Caritas setzt auf Elektroautos für die ambulante Pflege
Das Projekt "Elektromobilität in der ambulanten Pflege" verfolgt der Caritasverband für die Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land seit Herbst 2013 gemeinsam mit Wissenschaftler(inne)n der RWTH Aachen University. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war eine Analyse der Gesamtbetriebskosten der ambulanten Pflege des Aachener Verbandes und die Frage, ob sich durch Nutzung von Elektrofahrzeugen sowohl lokale Emissionen senken als auch die Kosten für den ambulanten Fuhrpark reduzieren ließen.
Zumindest ein "wirtschaftliches Nullsummenspiel" sollte bei der Antwort auf diese Frage herauskommen, für die es dementsprechend reelle Zahlen zu ermitteln galt. Der Fuhrpark stellt nicht nur in Aachen, sondern in nahezu allen Verbänden den zweitgrößten Kostenfaktor dar. Die positiven Ergebnisse dieses Pilotprojekts - eine zu diesem Zeitpunkt zumindest kostenneutrale Mobilitätsalternative - waren daher für die Caritas Grund genug, die Zusammenarbeit weiter auszubauen und zu verstetigen. Im nächsten Schritt wurden weitere Caritasverbände für eine Kooperation gesucht.
Es ging darum, möglichst früh im Entwicklungsprozess die Anforderungen der ambulanten Pflege kennenzulernen. Dreizehn Teilnehmer(innen) aus acht Caritasverbänden und vier Diözesen trafen sich daher in Aachen im Herbst 2014 zu einem Workshop mit folgender Fragestellung: Was muss ein Pflegefahrzeug können - und was nicht?
Die Teilnehmenden begaben sich mithin auf die Suche nach dem idealen Fahrzeug und seinen Rahmenbedingungen. "Egal, wie unterschiedlich die Verbände in Deutschland untereinander auch sein mögen: Die Wünsche der Pflegerinnen und Pfleger an ihren mobilen Arbeitsplatz sind meist dieselben", erfuhr Philip Müller, Projektleiter des Caritas-Projekts bei der RWTH Aachen und der e.GO Mobile AG
Bildung eines bundesweit gemeinsamen Interesses
Seit das Projekt auf der Bundeskonferenz der Geschäftsführer(innen) und Vorstände 2015 in Freiburg erstmals vorgestellt wurde, hat sich eine spürbare Dynamik entwickelt. Dank zahlreicher Unterstützer(innen) war es möglich, Dutzende Foren zu nutzen und die Idee zu verbreiten.
Aller Dezentralität zum Trotz haben heute bereits über 50 Orts- und Regionalverbände sowie eigenständige Sozialstationen mit insgesamt über 3000 Pflegefahrzeugen die verbindliche Erklärung eingereicht, Elektromobilität im Rahmen des Projektes in den Fuhrpark ihrer Sozialstationen einführen zu wollen. Mit Hilfe dieser Interessensbekundungen ist ein starkes, nach außen sichtbares Bindeglied zwischen den Verbänden entstanden. Gemeinsam ist der Nachweis erbracht, dass der Aachener Caritasverband zum einen nicht allein ist im Wunsch nach Nachhaltigkeit im ökologischen sowie wirtschaftlichen Sinne. Sondern dass er zum anderen auch den richtigen Weg zur Umsetzung eingeschlagen hat.
Ein wichtiger Punkt wurde dank einer umfangreichen Studie früh klargestellt: Eine im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor eingeschränkte Reichweite ist für den Großteil der Verbände kein Problem: Von 100 Fahrzeugen fahren täglich nur 13 mehr als 80 Kilometer weit, und nur fünf Fahrzeuge benötigen mehr als 100 Kilometer Reichweite.
Pflegekräfte hatten teil am Entwicklungsprozess
Schon in den Anfängen spielte die Einbindung der künftigen Nutzer(innen) eine wichtige Rolle. Einen Partner hierfür fand die Caritas in dem aus der RWTH Aachen hervorgegangenen Automobilunternehmen e.GO Mobile AG. Die Aufgabe bestand nicht alleine darin, die richtigen Fahrzeugeigenschaften zu finden, sondern auch darin, nicht Benötigtes wegzulassen, um das Ziel der Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen zu verlieren. "Gut ist eben manchmal gut genug. Noch besser mussten wir es dort machen, wo es auch bei der Pflegekraft ankommt. Vor allem geht es um Ergonomie und Sicherheit im mobilen Arbeitsalltag", fasste Philip Müller die Zielsetzung zusammen.
Petra Massarczyk, Leiterin einer der Aachener Caritas-Pflegestationen, wirkte daher gern gemeinsam mit ihren Pflegekräften zum Beispiel bei der Erstellung des Sitz- und Ablagekonzeptes mit. Um die optimale Sitzkonstruktion zu ermitteln, wurden ein Fräsmodell gefertigt und die wissenschaftliche Begleitung einer Testreihe konzipiert: Elf Pflegekräfte hatten die Möglichkeit, die Ergonomie des Einstiegs und des Ausstiegs sowie der Sitzposition zu bewerten. Zudem wurden die Sicht durch die Frontscheibe beurteilt und wichtige Hinweise zu gewünschten Ablagen für Smartphone und Pflegetasche gegeben.
Trotz der unterschiedlichen Körpergrößen der Proband(inn)en zwischen 1,58 und 1,97 Meter konnte eine sowohl unter Sicherheitsaspekten als auch subjektiv bewertete optimale Sitzposition gefunden werden. "Das war schon eine interessante Erfahrung, wie die täglichen Herausforderungen, mit denen meine Mitarbeitenden zu kämpfen haben, Eingang finden in die Entwicklung unseres eigenen ‚Arbeitsinstrumentes‘", so Petra Massarczyk. Aufgrund der Ideen der Pflegekräfte findet im Elektrofahrzeug-Modell "e.GO Life" künftig auch eine 1,5-Liter-Wasserflasche einen stabilen Platz, und es gibt eine praktische Lösung für die Desinfektionsflasche, deren Verrutschen sowie Auslaufen im Auto ein altbekanntes Alltagsproblem ist.
Hürden gemeinsam nehmen
Vor Ort verläuft die Umstellung auf Elektrofahrzeuge natürlich nicht ganz von alleine. Eine wichtige Hürde liegt an einigen Stellen noch vor den Nutzern: das Ermöglichen von Ladevorgängen. Auch hier ist das Projekt in vielerlei Hinsicht behilflich, beispielsweise durch das Aufzeigen von Fördermöglichkeiten oder die Vermittlung an die richtigen Partner, die pragmatisch und kosteneffizient Lademöglichkeiten zu schaffen wissen - auch in Kombination mit der Nachhaltigkeit einer Photovoltaik-Anlage.
Elementar für das im Projekt erarbeitete Ladekonzept ist die Erkenntnis, dass das Laden "zwischendurch" keine Option ist. Eine Route muss verlässlich durchgefahren werden können. Auf eine Schnelllademöglichkeit wurde daher verzichtet und somit doppelt gespart: sowohl im Fahrzeug als auch in den "wall boxes" (Wandanschlüssen), die an den Sozialstationen montiert werden und einen Wagen binnen 3,1 Stunden vollladen. Alternativ ist auch die Ladung an der normalen Steckdose innerhalb von sechs Stunden möglich. Diese Zeiten stehen in der Regel nachts zur Verfügung.
Auch Heimfahrtmöglichkeiten für die Pflegekräfte mit ihrem Dienstfahrzeug wurden berücksichtigt. Knapp die Hälfte (45,8 Prozent) der heutigen Caritasflotte darf laut der Studie für Heimfahrten verwendet werden. Bei immerhin jedem Vierten dieser Fälle steht eine Lademöglichkeit bei der Pflegekraft daheim zur Verfügung. Für die Abrechnung des Ladestroms mit dem Dienstgeber gibt es eine technische Lösung.
Ende Mai 2017 wurde der e.GO auf der Bundeskonferenz der Geschäftsführer und Vorstände in Berlin zum ersten Mal einer großen Zahl von Caritasvertreter(inne)n vorgestellt. Vorbestellungen sind seit kurzem möglich. Im Frühjahr 2018 läuft die Produktion des Modells in Aachen an und ab Herbst 2018 erfolgen die ersten Auslieferungen an die Verbände. Das Fahrzeug kostet in der Basisausstattung mit 20-Kilowatt-Hochvolt-Elektromotor 15.900 Euro brutto (ohne Berücksichtigung des Umweltbonus). Es hat eine Reichweite von 136 Kilometern (nach NEFZ - "Neuer Europäischer Fahrzyklus").
Die Initiatoren sind voller Zuversicht: Schon bald werden durch die Straßen unserer Städte deutlich sichtbare Zeichen für die Bemühungen der Caritas und ihrer Sozialstationen um die Bewahrung der Schöpfung rollen.
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