Was bedeutet die Reform des Betreuungsrechts für die Betreuungsvereine?
Mit dem neuen Betreuungsrecht müssen berufliche Betreuer:innen ab dem nächsten Jahr ihre Eignung und Sachkunde vor Übernahme einer Betreuung nachweisen und sich registrieren lassen. Das gilt auch für berufliche Betreuerinnen und Betreuer aus den Betreuungsvereinen.
Bereits im neuen Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) wurden die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Registrierung beschrieben: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit, ausreichende Sachkunde und eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung. Im Juli 2022 wurde die neue Betreuerregistrierungsverordnung (BtRegV) veröffentlicht. Die vorgelegte Fassung war - wie wir es inzwischen vom Bundesministerium der Justiz (BMJ )kennen - vorab mit einem Expert:innenkreis beraten, entworfen, verworfen, überarbeitet und erstellt worden. Der Beratungsprozess erwies sich als komplexer als erwartet, die Interessen der Akteure (Berufsbetreuer:innen, Verbände, Behörden, Bundesländer) waren in dieser Sache gegensätzlicher als vorauszusehen. Es galt, auf der einen Seite eine gute Qualität von beruflichen Betreuungen für die betroffenen Menschen zu garantieren und auf der anderen Seite die Hürden angesichts des Personalmangels nicht allzu hoch zu legen.
Kann wirklich jede:r Betreuung?
Die meisten Berufsbetreuer:innen sind von Hause aus Sozialarbeiter:innen oder Jurist:innen. In den Betreuungsvereinen macht die Gruppe der Hochschulabsolvent:innen über 90 Prozent aus, hiervon haben die meisten ein Studium der Sozialen Arbeit abgeschlossen. Bei den freiberuflichen Betreuer:innen ist das Bild etwas bunter. Hier finden sich deutlich mehr auch andere Berufsgruppen wie Betriebswirte, Pflegefachkräfte, Ingenieur:innen, Altenpfleger:innen usw. Das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) bietet grundsätzlich drei Gruppen die Möglichkeit, sich als Berufsbetreuer:in selbstständig zu machen:
◆ geeigneten Menschen ohne besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind;
◆ Menschen, die über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, verfügen durch Absolvieren einer entsprechenden Ausbildung oder Lehre;
◆ Absolvieren eines entsprechenden Hochschulstudiums.
Insbesondere die Gruppe der Menschen ohne Ausbildung machte dem Expert:innen-Kreis Kopfschmerzen. Welche Anforderungen müssen an sie gestellt werden? Wie müssen Sachkundelehrgänge aussehen, um allen betreuten Menschen eine gute rechtliche Betreuung an die Seite stellen zu können? Während Fachexpert:innen die Anforderungen an berufliche Betreuer:innen im Sinne der Betreuten durchaus hoch ansetzen wollten, schätzten die Bundesländer die Notwendigkeit einer umfassenden Sachkunde als deutlich geringer ein. Ein bekanntes und immer wieder wiederholtes Argument ist: "Betreuung kann jeder! Sie muss schließlich auch ehrenamtlich geführt werden können."
In den Fachberatungen war man sich einig, dass an eine:n berufliche:n Betreuer:in, der:die circa 30 bis 60 Fälle führt, besondere Anforderungen zu stellen sind. Es stellte sich auch schnell heraus, dass Studiengänge wie Soziale Arbeit und Jura für die Betreuungsführung relevante und nutzbare Kenntnisse in besonderer Weise vermitteln. Nur wie viel Sachkunde und welche Kenntnisse im Detail sind notwendig? Wie hoch sollte man die Anforderungen im Sinne der betreuten Menschen setzen? Wie sichert man die Attraktivität der beruflichen Tätigkeit? Wie ermöglicht man einen guten Neueinstieg angesichts des breiten Fachkräftemangels? Über den Umfang der Sachkundelehrgänge gab es deutlich variierende Vorstellungen.
Die neue BtRegV beschreibt detailliert die erforderliche Sachkunde, die ein:e berufliche:r Betreuer:in für die Tätigkeit mitbringen muss. Interessierte können zukünftig die eventuell fehlende Sachkunde in entsprechenden Sachkundelehrgängen erwerben/nachholen. Weiterbildungsinstitute bereiten diese gerade vor und müssen sich in den jeweiligen Bundesländern anerkennen lassen.
Ein kompletter Sachkundelehrgang umfasst 270 Zeitstunden in elf Modulen; jedes Modul schließt mit einer Prüfung ab. Es werden Kenntnisse vermittelt zu den Bereichen: Betreuerbestellung und Zusammenarbeit mit dem Betreuungsgericht, Betreuungsführung, Recht der Unterbringung und der ärztlichen Zwangsmaßnahmen, Personensorge, Vermögenssorge, Sozialrecht und Sozial- und Hilfestrukturen in der Praxis, Grundlagen der Kommunikation und Praxistransfer sowie betreuungsspezifische Kommunikationskenntnisse und Wissen über Methoden der unterstützten Entscheidungsfindung. In einer Ausbildung oder einem Studiengang bereits erworbene Kenntnisse müssen nachgewiesen werden und werden angerechnet.
Registrierungsverfahren und Übergangsregelungen
Für den Antrag sind unter anderem folgende Unterlagen nötig: ein Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis, eine Erklärung über Insolvenz-, Ermittlungs- oder Strafverfahren und geeignete Nachweise über den Erwerb der erforderlichen Sachkunde.
Was bedeutet das ab dem 1. Januar 2023 für die bereits tätigen Betreuer:innen in unseren Betreuungsvereinen? Betreuer:innen, die am 1. Januar 2023 länger als drei Jahre berufliche Betreuungen führen, haben weitgehenden Bestandsschutz. Sie müssen sich zwar registrieren lassen, aber die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie die Sachkunde werden vermutet. Der Antrag ist bis spätestens zum 30. Juni 2023 zu stellen. Betreuer:innen, die am 1. Januar 2023 weniger als drei Jahre berufliche Betreuungen führen, haben einen eingeschränkten Bestandsschutz. Beim Registrierungsverfahren werden persönliche Eignung und Zuverlässigkeit nicht geprüft. Die Sachkunde muss allerdings bis 30. Juni 2025 nachgewiesen werden.
Auch für neue Betreuer:innen gibt es Übergangsregelungen. Für sie gelten vereinfachte Registrierungsregelungen bis zum 30. Juni 2025 zur Vermeidung eines Mangels neuer beruflicher Betreuer:innen in der Übergangszeit. Dies betrifft unter anderem die erleichterte Anerkennung bereits besuchter Lehrgänge, die möglicherweise nicht vollständig, aber im Wesentlichen den inhaltlichen Vorgaben eines Sachkundelehrgangs entsprechen.
Erleichterung bei den Leitungsverantwortlichen
Bereits das Reparaturgesetz im Mai 2022 brachte eine wichtige Vereinfachung. Der § 23 BtOG wurde ergänzt um Absatz 4 und ermöglicht Mitarbeiter:innen eines anerkannten Betreuungsvereins die Registrierung als berufliche:r Betreuer:in auch ohne einen vollständigen Nachweis der erforderlichen Sachkunde. Sie können von Beginn an Betreuungen übernehmen (und der Betreuungsverein diese auch abrechnen!), wenn der Betreuungsverein sicherstellt, dass die Person bis zum vollständigen Nachweis der Sachkunde durch eine:n Mitarbeiter:in, der:die als berufliche:r Betreuer:in registriert ist, bei den von ihr geführten Betreuungen angeleitet und kontrolliert wird. Die Sachkunde ist gegenüber der Behörde bis zum Ablauf eines Jahres ab Registrierung vollständig nachzuweisen.
Eine weitere Erleichterung brachte BtRegV § 7 Abs. 6: Er ermöglicht Absolvent:innen der Studiengänge Soziale Arbeit und Sozialpädagogik eine einfache Registrierung. Ihre Sachkunde gilt mit dem erfolgreichen Studienabschluss als nachgewiesen. In den Betreuungsvereinen der verbandlichen Caritas ist dies die größte Gruppe der Mitarbeitenden. Diese deutliche Privilegierung kam erst kurz vor Schluss auf Intervention der Bundesländer in die BtRegV.
Eine Anmerkung dazu: Die Bundesländer hatten sicher nicht die Entlastung der Betreuungsvereine
im Sinn. Ihnen ging und geht es vielmehr um die Kosten. Höhere Anforderungen an berufliche Betreuer:innen mit einem Mehr an Investitionen auch für die Betreuungsvereine hätten 2024/2025, nach der Evaluierung des VBVG, die Verhandlungen zu einer ohnehin erforderlichen Vergütungserhöhung erheblich erschwert und anschließend die Länder zusätzlich belastet.
Der Vorteil dieser nun geltenden Privilegierung ist eine leichtere Personalakquise und Einarbeitung. Der Nachteil besteht in nicht garantierten Kenntnissen des Betreuungsrechts. Das bedeutet für das Arbeitsfeld in der verbandlichen Caritas: Wir müssen unsere eigenen Qualitätsstandards klarstellen und unser vorhandenes Grundlagenseminar weiterentwickeln hin zu einem echten Zertifikatskurs.
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