Mehr Lebensqualität für Ältere dank digitaler Teilhabe
Digitale Teilhabe wird in einer Gesellschaft, die von Digitalisierung geprägt ist, immer relevanter und bedeutet soziale Teilhabe. Inzwischen erledigen viele Menschen ihre alltäglichen Aufgaben über digitale Endgeräte, etwa die Terminvereinbarung beim Bürgerbüro oder die Kommunikation über verschiedene Messenger mit Bild und Ton. Sie bauen neue Kontakte auf, pflegen bestehende und informieren sich über Aktuelles in ihrem Sozialraum. Im Zuge dieser Entwicklungen wird spürbar, dass es in vielen Lebensbereichen keine analogen Alternativen mehr gibt beziehungsweise deren Nutzung von Nachteil ist. Es braucht also Räume und Möglichkeiten, digitale Kompetenzen zu erlangen, denn: "Die voranschreitende Digitalisierung setzt ein Mindestmaß an Digitalkompetenz für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben voraus",wie die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) feststellt.1
Mit digitalen Kompetenzen und deren Mehrwert für den Alltag verbindet man in der Regel die Jahrgänge der Digital Natives, also derjenigen, die mit digitalen Werkzeugen und Techniken groß geworden sind. Doch was ist mit der Generation, für die Digitalisierung kein originärer Weggefährte auf dem Lebensweg war und ist? Hier braucht es einen Perspektivwechsel, denn gerade ältere Menschen können von der Digitalisierung in zahlreichen Lebensbereichen profitieren, auch hinsichtlich Selbstständigkeit und Selbstbestimmung. Ihre Lebensqualität kann sich durch besseren Zugang zu Information und Kommunikation steigern.
Um von digitalen Techniken und Anwendungen zu profitieren und sich souverän in der digitalen Welt zu bewegen, bedarf es entsprechender Medienkompetenzen. Hier sind Unterstützungsangebote und -strukturen in Form von Lern- und Bildungsangeboten, die älteren Menschen den Zugang in die digitale Welt ermöglichen, notwendig. Zahlreiche Angebote für Ältere begleiten und qualifizieren hier bereits in Begegnungsstätten, Quartiersbüros, Seniorenbüros oder Volkshochschulen - in Trägerschaft von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen oder Vereinen und Initiativen. Auch Inhalte und Formate sind heterogen: von der reinen Demonstration über Kurse mit festem Programm, offene Sprechstunden im Eins-zu-eins-Format oder telefonische Sprechstunden bis hin zu Besuchen in der Häuslichkeit. Die Kurse decken verschiedene Themen ab, etwa den Umgang mit Smartphone, Tablet oder Computer, die Nutzung sozialer Medien oder die Sicherheit im Internet.
Angebote dort schaffen, wo die Menschen leben
Die notwendigen Kompetenzen werden durch Erfahrungen im Umgang mit digitalen Techniken erlangt. Das Internet stellt ein sogenanntes "Erfahrungsgut" dar, welches durch Ausprobieren und die entsprechenden Erfahrungen erst den konkreten Mehrwert und Nutzen für die Bedarfe, Bedürfnisse und Interessen der einzelnen Person entfaltet und sichtbar macht.2 Daraus ergibt sich, dass es Erfahrungsräume braucht, um sich dem Themenkomplex anzunähern und erste Schritte in die digitale Welt zu wagen. Erfahrungs- und Erprobungsräume müssen geschaffen oder gefördert werden, da die beiläufigen Begegnungen mit digitaler Technik, wie sie sich etwa auf dem Pausenhof in der Schule oder im beruflichen Kontext ergeben, älteren Menschen häufig fehlen. Wichtig ist, Angebote dort zu schaffen, wo die Menschen leben.
Bei der Wissensvermittlung und der Ausgestaltung entsprechender Formate sind die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Mittelpunkt zu rücken. Dies wird insbesondere bei den Lernmotiven Älterer und dem Mehrwert des Lernens für sie sichtbar, da der Erwerb formeller Abschlüsse bei ihnen keine zentrale Rolle mehr spielt. Bei älteren Personen rückt die intrinsische Motivation in den Vordergrund: Den Anreiz zu lernen bildet also das Erleben von Sinnhaftigkeit und innerem Antrieb. Ein weiteres Lernmotiv ist häufig der Wunsch nach sozialen Kontakten, der sich in Lernkontexten verwirklicht. Auch ist der Wunsch, sich geistig und körperlich fit zu halten, ein wichtiges Motiv.
Der Mehrwert für die individuelle Lebenssituation entscheidet also darüber, ob etwas und was neu erlernt wird - auch im Kontext der Digitalisierung. Das bedeutet, dass der individuelle Nutzen beziehungsweise Mehrwert in den unterschiedlichen Lebensbereichen spür- und sichtbar gemacht werden muss, um überhaupt das Interesse und die Bereitschaft zu wecken, sich mit neuen und digitalen Themen auseinanderzusetzen.
Mehrwert in puncto Kontakt, Eigenständigkeit und Information
Die Vermittlung digitaler Kompetenzen darf also kein Selbstzweck sein, sondern muss immer in Verbindung stehen mit konkreten Chancen für ältere Menschen. Für das alltägliche Leben spiegeln sich diese in zentralen Lebensbereichen der jeweiligen Personen oder Gruppen wider. Als zentrale Lebensbereiche in Verbindung mit konkretem Mehrwert für ältere Menschen wurden im Achten Altersbericht der Bundesregierung (2020) identifiziert: Sozialraum, soziale Integration, Wohnen, Mobilität, Gesundheit sowie Pflege.3
Über alle Lebensbereiche hinweg können ältere Menschen in dreierlei Hinsicht einen Mehrwert von der Digitalisierung erwarten: zum einen durch das Generieren neuer und die Pflege bestehender sozialer Kontakte, zum Beispiel per Videochat oder Messenger. Zweitens erleben sie mehr Selbstbestimmung und Autonomie durch Erleichterungen und Unterstützung im Alltag, etwa das Einkaufen im Internet mit Lieferung. Drittens erhalten sie Zugang zu Informationen sowie Dienst- und Hilfeleistungen entsprechend ihren individuellen Interessen und Lebenslagen. In Kombination bedeutet dies mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Bei der Betrachtung der Bereiche Sozialraum und soziale Integration treten die persönlichen Netzwerke und Kontakte in den Vordergrund. Digitalisierung kann dabei helfen, sich im eigenen Sozialraum (also direktes Wohnumfeld und darüber hinaus) besser zu vernetzen und entsprechend den eigenen Interessen zu informieren, beispielsweise über anstehende Veranstaltungen im Quartier. Apps können Menschen dabei unterstützen, Gleichgesinnte zu finden und so gemeinsam ein Hobby wieder aufleben zu lassen. Sie können helfen, die Verbindung und den Austausch mit Familie und Freund:innen aufrechtzuerhalten.
In den Bereichen Wohnen und Mobilität treten hingegen die Bedürfnisse Sicherheit, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit in den Vordergrund. Digitale Technologien können es Menschen ermöglichen, länger in der eigenen Wohnung zu leben - ein zentrales Bedürfnis im Alter. Vielseitige Unterstützung bieten Smart-Home-Anwendungen wie Sprachassistenten, die helfen, Fernseher und Radio zu bedienen oder die Uhr zu lesen. Anwendungen wie smarte Türklinken, die sich per App und Kamera steuern lassen, bieten mehr Sicherheit und Autonomie.
In den zentralen Lebensbereichen Gesundheit und Pflege kann digitale Technologie die Versorgung und ihre Strukturen unterstützen und effizienter gestalten. So schaffen Videosprechstunden mehr Möglichkeiten, Arzttermine wahrzunehmen; Apps helfen beim Selbstmanagement von Krankheiten, indem sie Wissen vermitteln und durch kontrolliertes Monitoring über kritische oder positive Entwicklungen informieren.
Insgesamt können die vorgestellten Technologien nicht nur direkt durch bessere Vernetzung und Information zu mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben führen, sondern auch indirekt durch Unterstützung im Alltag und die damit verbundene Selbstwirksamkeitserfahrung.
Wie sollten Angebote aussehen?
Um ältere Menschen, die keine oder geringe digitale Kompetenzen besitzen, bei ihrem Weg in die digitale Welt zu begleiten, braucht es zielgerichtete Begleit- und Unterstützungsangebote. Was ist bei deren Ausgestaltung zu beachten? Wie können ältere Menschen, die bis dato nicht oder nur wenig digital teilhaben, zum Ausprobieren ebenjener Technik motiviert werden?
Fünf Handlungsempfehlungen
1. Konkreten Mehrwert und Chancen sichtbar machen: Der Alltag der einzelnen Person sollte bei der Frage, welche digitalen Techniken einen Mehrwert haben, im Fokus stehen. Es muss ein konkreter Mehrwert für die individuelle Situation identifiziert und zugänglich gemacht werden.
2. Partizipation der älteren Menschen: Die Zielpersonen wissen selbst am besten, was sie brauchen. Ältere Menschen sollten bei der Identifikation von Chancen und der Ausgestaltung von Angeboten zur Vermittlung digitaler Kompetenzen einbezogen werden: nicht "über", sondern "mit" Menschen sprechen.
3. Digitalisierung erfahrbar machen: Gerade bei den ersten Schritten in die digitale Welt ist es zielführend, Menschen nicht zu überfrachten. Es geht darum, Technik niedrigschwellig nutzbar zu machen und zum Ausprobieren anzuregen, den Mehrwert spürbar zu machen.
4. Erfahrungsorte schaffen: Es braucht leicht zugängliche Räume und Angebote zum Ausprobieren und zum Sammeln von Erfahrungen - dort, wo die Menschen leben. So werden keine zusätzlichen Hürden und Barrieren aufgebaut. Bekanntes (Menschen, Räumlichkeiten) kann hilfreich sein, wenn etwas bis dato Unbekanntes (Digitalisierung) ausprobiert wird.
5. Es braucht eine vielfältige Angebotslandschaft: Das Alter(n) ist heterogen, entsprechend sind es auch die Bedarfe und Bedürfnisse älterer Menschen. Es gibt nicht das eine Angebot, mit dem die gesamte Zielgruppe erreicht werden kann. Konkretisierung ist notwendig.
Nützliche Hinweise zur Gestaltung von Angeboten finden sich auf dem Poster "Zugänge schaffen" des Forums Seniorenarbeit NRW (https://tinyurl.com/nc21-24-poster), weitere Infos zu digitalen Themen unter: www.forum-seniorenarbeit.de
1. Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI): Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands. 2023. Kurzlink: https://tinyurl.com/nc21-24-efi
2. Kubicek, H.: Digitale Teilhabe im Alter. Bedarfsermittlung und Koordination im Rahmen der kommunalen Altenhilfe. Bremen: Klaus Kellner Verlag, 2022.
3. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Achter Altersbericht.
Ältere Menschen und Digitalisierung, 2020, Kurzlink: https://tinyurl.com/nc21-24-altersbericht