Bleib Du!
Es ist ein sonniger Nachmittag im Herzen Düsseldorfs. Eine Gruppe älterer Herren sitzt um einen Tisch mit Käsekuchen. Kaffee dampft in den Tassen. Alle sehen zufrieden aus. Sie unterhalten sich, sind in Gespräche vertieft. Plötzlich lacht einer der Männer laut und ruft: "Du und deine Schwulitäten!" Die Gruppe stimmt in das Gelächter ein. Bis auf einen der Herren: Sein Gesichtsausdruck verfestigt sich, die Emotionen scheinen sich zu wandeln. War er gerade noch freudig gestimmt, sieht er jetzt verletzt und sehr allein aus. Einsam in einer Gruppe lachender Männer. Erinnerungen scheinen in ihm aufzusteigen, negative Erfahrungen treiben dem Mann die Tränen in die Augen.
Mit Homosexualität in der Altenhilfe gut umgehen
Das war ein Schlüsselerlebnis, das uns in der offenen sozialen Altenarbeit des Caritasverbands Düsseldorf ins Grübeln brachte. Wie gehen wir damit um? Die Gruppe, die hier beschrieben wurde, richtet sich an Männer mit Demenz. Sie bietet einen geschützten Rahmen. Hier spielt Demenz eigentlich keine Rolle. Hier können alle so sein, wie sie sind. Die sexuelle Orientierung und damit einhergehende Erfahrungen aber wurden in diesem Konzept nicht berücksichtigt.
Das bringt Probleme mit sich: Die beschriebene Szene zeigt, dass die einen genauso sein können, wie sie sind, während andere Diskriminierung oder Ausgrenzung erleben oder sogar ihre Person infrage gestellt werden kann. Es mag eine Frage der Generation, es mag eine Frage der Sozialisation sein. Das Ergebnis sind Stigmatisierung und Einsamkeit.
Schwule Männer gehören zu denjenigen Gruppen unserer Gesellschaft, die in ihren Biografien soziale, rechtliche und politische Diskriminierung erfahren haben. Im Rahmen einer Demenz kann es zu einer Verschärfung und Retraumatisierung kommen. Dies kann Einsamkeit oder Depressionen begünstigen. Eine doppelte (Alters-)Diskriminierung droht.
Endlich ein geschützter Freiraum
Im "Bleib Du!"-Treff wird ein geschützter Raum geboten, um Erfahrungen auszutauschen. Die Männer erleben durch einen gleichbleibenden Ablauf eine Strukturierung des Alltags und eine Stärkung des Selbstbewusstseins. Durch gemeinsame Aktivitäten gewinnen sie neue Lebensfreude. Soziale Kontakte und kulturelle Teilhabe werden gefördert. Die Demenz wird nicht versteckt, sondern in die Öffentlichkeit getragen, um Verständnis dafür einzufordern. Hier wird auch ein Bekenntnis zur eigenen Sexualität gezeigt, Hand-in-Hand-Gehen und Berührungen gehören dazu. Die Gruppe hat sich zu einer Gemeinschaft entwickelt. Die Teilnehmer machen nun wieder Dinge, von denen sie sich zurückgezogen hatten: Kinobesuche, gemeinsam Essen gehen, gegenseitige Besuche. Ein Teilnehmer, der sich nach dem Tod des Partners sehr zurückgezogen hat, nimmt wieder am sozialen Leben teil. Für ihn war die Gruppe ein Weg, um die Trauer leichter zu ertragen.
"Bleib Du" macht diese Erfahrung zum Schwerpunkt
Aber: Wieso braucht es so ein exklusives Angebot, wo doch Inklusion stets das große Ziel ist? Die Erfahrungen in Düsseldorf zeigen: Es braucht beides. Es ist egal, ob mit oder ohne Demenz - wir alle wollen ein anerkannter Teil der Gesellschaft sein, wir möchten aber auch in unseren Gruppen, unserer Familie, unserem Freundeskreis oder Sportverein zu Hause sein. Hier können wir unsere Rolle, unser Selbstbild ausleben, ohne uns zu verstellen oder verbiegen zu müssen. Hier in der Gruppe sind wir nicht einsam. Es gibt einen Bedarf an neuen Angeboten für die queere Community.
Die "Bleib Du"-Gruppe ist ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen.