsuchenden angemessene Lebensbedingungen garantieren. Die EU hat die Chance vertan, in ihrem Gebiet die Menschenwürde von Schutzsuchenden zu achten und umzusetzen. Für den Träger des Friedensnobelpreises 2012 ein trauriges Ergebnis.