Termine online: „Warteschlangen waren gestern“
Besonders von Jüngeren wird das neue Angebot der Online-Terminvereinbarung gerne angenommen. Von allen Online-Anmeldungen in den acht Caritas-Zentren bezog sich jede dritte Terminanfrage auf die Schwangerschaftsberatung. Die Software "Caritas-Zentrum direkt" wurde zuerst in Germersheim im Rahmen eines Pilotprojektes eingeführt. Die anderen Zentren folgten nach und nach. "Die Eröffnungsbilanz können wir erst Ende 2014 erstellen, wenn wirklich alle acht Zentren über den gleichen Zeitraum verglichen werden können", sagt die Leiterin der Sparte Caritas-Zentren, Barbara Aßmann. "Aber eines ist bereits sicher: Das zusätzliche Angebot einer Online-Terminvereinbarung ist ein Erfolg." Ähnliches wird auch aus dem Bereich Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung gemeldet. "Unsere Kunden sind sehr zufrieden. Und geben uns das auch so als Rückmeldung. Warteschlangen waren gestern."
Das bestätigt den allgemeinen Trend, wonach das Internet in alle Bereiche des Lebens vordringt. "Wir haben allgemein festgestellt, dass Menschen, die mit sich selbst Schwierigkeiten haben, von der Online-Anmeldung profitieren", ergänzt Sabine Buckel, die beim Caritasverband Speyer für die Qualitäts-Projekt-Steuerung der Caritas-Zentren zuständig ist. "Es ist ein Angebot mit besonders niedriger Hemmschwelle. Man muss sich nicht am Telefon erklären oder das eigene Anliegen vor Ort schildern. Es genügen wenige Mausklicks bis zum Termin." Gleichwohl habe man keine vorrangige Online-Terminierung erschaffen, sondern einfach eine weitere, moderne Möglichkeit.
Topthema in der Verwaltung: Terminmanagement
Dafür wurde im Pilot-Zentrum Germersheim Branchen-Pionierarbeit geleistet. "Wie kann man die Angebote kurz und prägnant auf der Homepage beschreiben?" - so lautete eine der Aufgaben für die Fachkräfte. Dabei sollten Formulierungen gefunden werden, die für alle acht Caritas-Zentren gelten können. Außerdem musste definiert werden, welche Zeit für eine Erstberatung benötigt wird - und zwar für alle Leistungsangebote von der Allgemeinen Sozialberatung bis hin zur Suchtberatung. Dies setzte einen internen Diskussionsprozess in Gang, der von der Softwareeinführung sozusagen angestoßen wurde.
Auch über die Höhe des Online-Kontingents wurde diskutiert und diese schließlich auf zehn Prozent der Arbeitszeit festgelegt. Neben den IT-Spezialisten von Wilken Entire stand Carmen Börckel als Verwaltungsmitarbeiterin den anderen Caritas-Zentren als interne Ansprechpartnerin zur Verfügung. Der Softwarehersteller hat sich auf die Anforderungen von Sozialwirtschaft und Kirche spezialisiert. Das mittelständische Unternehmen aus Ulm hat Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Dienstleistungszentren der öffentlichen Verwaltung, wo sich das effiziente Management von Terminen in den vergangenen Jahren zu einem Topthema entwickelt hat. Allerdings konnte die Software nicht 1:1 übernommen werden, sondern musste an die Anforderungen der Caritas angepasst werden. Insgesamt wurden 225 Beschäftigte geschult. Nach der Piloteinrichtung wurden alle Schulungen durch Caritas-Mitarbeiter(innen) selbst durchgeführt. Mittlerweile werden alle Termine eines Caritas-Zentrums über das neue System verwaltet.
Die Online-Terminierung hat unbestritten einige Vorteile für die Ratsuchenden: "Wir sind für Kunden erreichbarer geworden", sagt die Qualitätsbeauftragte Sabine Buckel. Gleichzeitig ist der Nutzen für die Caritas-Zentren selbst augenscheinlich. "Das Projekt an sich hat uns nach vorne gebracht. Zum ersten Mal haben alle acht Zentren auf diese Weise zusammengearbeitet", erklärt Barbara Aßmann, bei der über die gesamte Projektzeit von eineinhalb Jahren die Fäden zusammenliefen. Allerdings mussten einige interne Hürden genommen werden. Nicht jeder und jede war von Anfang an mit Feuereifer dabei - und die Software verlangt auch eine ganz neue Form von Disziplin. Die Termine werden automatisch in den Outlook- Kalender synchronisiert. Doppelarbeit war nur am Anfang erforderlich. Insgesamt ist es wichtig, dass der Kalender genau gepflegt wird. Aber der Mehrwert einer Standardisierung überwiegt und die Vorteile bei den Abläufen sind groß.
"Mit der Software haben wir genau das bekommen, was wir brauchten - nämlich Struktur", bringt es Caritasdirektor Vinzenz du Bellier auf den Punkt. Er berichtet über die Anfänge seiner Arbeit 2009, als es darum ging, den Verband neu zu strukturieren. "Wir standen am Abgrund", sagt der diplomierte Bank-Betriebswirt. "Auf betriebsbedingte Kündigungen haben wir verzichtet, aber Positionen wurden verändert." Ein wichtiges Reformfeld betraf die Beratungszentren, die durch Fusionen und Zentralisierung überlebensfähig und zukunftssicher gemacht wurden. Damit war die Frage verbunden, wohin sich die Gesellschaft bewegt und wie ein Wohlfahrtsverband damit umgeht.
Strategische Neuausrichtung seit 2009
Alle Abläufe sollten gezielt vom Kunden her neu gedacht werden. Das Thema Internet war schnell ausgemacht und die Frage nach einem modernen Zugangsweg stand im Raum. Hierzu wurde schließlich eine IT-Entwicklungspartnerschaft genutzt, die mit Wilken Entire seit 2006 besteht. Zu der Zusammenarbeit im Bereich Finanzmanagement sollte ein modernes Terminmanagement kommen. Mit dem Instrument wollte der Caritas-Chef zugleich das Selbstverständnis stärken, Dienstleister zu sein. Natürlich wären Reformen hinsichtlich moderner Beratungssituationen und moderner Zugangswege auch durch Gespräche vorangekommen, sagt er, aber nicht in dieser Geschwindigkeit. "Wir hätten ohne Softwarelösung bei den Veränderungen unserer Caritas-Zentren wohl doppelt so lange gebraucht", erklärt Vinzenz du Bellier.
Über die Informationstechnologie sei damit auch ein Kulturwandel erreicht worden, analysiert Christoph Reiss, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für angewandtes Management in der Sozialwirtschaft (ifams) an der Fachhochschule Mainz. Als Organisator der jährlich stattfindenden Mainzer Sozialwirtschaftlichen Managementtagung ist er ein Kenner der Branche. "Das IT-Projekt Caritas-Zentrum direkt war sozusagen der Transformationsriemen für neue Prozesse und Strukturen."
Nächste Ziele stehen schon fest
Die Caritas-Zentren wollen sich indes nicht auf dem Erreichten ausruhen. Inzwischen wird daran gearbeitet, sich mit Blick auf die Migrationsberatung mehrsprachig aufzustellen und die Präsenz im Netz auszubauen, kündigt Leiterin Barbara Aßmann an. "Möglicherweise bieten wir in naher Zukunft auch Chats an."
Über den Reformprozess und das Projekt "Caritas-Zentrum direkt" berichtete der Caritasverband für die Diözese Speyer im Rahmen eines Expertentreffs "Caritas-Zentren/Dienstleistungszentren". Auch Anfragen von Caritas-Einrichtungen und Trägern anderer Wohlfahrtsverbände aus dem gesamten Bundesgebiet sind inzwischen eingetroffen.
Auf die Frage, was andere Caritas-Einrichtungen und Sozialverbände von Speyer lernen könnten, sagt Direktor Vinzenz du Bellier: "Im sozialen Bereich hält man oft zu Unrecht an alten Strukturen fest. Es lohnt sich, aus- und aufzubrechen."
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