Viel Geld für viel Barmherzigkeit?
Als Kuratoriumsvorsitzender einer kleinen Stiftung nahm ich im Jahr 2017 an einem Caritas-Stifter-Symposium1 teil. Der Blick über den örtlichen Tellerrand hinaus interessierte mich. Zwei Referate, die unterschiedlicher nicht sein konnten, machten mich nachdenklich. Im ersten ging es um das Einwerben von Stiftungsgeldern durch Fundraising. Schon der Titel reizte mich. Dass Stiftungen einerseits Geld einnehmen müssen, um andererseits sozial tätig werden zu können, war mir klar. Nur, wie eine gut dotierte Beraterindustrie mit dem zwischenzeitlich überall als das Topthema vermarkteten Begriff "Fundraising", einer Form moderner Bettelei, knallhart und in methodisch raffinierter Weise mit vielerlei Tipps und Tricks auf Werbetour geht, stieß mich ab. Ratschläge, um am weltweiten "Spendermarkt" zu partizipieren, um den Leuten möglichst herzerweichend das Geld aus der Tasche zu ziehen, nach dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel", sind nicht mein Ding. Mein erster, negativer Eindruck: Das Wichtigste für Stiftungen scheint zu sein, ihr Geld zu mehren, und vielgehörte Vorbehalte schienen mir bestätigt. Das Fazit für mich: unchristlich.
Im zweiten, geradezu begeisternden Referat wurde lebendig und anschaulich dargestellt, wie Caritas international Hilfe in Äthiopien leistet - und zwar handfest, direkt, praktisch und vor allem auch nachhaltig. Das hat mich überzeugt. Vor allem das Schildern nicht nur von Erfolgen, sondern auch von Misserfolgen, das Aufzeigen von nationalen und internationalen, von gesellschaftlichen und religiösen Hintergründen. Mein Eindruck: Das ist Hilfe im wahrsten Sinne - auch durch Stiftungsgelder finanziert und geleistet. Also doch christlich.
Ein verantwortbarer Weg?
Beides ist Caritas. Dieser Zwiespalt zeigt das Dilemma, in dem sich kirchliche Stiftungen befinden, zumal wenn sie als große, für Außenstehende unübersichtliche Sozialunternehmen agieren: ein Spannungsfeld zwischen selbst gestellten oder erwarteten Ansprüchen an Kirche und dem tatsächlichen Handeln, zwischen Theorie und Praxis. Ich bin im Zweifel, ob es sich hier um eine unüberbrückbare Diskrepanz zwischen der Zielsetzung des "Geldverdienens/-vermehrens" und dem Auftrag "christlichen Helfens" handelt, einer Diskrepanz, die sich in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung nicht auflösen lässt, oder ob ein verantwortbarer Mittelweg gegangen werden könnte.
Würde man Bürger(innen) auf der Straße fragen, was ihnen spontan zu kirchlichen Stiftungen einfällt, würden vermutlich sehr viele die Begriffe "Geld und Reichtum" und nur sehr wenige "Güte und Barmherzigkeit" nennen. Allerdings müsste allgemein bekannt sein, dass, um helfen zu können, in der Regel Geld notwendig ist und dass dieses, selbst bei Kirchen, nicht vom Himmel fällt. Ob aber jeder weiß, dass eine Stiftung zunächst Kapital ansammeln muss, um über erwirtschaftete Zinsen oder Dividenden helfen zu können? Über die Tatsache, dass dieses Stiftungskapital auf Dauer angelegt, erhalten und vermehrt werden muss, also für die direkte Hilfe gar nicht verwendet werden kann, wissen sicher nur wenige Bescheid. Aber über die Existenz sehr großer Vermögen, die durch solches Ansammeln entstanden sind und die zwangsläufig dem Reichtum der Kirchen zugerechnet werden, sind die meisten informiert. Hier wären seitens der Stiftungen mehr Transparenz und Information erforderlich.
Es stellt sich die Frage, ob als Hauptziel einer Stiftung immer die Erwirtschaftung hoher Renditen und die Vergrößerung des Kapitals anzustreben ist oder ob das Stiftungsziel des Helfens absolute unternehmerische Priorität haben sollte. Vor allem für große kirchliche Stiftungen liegt die Problematik darin, die Stiftungsziele so zu erfüllen, dass die kirchlich-christlichen Grundwerte dabei betriebsintern gelebt werden und nach außen hin deutlich spürbar sind. Allein die Tatsache, dass erwirtschaftete Betriebsüberschüsse bei Stiftungen nicht als Gewinne an private Investoren fließen, sondern im Kreislauf der Stiftungsvermögen zur Verwirklichung der Stiftungsziele verbleiben müssen - so richtig das ist -, reicht nicht aus, um sich von kommerziell handelnden Sozialeinrichtungen nach außen positiv abzuheben. Als wesentliches Alleinstellungsmerkmal kirchlicher Stiftungen ist deshalb eine Unternehmenskultur sehr wichtig, die im Innern und außen von einem menschlichen Umgang gekennzeichnet ist. Christliche Grundwerte sollten nicht nur in Satzungen festgelegt, sondern auch praktiziert werden.
Manager für Menschlichkeit
Vielleicht wäre es hilfreich, wenn in den Vorständen von kirchlichen Stiftungen zusätzlich zu den zweifelsohne wichtigen Ökonom(inn)en und Finanzmanager(inne)n gleichrangige Qualitätsmanager(innen) installiert würden, zuständig für die in Satzungen und Werbeprospekten herausgestellte "Mitmenschlichkeit". Dass solches, neben dem guten Willen aller, oft den Zeitdruck auf die Mitarbeitenden verringern und höhere Kosten verursachen würde, liegt auf der Hand. Da ja keine Gewinne aus den Stiftungen herausgezogen werden dürfen, müsste dies finanziell möglich sein, ohne gleich betriebswirtschaftlich unrentabel zu werden.
Es wäre sicherlich interessant, sich in einem Stifter-Symposium einmal im Grundsatz und tiefschürfend über das allgemeine Image von kirchlichen Stiftungen zu unterhalten, die christlichen Werte mit der Praxis zu vergleichen und, falls notwendig, über mögliche Verbesserungen zu diskutieren. Wenn dazu ein ähnlicher soziologisch-wissenschaftlicher Aufwand (zum Beispiel ehrliche Umfragen) betrieben würde, wie er ökonomisch-wissenschaftlich für die Untersuchungen zu "Fundraising" aufgewendet wird, könnten sicher auch hier diskutable Erkenntnisse erzielt werden.
Anmerkung
1. Viertes Caritas-Stiftersymposium vom 21. bis 22. September 2017 in der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg.
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