Das Ringen um gute Lösungen
Bundesregierung und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) betonten, wie wichtig das Sozialmonitoring als Instrument zur frühzeitigen Identifikation und Bearbeitung sozialer Herausforderungen ist. Seit 20 Jahren ringen die Teilnehmer:innen aus Ministerien und Wohlfahrtsverbänden im konstruktiven Dialog um Lösungen für soziale Gerechtigkeit. Im Rahmen des jüngsten Sozialmonitorings haben Vertreter:innen verschiedener Ministerien und Wohlfahrtsverbände der BAGFW im September 2024 erneut über aktuelle soziale Herausforderungen diskutiert.
Beratungshilfe: Viele Ratsuchende, insbesondere Rentner:innen, stehen vor Hürden, wenn es um die Inanspruchnahme von Beratungshilfe geht, die es ihnen ermöglicht, sich rechtlich zum Beispiel durch einen Anwalt beraten zu lassen. Grund dafür ist, dass die Freibeträge für diese Unterstützung seit Jahren nicht mehr an die gestiegenen Sozialleistungen angepasst wurden. Dies führt dazu, dass viele Bedürftige im Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag trotz geringen Einkommens keinen Anspruch mehr auf Beratungshilfe haben. Das Justizministerium (BMJ) bestätigte die Problematik und zeigte sich offen, in Gesprächen mit den Ländern nach Lösungen zu suchen, betonte jedoch die finanziellen Herausforderungen, die eine Erweiterung der Freibeträge mit sich bringen würde.
Nachgelagerte Besteuerung von Renten: Seit der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung von Renten müssen immer mehr ältere Menschen Steuern zahlen, was in der Berechnung der Grundsicherung nach SGB XII oft nicht zeitnah berücksichtigt wird, so dass zu geringe Sozialleistungen ausgezahlt werden. Dies führt zu finanziellen Engpässen, besonders bei niedrigen Renten. Das Arbeitsministerium (BMAS) sieht hier Handlungsbedarf.
Pfändung und Insolvenz: Auch bei Pfändungen und Insolvenzverfahren stehen viele Rentner:innen durch die nachgelagerte Besteuerung ihrer Renten vor Problemen, da sie Steuern aus ihrem ohnehin knappen pfändungsfreien Einkommen begleichen müssen, ohne dass die Steuerlast die Pfändungsfreigrenze erhöht. Diese Doppelbelastung führt oft zu neuen Schulden beim Finanzamt. Das Justizministerium erkannte den Handlungsbedarf, stellte jedoch klar, dass eine Lösung vermutlich erst mit der neuen Bundesregierung möglich ist.
Gewaltschutz und doppelte Mietbelastung für Frauen in Not: Frauen, die vor häuslicher Gewalt in ein Frauenhaus flüchten, müssen häufig weiterhin Miete für ihre bisherige Wohnung zahlen. Die Sozialleistungsträger übernehmen die doppelten Unterkunftskosten jedoch oft nicht vollständig, was die Betroffenen finanziell zusätzlich belastet. Das Arbeits- und das Familienministerium (BMAS, BMFSFJ) räumten die Problematik ein, wiesen jedoch auf die unterschiedlichen Umsetzungspraktiken in den Bundesländern hin. Das BMAS plant, das Thema in die Austauschrunden mit den Ländern einzubringen, um eine bessere Unterstützung sicherzustellen.
Elterngeld und Mutterschutz: Mit der ab April 2024 in Kraft tretenden Neuregelung des Elterngeldes ist es Eltern mit wenigen Ausnahmen nicht mehr möglich, gleichzeitig für mehr als einen Monat Basiselterngeld zu beziehen. Besonders Familien mit niedrigem Einkommen sind davon betroffen. Das Familienministerium verteidigte die Änderung als gleichstellungspolitisch sinnvoll, betonte aber, dass eine Evaluation der Auswirkungen bereits geplant sei.
Rückforderungen beim Kindergeld: Wenn das Kindergeld zu Unrecht ausgezahlt wurde und von der Familienkasse zurückgefordert wird, sehen sich viele Familien mit Schulden konfrontiert, da das Geld bereits als Einkommen bei der Berechnung der Grundsicherung berücksichtigt und angerechnet wurde. Vertreter:innen des Arbeits- und Familienministeriums sehen das Dauerproblem, möchten jedoch keine gesetzlichen Änderungen im SGB II vornehmen. Stattdessen sollen die Betroffenen besser über ihre Mitwirkungspflichten bei Änderungen informiert werden. Das Thema und die Möglichkeit einer Stundung sollen in den regelmäßigen Gesprächen mit der Familienkasse aufgegriffen werden.
Erwerbsminderungsrenten bei Bezug von SGB II und SGB XII: Ein weiteres Thema war die Ungleichbehandlung von Menschen mit befristeten und unbefristeten Renten wegen voller Erwerbsminderung.
Ausblick: Für zukünftige Sitzungen sollen auch die sozialen Aspekte der Klimapolitik stärker berücksichtigt werden.