Klimaschutz in sozialen Einrichtungen braucht den nötigen Rahmen
Um die geltenden Klimaziele zu erreichen, muss der Gebäudebestand saniert und mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Für Träger sozialer Einrichtungen stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Gewaltige Investitionen stehen an: Ältere Gebäude müssen energetisch ertüchtigt, die Heizung muss auf zukunftsfähige Energieträger umgestellt werden. Eine grobe Abschätzung der Investitionskosten für die Gebäude im Gesundheits- und Pflegesektor ergab für die nächsten 20 Jahre einen jährlichen Investitionsbedarf von 0,6 bis 1,2 Milliarden Euro – allein, um Gebäude, die vor 2009 errichtet wurden, energetisch zu ertüchtigen. In dieser Schätzung sind Kosten für die Instandhaltung nicht berücksichtigt, sondern lediglich die energetischen Mehrkosten. Je nach erreichtem energetischem Standard und je nach Art der nachhaltigen Wärmeversorgung sind die Kosten unterschiedlich hoch.
Dilemma der verschiedenen Kostenträger
Die Pflegeheime bekommen jedoch die notwendigen Investitionen nicht refinanziert. Grund dafür ist zum einen das Wirtschaftlichkeitsgebot der Sozialgesetzbücher. Es besagt, dass Leistungen der Sozialversicherungen das "Maß des Notwendigen" nicht übersteigen dürfen. Ökologische Nachhaltigkeit ist kein Ziel des Sozialrechts. Investitionen in energetische Sanierungen dürfen demnach, sofern nicht gesetzlich vorgeschrieben, nicht finanziert werden.
Ein weiteres Hemmnis ist das bestehende Finanzierungssystem von Pflegeeinrichtungen. Investitions- und Betriebskosten werden in der Regel von unterschiedlichen Akteuren getragen. Das bedeutet, dass Investitionen für energetische Sanierungen oder eine Photovoltaik-Anlage, die zu geringeren Energiekosten führen, nicht dem Träger der Investitionskosten zugutekommen, sondern dem Träger der Betriebskosten. Selbst wenn Investitionen der Heimbetreiber durch Eigenkapital oder Spenden finanziert würden, wären sie nicht durch eingesparte Energiekosten refinanzierbar, da die geringeren Energiekosten den Trägern der Betriebskosten zugutekämen.
Personelle und organisatorische Hemmnisse vergrößern die Herausforderungen weiter: Die sozialen Einrichtungen sind wirtschaftlich selbstständig und kleinteilig organisiert. Klimaschutzmaßnahmen muss jede Einrichtung für sich umsetzen - der Dachverband kann allenfalls durch Beratung, Lobbyarbeit und Ähnliches unterstützen. Personalkosten für Klimaschutzexpert:innen sind oft nicht finanzierbar, dadurch fehlen Kompetenzen und Ressourcen. Zudem liegt das Augenmerk häufig nicht auf den Energiekosten, da ihr Anteil an den Betriebskosten im Vergleich zu den Kosten für das Pflegepersonal gering ist.
Die Datenlage zu den Gebäuden ist oft schlecht: Informationen zu ihrer Größe und Beschaffenheit liegen häufig nicht vor. Zusätzliche Probleme treten auf, wenn die Gebäude angemietet sind und der Vermieter keine Sanierungen umsetzt.
Umfassenden Klimaschutz in Pflegeheimen und bei ihren gemeinwohlorientierten Trägern zu ermöglichen, erfordert also eine Änderung der Rahmenbedingungen. Für Gebäudesanierungen ist dies aufgrund des immensen Investitionsbedarfs besonders wichtig. Der Bund muss hier aktiv werden. Notwendig ist eine Reform des Wirtschaftlichkeitsgebots im Sozialrecht im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit. Den Investitionskosten sollten die zu erzielenden Energiekosten-Einsparungen gegenübergestellt werden dürfen, Wege zur Überwindung des "Dilemmas der verschiedenen Kostenträger" gilt es zu untersuchen. Die Weiterentwicklung bestehender Förderprogramme, damit sie besser zu den Bedürfnissen sozialer Einrichtungen passen, sowie die organisatorische, technische und personelle Unterstützung sozialer Einrichtungen sind ebenfalls notwendig.
Die Studie zum Thema per Kurzlink: https://tinyurl.com/nc21-2024U