Unter Dreijährige auch nachts in die Kita?
Zwei Standpunkte zu diesem Thema:
Die ganze Familie profitiert
„24-Stunden-Kita” – das hört sich provokant an. Sofort werden Assoziationen geweckt, die in etwa so aussehen: Montagsmorgens wird das Kind in die Kita gebracht und Freitagnachmittag wieder abgeholt. Betreuung rund um die Uhr eben. Familienleben findet kaum noch statt. Aber das entspricht nicht unserem Projekt „St. Maximus - flexible Betreuung”, und das ist auch nicht gewollt. Das, was der Kita Zweckverband exemplarisch in zwei seiner 269 katholischen Kitas seit kurzem anbietet, ist etwas ganz anderes: Berufstätige Mütter und Väter, deren Arbeitszeiten nicht mit den üblichen Kita-Öffnungszeiten übereinstimmen, sollen bei der Kinderbetreuung stärker entlastet werden. Daher gibt es erweiterte Öffnungszeiten, morgens ab sechs und nachmittags bis 20.30 Uhr. Bei Bedarf kann das Kind ab zwei Jahren auch samstags und über Nacht betreut werden. Es wird pro Tag nicht länger betreut, sondern zu anderen, dem Bedarf der Familien entsprechenden, Zeiten. Das ist der wichtige Unterschied.
Angestoßen hat dieses Projekt auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. Seine Intention war es, Mütter und Väter, die im Schichtdienst sind, dabei zu unterstützen, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Das Ruhrbistum ist eine Region, in der besonders viele Familien darauf angewiesen sind, dass beide Elternteile zum Familieneinkommen beitragen oder die über kein familiäres Stützsystem verfügen. Wir als Kita Zweckverband haben diese Anregung dankbar aufgenommen und umgesetzt.
Dass das Projekt vom Bundesfamilienministerium gefördert wird, hat unsere Arbeit erheblich erleichtert. Erste Erfahrungen aus den beiden Kitas in Essen und Bochum bestärken uns, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Eltern, die die erweiterten Öffnungszeiten nutzen, sind dankbar. Sie fühlen sich mit ihrem Anliegen, das Kind auch während ihrer Arbeitszeit gut versorgt zu wissen, von uns ernst genommen. Für sie ist das neue Angebot keine Provokation, sondern eine Bereicherung, von der die ganze Familie profitiert – und dies nicht, um zu trennen, sondern um zusammenzuhalten.
Mirja Wolfs – Leiterin Geschäftsbereich Personal, Finanzen und Immobilien im Zweckverband Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Essen
Eltern müssen für Kleinkinder verfügbar sein
Vielen Wissenschaftlern und Fachleuten zufolge sollte bei der Kleinkindbetreuung („U3”) berücksichtigt werden, dass unter Zweijährige möglichst nicht „fremdbetreut" werden, etwa in Kitas. Wenn dies bei berufstätigen Alleinerziehenden oder bei Kindern aus prekären Familienverhältnissen notwendig ist, sollte es eine qualitativ hochwertige Einrichtung sein. Der Kind/Betreuerinnen-Schlüssel sollte bei 3 bis 4:1 liegen und personelle Konstanz gesichert sein, damit eine Bindung auch an eine Erzieherin gelingen kann. Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr sollte die Betreuung maximal 20 Stunden pro Woche umfassen.
Ab drei Jahren ist eine Halb- oder Ganztagsbetreuung aus Bildungs- und sozialen Gründen sinnvoll und notwendig. Die Politik sollte die unabhängige Forschung ernst nehmen. Eine echte Wahlfreiheit zwischen einer Betreuung von Kleinkindern in Kitas und zu Hause – wie es das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten fordert – sollte umgesetzt werden. Aus bindungs- und entwicklungspsychologischen Gründen sollte eine gelegentliche nächtliche Betreuung in einer Kita - wenn überhaupt – erst ab drei Jahren möglich gemacht werden. Im Memorandum der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung von 2012 „Krippenausbau in Deutschland – Psychoanalytiker nehmen Stellung” heißt es:
Es ist Forschungs- und Erfahrungswissen, dass für die Entwicklung des kindlichen Sicherheitsgefühls, für die Entfaltung seiner Persönlichkeit und für die seelische Gesundheit eine verlässliche Beziehung zu den Eltern am förderlichsten ist. Gerade in den ersten drei Lebensjahren ist die emotionale und zeitliche Verfügbarkeit von Mutter und Vater dafür von großer Bedeutung. In vielen Studien wurde nachgewiesen, dass es entwicklungspsychologisch bedeutsam ist, ob ein Kind mit einem, eineinhalb oder zwei Jahren in außerfamiliäre Betreuung kommt und wie viele Stunden. Diese Ausführungen zur Kita-Betreuung gelten vorrangig auch für die „nächtliche Betreuung” außerhalb des familiären Umfelds. Leider gibt es dazu noch keine fundierten Studien.
Hans-Otto Dumke – Psychiater in Biberach
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