Große Nachfrage, wenige Plätze
Wartezeiten von bis zu zwölf Monaten auf einen Kurplatz und eine Vielzahl von Anfragen nach Beratung prägen aktuell die Situation des Arbeitsfeldes der Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und pflegende Angehörige. Die Eintrittskarte für die Kur in der Hand, stehen Betroffene in einer langen Schlange. Dabei ist der Bedarf so hoch wie nie.
Die Situation ist besorgniserregend, es besteht die Gefahr, dass Menschen, die Care-Arbeit verrichten, unter gesundheitlichen Belastungen regelrecht zusammenbrechen. Dabei leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag in und für unsere Gesellschaft.
Nach wie vor übernehmen Frauen den größten Teil der Erziehungsarbeit, die häusliche Pflege von Familienangehörigen, managen den Haushalt und sind darüber hinaus meist erwerbstätig. Nachweislich sind sie besonderen psychosozialen Belastungen ausgesetzt, die zu komplexen Gefährdungen und Beeinträchtigungen bis hin zur Chronifizierung von Krankheiten und zur Destabilisierung der Familienstruktur beitragen können. Ähnliche durch Mehrfachbelastung verursachte Gesundheitsstörungen und Erkrankungen sind auch bei Vätern in aktiver Familienverantwortung nachweisbar.
Studien belegen, dass die gesundheitliche Belastung von Care-Arbeit-Leistenden weiter gestiegen ist. Laut Selbstauskunft der befragten Eltern der AOK-Familien-Studie 2022 hat sich deren allgemeiner Gesundheitszustand im Vergleich zu 2018 deutlich um zwölf Prozent verschlechtert. 29 Prozent der Familien fühlen sich mittelmäßig und sieben Prozent schlecht bis sehr schlecht. 15 Prozent der Eltern sind sogar häufig bis immer seelisch angeschlagen. Mit psychischen Beeinträchtigungen kämpfen 34 Prozent der Eltern. Bei Allerziehenden kommen finanzielle Sorgen dazu. Sie sind besonders armutsgefährdet.
Folgen familiärer Gesundheitsbelastungen
Nicht selten entwickeln sich daraus Problemspiralen, die nur schwer zu durchbrechen sind. Die Folgen dieser Belastungen tragen vor allem die Kinder. Ihr gesundes Aufwachsen ist unmittelbar abhängig von der gesundheitlichen Situation der Eltern. Frühe kindliche Belastungen sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar, so dass damit eine hohe gesundheits- und sozialpolitische Bedeutung gegeben ist.
Angesichts dessen hat der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch V mit den §§ 24 und 41 für Mütter (und Väter) einen eigenen Zugang für stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen geschaffen.
Doch was tun, wenn hoch belastete Familien ein Jahr auf einen Kurplatz warten müssen? Besonders schwer haben es Mütter und Väter mit beeinträchtigten beziehungsweise behinderten Kindern. Wie Familie S., deren eine Tochter blind ist, die zweite wird es bald sein. Sie brauche dringend Hilfe, sei verzweifelt. Von ihrer Krankenkasse habe sie eine Liste infrage kommender Kliniken erhalten, so Frau S. Viele habe sie schon abtelefoniert, aber keine könne sie und ihre beiden Töchter zeitnah aufnehmen.
Therapeutische Kette aus Beratung, Kurmaßnahme und Nachsorge
Jetzt ist die Familie an eine Kurberatungsstelle angebunden, die sie bei der Suche nach dem passenden Angebot und der Kommunikation mit Kliniken unterstützt. Die Beraterin wird Familie S. bis zum Kurantritt begleiten und ist auch nach Abschluss der Maßnahme für sie da. So greift die therapeutische Kette bestehend aus Beratung, Kurmaßnahme und Nachsorge.
Doch das Beratungsnetzwerk, das über viele Jahre flächendeckend aufgebaut wurde, zeigt immer mehr weiße Flecken. Die Zahl der Beratungsstandorte hat in den zurückliegenden 15 Jahren um rund 30 Prozent abgenommen. Grund dafür ist die fehlende öffentliche Finanzierung. Bisher konnte dieses niedrigschwellige Angebot aus Mitteln der Bistümer und Eigenmittel der Träger finanziert werden. Der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Müttergenesung (KAG) ist bewusst, dass die Ressourcen immer knapper werden. Aber die Türen der Beratungsstellen dürfen sich nicht schließen. Mütter, Väter und pflegende Angehörige mit gesundheitlichen Belastungen brauchen Unterstützung, und die fängt mit der Beratung an.
Am 10. Mai findet in Berlin die Aktion "100.000 Frauen vor dem Brandenburger Tor" statt. Die nächste Gelegenheit, um die Öffentlichkeit für die prekäre Situation von Müttern mit gesundheitlichen Belastungen zu sensibilisieren. Die KAG Müttergenesung wird dabei sein.
Die KAG will sich für eine gesetzliche Verankerung und damit finanzielle Absicherung der Beratung als Vor- und Nachsorge einsetzen. Und zusammen mit dem Müttergenesungswerk für mehr Fördermittel kämpfen, damit zusätzliche Klinikplätze geschaffen werden können.
KAG Müttergenesung
Zahlen und Fakten
- Die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung (KAG) ist ein Verbund aus 20 Kliniken und rund 260 Beratungsstellen.
- Die Kliniken bieten insgesamt rund 2000 Plätze für Mütter, Väter und deren Kinder sowie pflegende Angehörige an.
- Pro Jahr werden rund 12.000 Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt.
- Die KAG ist eine Trägergruppe im Müttergenesungswerk, das in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert.