Wenn Schimmel krank macht
Foto: Peter Esser
Zweimal im Monat kratzt Laura Schmidt, die in Wirklichkeit anders heißt, den Schimmel von der Wand in ihrer Wohnung ab. Dieser ist für die 37-jährige alleinerziehende Mutter von vier Kindern mittlerweile nicht mehr nur ein Wohn-, sondern auch ein Gesundheitsproblem. Ihr Arzt hat den Verdacht, dass die Bronchitis ihrer jüngsten Tochter mit dem Schimmel zu tun hat. Mehrmals hat Laura Schmidt nach eigenen Worten bereits ihren Vermieter auf die unzumutbare Wohnsituation aufmerksam gemacht. Sie würde zu wenig lüften, habe dieser ihr stets mitgeteilt, was die Mieterin aber verneint.
Jetzt hat sich Laura Schmidt damit einverstanden erklärt, dass ihre Caritasberaterin sich einmal direkt mit dem Vermieter in Verbindung setzt. Da die Vermutung nahe liegt, dass der Schimmel vom Dach herkommt, will diese darum bitten, das Dach doch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Große Hoffnungen, dass sich dadurch etwas ändert, macht sich die vierfache Mutter, die aus Kamerun stammt und geschieden ist, allerdings nicht. Am meisten hofft sie nach wie vor darauf, eine bessere Wohnung für ihre Familie zu finden. Nicht nur wegen des Schimmels, sondern auch, weil die Wohnung mit knapp 70 Quadratmetern viel zu klein ist. "Fünf Personen steht gesetzlich eigentlich eine Größe von 105 Quadratmetern zu", informiert Nele Pfeufer, Sozialberaterin bei der Caritas-Kreisstelle Nürnberg-Süd. Doch Laura Schmidt hat trotz intensiver Suche bisher weder auf dem freien Wohnungsmarkt noch bei einer Sozialwohnung Erfolg gehabt. Neben der hohen Kinderanzahl spielt dafür nach ihrem Eindruck auch ihre dunkle Hautfarbe eine Rolle.
Kein Einzelfall
Das prekäre Wohnverhältnis von Laura Schmidt und ihrer Familie ist kein Einzelfall. Etwa ein Drittel der Klienten der Kreisstelle lebt deren Angabe zufolge unter solchen Bedingungen. Immer wieder bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen Allgemeine Sozialberatung sowie Flüchtlings- und Integrationsberatung mit, dass es "verschimmelte Bruchbuden" gibt. Die beschriebenen Zustände betreffen nach deren Erfahrungen vor allem Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Chancen haben. "Dies ist aus den unterschiedlichsten Gründen der Fall: zum Beispiel wegen Schulden, aufgrund psychischer Erkrankungen oder auch wie bei Laura Schmidt wegen ihrer Hautfarbe", erklärt Michael Glaser, Sozialberater und Leiter der Caritas-Kreisstelle Nürnberg-Süd. Durch diesen Umstand profitierten Vermieter, "die einigen unserer Klienten stark heruntergekommene Wohnungen zu horrenden Preisen vermieten. Diese Klienten können sich gegenüber diesen Vermietern nicht zur Wehr setzen, aus Angst, die Wohnung zu verlieren und dann auf der Straße zu stehen", so Glaser. Die Mieten seien oft so hoch, dass sie von Sozialleistungsträgern nicht vollständig anerkannt würden und die Klienten die Differenz aus ihrem Regelbedarf selbst zahlen müssten.
Auch der Mangel an ausreichend großem Wohnraum ist für die Nürnberger Caritasberatenden ein typisches Problem. "So leben Familien mit drei, vier oder fünf Kindern in einer Zwei- bis Dreizimmer-Wohnung. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welche Probleme die Familien während Corona mit Homeschooling, geschlossenen Kitas und Ausgangsbeschränkungen hatten", so Nele Pfeufer. Die Familien suchten - wie die von Laura Schmidt - nach größeren Wohnungen. "Solche mit vier oder mehr Zimmern, die bezahlbar sind, sind aber kaum zu finden. Zudem liest man von privaten Vermietern Sätze wie ‚Ideal für ein älteres Ehepaar‘", beobachtet die Caritasberaterin. So blieben oft nur Sozialwohnungen, und da seien große Wohnungen rar. "Nach einer Vierzimmer-Wohnung sucht man in Nürnberg mindestens zwei Jahre, meist sind es aber eher drei." Daher verlangen Pfeufer und Glaser von der Politik, den sozialen Wohnungsbau erheblich zu verstärken.
Höhere Energiekosten sind ein Problem
Nach Erfahrung der beiden Caritasberatenden machen neben den prekären Wohnverhältnissen auch gestiegene Energiekosten ihren Klienten zunehmend zu schaffen. Daher fordern sie, dass "Hartz-IV"-Empfänger ihre Stromkosten nicht mehr aus dem eigenen Regelsatz bestreiten müssen (Stand: Juni 2022). "Stromkosten sollten genauso wie Heiz- und Warmwasserkosten von den Sozialbehörden übernommen werden", so Nele Pfeufer.
Und sollte es angesichts unzumutbarer Wohnungen mehr Kontrollen durch die Kommune geben? Das sehen die Caritasberatenden zwiespältig: "Wenn die Vermieter durch die Kommune zu Renovierungen verpflichtet würden, ohne dass daraus Mieterhöhungen für die betroffenen Mieter entstehen, sind Kontrollen absolut zu begrüßen", stellt Nele Pfeufer klar, aber ebenso: Sollte die Kontrolle jedoch dazu führen, dass die Wohnung nicht mehr vermietet werden darf, bedeute das für die Mieter: "Sie stehen auf der Straße beziehungsweise landen im Obdachlosenheim. Das erzeugt bei unseren Klienten große Angst." Daher seien auch die Handlungsspielräume der Caritas wie die Vermittlung an Mietervereine stark begrenzt und zum Teil bei den Betroffenen unerwünscht. Pfeufer bringt die Problematik mit diesen Worten auf den Punkt: "Was ist schlimmer: In einer furchtbaren Wohnung zu wohnen oder gar keine Wohnung zu haben? Jeder wird diese Frage für sich selbst anders beantworten."
Weitere Informationen über die Caritas-Kreisstelle Nürnberg-Süd: www.caritas-kreisstelle-nuernberg-sued.de