Wie jeder Missbrauchsopfern helfen kann
Die Täter sind mächtig. Die Opfer können sich nicht wehren. Und oft hilft ihnen niemand.
Darum ist sexueller Missbrauch so ein abscheuliches Verbrechen. Darum muss er bekämpft, bestraft und mit allen Mitteln verhindert werden, vor allem bei Kindern, Jugendlichen und bei Menschen mit Behinderung: Sie sind der Caritas und ihren Diensten und Einrichtungen anvertraut und brauchen Schutz. Ideen und Modelle gibt es schon (siehe die Interview-Beiträge). Alle können daran mitarbeiten.
Was bedeutet "sexualisierte Gewalt"?
Das ist sexuelle / sexualisierte Gewalt: jede sexuelle Handlung, die an Mädchen und Jungen beziehungsweise Menschen mit Beeinträchtigungen gegen ihren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Das reicht von Nötigung und Exhibitionismus bis hin zur Vergewaltigung.
Mädchen und Jungen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen sind gefährdet, wenn sie auf Hilfe und Pflege angewiesen sind, wenn sie über Sexualität nicht aufgeklärt sind und sich teils nicht deutlich ausdrücken können.
Ein wesentliches Motiv vieler Täter ist der Wunsch, Überlegenheitsgefühle auszuleben. Bei einigen Tätern und wenigen Täterinnen kommt eine sexuelle Fixierung auf Kinder hinzu. (In 80 bis 90 Prozent der Fälle sind Männer und männliche Jugendliche die Täter.) Missbrauch geschieht am häufigsten im vertrauten Umfeld: In der Verwandtschaft, im Bekanntenkreis oder in Freizeit-Einrichtungen.
Täter suchen nach Verletzlichkeit und Schwächen. Besonders gefährdet sind daher Kinder, die durch körperliche und seelische Misshandlung oder Vernachlässigung vorbelastet sind. Kinder, die sich als Außenseiter fühlen, die häufig sich selbst überlassen bleiben. Kinder aus autoritären Elternhäusern sehen Erwachsene als Personen, denen sie fraglos gehorchen müssen. Und wer dazu erzogen wurde, Sexualität als etwas Schlechtes zu empfinden, wird bewusst als Missbrauchs-Opfer ausgewählt: weil die Tat zu peinlich ist, um darüber zu reden.
Einige Zahlen zum Ausmaß
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen aus, die sexuelle Gewalt erlebt haben oder erleben. Das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder.
11.547 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch wurden allein im Jahr 2017 bundesweit erfasst; 6.384 Jugendliche wurden Opfer sexueller Straftaten. Bei 647 Fällen ging es um den Missbrauch Schutzbefohlener – unter Ausnutzung von (auch beruflicher) Stellung und Vertrauensverhältnis. 6.512-mal wurden die Straftatbestände der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes oder der Herstellung von Kinderpornografie aktenkundig.
Drei Viertel der Opfer sind Mädchen.
Möglichkeiten erster Hilfe für die Opfer
Der gemeinnützige Opferhilfe-Verein Weißer Ring – mit 3.000 ehrenamtlichen Opferhelfer(inne)n und 400 Außenstellen – weist unter www.weisser-ring.de auf örtliche Beratungsstellen hin. Außerdem bietet er die Begleitung zur Polizei sowie vor Gericht an, damit Opfer nicht aufgrund einer Hemmschwelle gegenüber diesen Institutionen auf Strafanzeige und -verfolgung verzichten. Gegebenenfalls werden vom Verein auch Anwaltskosten übernommen sowie Therapien und Erholungsmaßnahmen vermittelt.
Das Hilfeportal www.hilfe-missbrauch.de informiert Betroffene sexuellen Missbrauchs und ihre Angehörigen und Unterstützer(innen). Eine bundesweite Datenbank zeigt Hilfe-Angebote in der eigenen Region.
Unter Telefon 0800 / 2 25 55 30 ist kostenlos anonyme Hilfe zu bekommen: montags, mittwochs und freitags von 9 bis 14 Uhr; dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr.
Das Hilfetelefon ist auch per E-Mail ständig erreichbar: Beratung@hilfetelefon-missbrauch.de
Ein Angebot, das Jugendliche direkt anspricht, ist www.save-me-online.de – hier erhalten jugendliche Opfern sexualisierter Gewalt anonyme Hilfe.
Zur Missbrauchs-Prävention können alle beitragen
Sicherheit durch Aufklärung: Kinder brauchen Erwachsene, die mit ihnen über Sexualität sprechen und auch darüber, dass es sexuellen Missbrauch gibt. Die Kinder müssen ein klares Nein sagen können, sie brauchen die Gewissheit: Es gibt Grenzen, die jedem Menschen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung garantiert – sie dürfen von niemandem überschritten werden.
Nehmen Sie sich Zeit für die Sorgen von Kindern – haken Sie nach, wenn ein junger Menschen nicht recht mit der Sprache herausrückt. Sagen Sie dem Kind: Geheimnisse, die sich schlecht anfühlen, dürfen mitgeteilt werden.
Eine Materialsammlung des Deutschen Caritasverbandes – auch mehrsprachig – zur Vorbeugung gegen sexualisierte Gewalt macht die Instrumente zugänglich, die in der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe der Caritas entwickelt wurden und zum Einsatz kommen.