"Die Arbeit für die Mitmenschen darf uns nie zu viel werden."
In der Sankt-Hedwigs-Kirche in Görlitz-Rauschwalde kamen am Nachmittag des 12. Januar etwa 70 Menschen zusammen, um vor der Einweihung der Wohnanlage "Hildegard Burjan" Eucharistie zu feiern - Gott vor allem und allen Dank zu sagen. Das Tagesgebet war zum Ereignis passend: "Herr, du hast deine Jünger gelehrt, sich nicht bedienen zu lassen, sondern zu dienen. Mache alle, die sich in den Dienst der Kirche stellen, umsichtig im Handeln, freundlich im Umgang und beharrlich im Gebet." Ein Behördenleiter, ungetauft, nickte beifällig, als Bischof Wolfgang Ipolt in seiner Predigt auf das Evangelium einging: "Kirche muss glaubwürdig sein. Die Sorge um das leibliche Wohl hat seine Ursache in der Verkündigung, wenn Botschaft und Handeln, wenn Worte und Taten übereinstimmen. Kirche ist glaubwürdig, wenn sie sich um die Menschen sorgt und kümmert".
Prominente Gäste
In einer Art Prozession zogen die Gottesdienstteilnehmer vorbei am Malteser-Krankenhaus "St. Carolus" und am Altenpflegeheim "Hildegard Burjan"zur neu erbauten Wohnanlage. Diese erhielt ebenfalls den Namen "Hildegard Burjan". In einem Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile warteten inzwischen die Mieter der seit Oktober 2011 bezogenen Wohnanlage, neben Repräsentanten der Stadt und des Landkreises, auf den Beginn der Einweihung. Wenngleich er nicht lange bleiben konnte, war der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, MdB, bei dieser Eröffnung dabei. Die Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz des Freistaates Sachsen, Christine Clauß, reiste aus Dresden an.
Hilfe für Menschen mit Demenz
Im Juni 2001 hat der Caritasverband nebenan das Altenpflegeheim "Hildegard Burjan" mit 60 Plätzen als Ersatzneubau für zwei Heime, die nicht der Heimmindestbauverordnung entsprachen, in Betrieb genommen. Spätestens nach fünf Jahren stellten die Mitarbeiter fest, dass immer mehr alte Menschen nicht nur mit körperlichen Defiziten und einer Pflegestufe kamen. Immer häufiger gehörten gleichzeitig auch dementielle Erkrankungen mit dazu. Darum wurden 2006/2007 mit den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Überlegungen angestellt, "wie wir den Menschen mit der Diagnose Demenz bis hin zur Krankheit Alzheimer mit einem neuen Konzept helfen könnten", sagte der Caritasdirektor. Nach vielen Überlegungen und Diskussionen habe sich diese Gruppe entschlossen, etwas Neues zu entwickeln. So ist dieses Wohnprojekt entstanden, "nachdem wir uns in verschiedenen Bundesländern und auch in der Schweiz Projekte angeschaut hatten". In zwei Wohngruppen mit je elf abgeschlossenen Einzelwohnungen sowie einer Gemeinschaftsküche und einem gemeinsamen Wohnzimmer können Menschen mit dementiellen Erkrankungen betreut werden. Gleichzeitig entstanden separat sieben barrierefreie Zweiraumwohnungen für ältere Bürger der Stadt Görlitz, die in diese Wohnanlage integriert wurden. In eine von diesen zog Ende 2011 Prälat Peter Canisius Birkner und nennt sie seinen "Zufluchtsort".
Dem Auftrag gestellt
Rudolf Hupe zitierte die Namensgeberin der Wohnanlage: "Die Arbeit für die Mitmenschen darf uns nie zu viel werden." Hildegard Burjan gab diesen Merksatz ihren Mitschwestern der Gemeinschaft Caritas Socialis mit auf den Weg zu den Menschen. Dieser Auftrag, so Hupe, "gilt aber auch für jeden getauften Christen, also auch für uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Mitglieder des Caritasverbandes. Diesem Auftrag haben wir uns gestellt".
Staatsministerin Christine Clauß zitiert am Beginn ihres Grußwortes den Schriftsteller Arno Geiger: "Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann, muss ich zu ihm. Dort drüben, jenseits unserer auf Sachlichkeit ausgelegten Gesellschaft, ist er ein beachtlicher Mensch, und wenn auch nach allgemeinen Maßstäben nicht immer ganz vernünftig, so doch irgendwie brillant."
Die Ministerin sagte: "Demenz ist eine Krankheit, welche die Person und die Familie betrifft. Demenz betrifft aber auch die ganze Gesellschaft und das beileibe nicht nur in den Fragen der Finanzierbarkeit".
Unterstützung gefunden
Auf die Finanzierung ging der Caritasdirektor gesondert ein, in dem er zur Gesamtsumme von 3,25 Millionen Euro für dieses Objekt sagte: "Diese enorme Summe, das war klar, würde der Verband nicht allein aufbringen können". Es mussten Unterstützer gesucht werden und sie wurden gefunden. "Von der Bank für Sozialwirtschaft wurde uns ein zinsloses Darlehen aus dem Revolvingfonds des Bundes in Höhe von 1,2 Millionen Euro bewilligt. Das Deutsche Hilfswerk beteiligt sich mit 500.000 Euro aus Mitteln der Fernsehlotterie ,Ein Platz an der Sonne‘ an der Finanzierung. Die Liga-Bank Regensburg gewährte für unser Projekt ein Darlehen in Höhe von 820.000 Euro. An dieser Stelle danke ich allen, die uns diese Mittel bereitgestellt haben, von ganzem Herzen."
Neue Wege gehen
Matthias Reuter, der als Sozialplaner und Vertreter des Landratsamtes bei dieser Feierstunde dabei war, mahnte das Betreten neuer Wege an. Er frage sich, "wie kann der stetig steigende Bedarf von Altenpflegeheim-Plätzen einerseits mit dem Rückgang bei Plätzen in Kindertagesstätten zusammengebracht werden?" Er brachte seine Idee zum Ausdruck, beides in Einklang zu bringen. Dazu müsse man, so Reuter, "einige lieb gewordene Standards außer Kraft oder aussetzen, um dem Bedarf gerecht zu werden".
Zwischen den Redebeiträgen und während Bischof Ipolt die Räume des neuen Hauses segnete, umrahmten der Gymnasiast Moritz Kaiser am Cello und der Chor "Avvivando", unter der Leitung von Diakon Bernd Schmuck, die Einweihungsfeier musikalisch.
INFO:
Caritas-Wohnanlage Hildegard Burjan
Elsternweg 10, 02827 Görlitz
Telefon: 0 35 81 7 61 15 55