Beratung – ein attraktives Feld kirchlicher Sozialer Arbeit
Beratung ist in den letzten Jahrzehnten zu einem der zentralen professionellen Handlungsfelder und zu einer Schlüsselkompetenz kirchlich-sozialer Arbeit geworden. Sie findet in institutionalisierten Stellen wie Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, in den Beratungsstellen der Suchthilfe, der Schwangerschaftsberatung, der Schuldnerberatung, der Flüchtlings-, Jugend- oder Seniorenberatung oder auch der ökumenisch getragenen Telefonseelsorge statt. Als Querschnittsaufgabe ist sie auch in informelleren Settings wie der Straßensozialarbeit oder niedrigschwelligen Kontaktstellen (zum Beispiel "Offenen Türen") verankert. In vielfältigen spezifischen Beratungsfeldern werden Menschen mit ihren Fragen und Problemlagen unterstützt. Der Bedarf ist ungebrochen und führt zu immer wieder neuen Bereichen, wie zum Beispiel der Beratung im Kontext von Pflege oder der Beratung von Flüchtlingen und Schutzsuchenden.
In Zeiten erhöhter Anforderungen an jeden Einzelnen sowie permanenter Entscheidungsnotwendigkeiten wächst die Be- deutung professioneller Beratung. Je unübersichtlicher und ausdifferenzierter der Alltag mit seinen Herausforderungen ist, desto größer wird das Bedürfnis nach kompetenter, fachlich qualifizierter Unterstützung. Die Anliegen der Ratsuchenden spiegeln dabei häufig gesellschaftliche Entwicklungen und Trends wider. Beratung ist somit immer auch Spiegelbild gesellschaftlicher Herausforderungen, ihrer jeweiligen Widersprüche und Brüche. Auf diese Weise flankiert professionelle Beratung gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Entwicklungen und Veränderungen beziehungsweise reagiert auf sie.1
Beratung nimmt vielschichtige Funktionen wahr: Sie vermittelt Informationen und unterstützt bei Entscheidungen, sie fördert Vorsorge und Prävention; sie unterstützt Menschen darin, ihre persönlichen Anforderungen und Probleme zu bewältigen und in Krisen und kritischen Lebensereignissen ihre Balance und Handlungsfähigkeit beizubehalten beziehungsweise wiederzufinden. Beratung regt die Klient(inn)en an, individuelle und soziale Ressourcen zu entfalten und sich im Lebensverlauf weiterzuentwickeln.2
Ein Grundauftrag für Kirche und ihre Caritas
Die katholische Kirche und ihre Caritas sind in Deutschland in fast allen Feldern der Sozialen Arbeit präsent und übernehmen dort Verantwortung für viele Menschen, die der Unterstützung bedürfen. Es gehört untrennbar zum Sendungsauftrag der Kirche, das heilende Handeln und die Solidarität Gottes mit den Menschen gerade in Situationen der Unsicherheit, der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit erfahrbar zu machen oder, um es mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils zu sagen: "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi" (vgl. GS 1).
In kirchlich-caritativer Beratung geht es darum, aus dem Evangelium heraus Ratsuchenden Weggemeinschaft anzubieten und mit ihnen gemeinsam Antworten auf ihre Fragen und Nöte zu finden - in Wort und Tat und vor allem in der persönlichen Haltung. Insofern sind Beratungsdienste Orte diakonischen und pastoralen Handelns. Der zentrale Ort kirchlichen Handelns liegt dabei an der Seite der Armen und Benachteiligten. Beratung in kirchlich-caritativer Trägerschaft muss sich daher beständig prüfen, ob und inwieweit sie Menschen in Armut, Ausgrenzung und Benachteiligung erreicht, sensibel für deren Nöte ist und achtsam auf deren Bedarfe einzugehen vermag. Dies bedeutet auch, neue Nöte und Bedarfe wahrzunehmen, beherzt aufzugreifen und dazu berufliche und ehrenamtliche Unterstützungssysteme kreativ miteinander zu verbinden. Wie in anderen Feldern der kirchlich-sozialen Arbeit werden auch in der Beratung zunehmend ein Generationenwechsel und ein damit verbundener Fachkräftemangel spürbar. Kirchliche Beratungsdienste müssen daher verstärkt um neue qualifizierte und engagierte Mitarbeiter(innen) werben und dabei deutlich machen, dass Beratung im kirchlichen Dienst ein attraktives Arbeitsfeld ist.
Perspektiven für die berufliche Weiterentwicklung
Großen Stellenwert haben für (neue) Mitarbeitende die Möglichkeiten für die berufliche und persönliche Weiterentwicklung. Die Kirche und ihre Caritas stehen für hohe Fachlichkeit und Qualität in allen Arbeitsbereichen; die Arbeit der kirchlichen Beratungsdienste erfährt daher große Anerkennung sowohl bei Leistungsträgern als auch bei den Klient(inn)en und in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Aufgaben in der Beratung sind vielfältig und bieten Mitarbeitenden interessante Herausforderungen. Der Wissensvermittlung und -aktualisierung durch Fort- und Weiterbildung kommt daher große Bedeutung zu. In vielen Tätigkeitsbereichen werden Supervision und Fachberatung angeboten. Durch das große bundesweite Netzwerk von kirchlich-caritativen Diensten und Einrichtungen, Trägern und Verbänden bietet der kirchliche Beratungsdienst vielfältige Chancen der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung, der Aufstiegsmöglichkeiten und anderen Formen der beruflichen Profilierung.
Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit
Für Mitarbeitende ist die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit eine zentrale Quelle der Motivation und des Engagements. Im kirchlichen Dienst finden Berater(innen) eine sinnstiftende Tätigkeit, die wertegebunden im christlichen Glauben verankert ist. Theologisch betrachtet ist im Armen und Hilfebedürftigen Christus zu erkennen, der uns gleichermaßen zur Gottes- und Nächstenliebe auffordert (siehe Mt 22,34ff.) Auf vielfältige Weise können Mitarbeitende so an der Gestaltung von Kirche und Gesellschaft mitwirken und die christlichen Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Nächstenliebe in ihrer personenbezogenen und verbandspolitischen Arbeit umsetzen.
Berater(innen) in kirchlich-caritativen Beratungsdiensten sollen sich auch selbst im christlichen Glauben getragen wissen und diese Hoffnung des Glaubens vermitteln können. Das Vertrauen auf das eigene Getragensein kann sie ermutigen und darin stärken, Menschen in ihren vielfältigen Bedrängnissen gerade auch dann achtsam zu begleiten, wenn etwas nicht gelingt, schmerzhaft ist oder möglicherweise nicht verändert werden kann.
Auf diese Weise kann die berufliche Beratungstätigkeit - neben der fachlichen Fundierung - durch den christlichen Deutungszusammenhang vertieft und in einen neuen Bewertungshorizont gestellt werden; dies bildet eine wichtige Inspiration und Unterstützung in der Bewältigung der beruflichen Anforderungen.
Das Bundesforum Katholische Beratung (BKB) macht in seinen Beratungskongressen seit dem Jahr 2007 die Erfahrung, dass die Verbindung von fachpolitischer Analyse und theologisch-pastoraler Deutung von den Teilnehmenden als sehr fruchtbar, inspirierend und auch tröstlich erlebt wird. Das BKB möchte auf diese Weise Impulse vermitteln für eine lebendige Verbindung von Professionalität, Glauben und Wertegebundenheit. Dies stellt auch an Führung und Leitung die Anforderung, dafür Sorge zu tragen, dass Mitarbeitende die Ziele und Aufgaben ihrer Beratungsdienste und Träger mit ihrer persönlichen Motivation und ihren Wertvorstellungen verbinden können.
Verantwortungsvolle Unternehmensführung
Im kirchlichen Dienst sind die Mitarbeitenden Teil einer Dienstgemeinschaft, die auf die gemeinsame Verantwortung, ein partnerschaftliches Miteinander und auf die Aushandlung fairer Lösungen setzt. Die Kirche und ihre Caritas setzen sich in besonderer Weise für Familien ein; daher erhalten die Mitarbeitenden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und freiwilliger Angebote zum Beispiel die Chance, bei Bedarf Familie und Beruf sowie Pflegeverantwortung und Beruf miteinander gut verbinden zu können.
Glaubwürdigkeit in Öffentlichkeit, Politik und Gesellschaft ist für die kirchlichen Dienstgeber ein hohes und unverzichtbares Gut. Die Selbstverpflichtung auf hohe Transparenzstandards und ein umfängliches Berichtswesen sollen Überprüfbarkeit ermöglichen und den Nachweis für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung erbringen ("good governance").
Dabei wollen kirchliche Dienstgeber bewusst die Spannung zwischen den hohen Selbstanforderungen und ihrer Verwirklichung auf sich nehmen, aus Fehlern lernen und übertriebene (Selbst-)Idealisierung vermeiden.
Arbeitsplätze sind finanziell gut ausgestattet
Die kirchlichen Dienstgeber stehen grundsätzlich für solide finanzierte und sichere Arbeitsplätze. Die kirchlichen Einrichtungen und Verbände verfügen über eigene Tarifwerke (AVR/diözesane Arbeitsvertragsordnungen), die mit sehr hoher Bindungskraft umgesetzt werden (Tariftreue); auch die Höhe der Vergütungen entspricht mindestens den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes und liegt teilweise sogar darüber. Die kirchlichen Dienstgeber bieten zudem eine betriebliche Altersvorsorge sowie weitere Sozialleistungen.
Auch wenn die kirchlichen Dienstgeber gute Rahmenbedingungen für die Beratung schaffen wollen, ist eine sichere Finanzierung nicht für alle Beratungsbereiche in gleicher Weise gegeben. Nicht alle Dienste sind mit ihren Aufgaben leistungsrechtlich verankert und durch individuelle Leistungsansprüche der Ratsuchenden abgesichert; viele sind auf freiwillige kommunale Mittel oder Eigenmittel des Trägers angewiesen. Ein Finanzierungsmix aus verschiedenen Quellen ist jedes Jahr neu zu sichern. Dies stellt für zahlreiche Träger und Einrichtungen inzwischen eine dauerhafte Herausforderung dar. Umso mehr Anerkennung verdienen vielerorts die gemeinsamen Anstrengungen von Trägern, Einrichtungen und Mitarbeitenden, immer wieder kreative Lösungen zu finden, die Beratungsdienste zu erhalten und selbst unter schwierigen Bedingungen weiterzuentwickeln.
Das Bundesforum Katholische Beratung möchte dazu beitragen, die Bedeutung und die Leistung der Beratung in kirchlich-caritativer Trägerschaft deutlich zu machen und in ihrem spezifischen Profil zu stärken. Denn die Soziale Arbeit der Kirche kann nur mit ihren vielfältigen Beratungsdiensten ihren genuin christlichen Aufgaben und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.
Anmerkungen
1. Vgl. Bamler, V.; Werner, J.; Nestmann, F.: Psychosoziale Beratung: Entwicklungen und Perspektiven. In: E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychotherapie, Supervision und Beratung, 1/2013.
2. Vgl. Nestmann, F.: Die Zukunft der Beratung in der sozialen Arbeit. In: Beratung aktuell, Fachzeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung, 2-2008.
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