Prävention von Missbrauch – Schulung ohne Ausnahme
Frau Löhr, muss Vorbeugung vor sexueller Gewalt auch für ehrenamtliche Helfer(innen) ein Thema sein?
Ja. Wenn jedes vierte bis sechste Mädchen und jeder achte bis zehnte Junge betroffen ist, dann werden auch Kinder bei uns in der Kirchengemeinde betroffen sein. Da sexueller Missbrauch in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt, wird da wohl keine Kirchengemeinde ausgenommen sein.
Was unternimmt Ihre Kirchengemeinde zur Prävention?
Wir schulen seit sieben Jahren verpflichtend alle Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Dort üben wir, wie wir besser hinschauen können, wie wir vorbeugen können und wie im Ernstfall den Kindern besser geholfen werden kann. Wenn diese Kinder im Schnitt acht bis zehn Personen ansprechen müssen, bis ihnen geholfen wird, dann ist das eindeutig zu viel. Außerdem gibt es in den Gemeinden Präventions-Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich mit dem Thema beschäftigen und zum Beispiel einen Kodex erstellt haben.
Wie sieht die konkrete Praxis aus?
In den unterschiedlichsten Gruppen in der Gemeinde reflektieren wir, ob es Auffälligkeiten gibt, ob Kinder in einer Gruppe immer wieder außen vor sind, Schwierigkeiten haben. Dort machen wir auch Risiko-Analysen: Wo kann etwas passieren, wo hat keiner Einblick usw.
Wir haben dazu auch ganz viele Flyer und Handouts geschaffen, um gezielt Öffentlichkeitsarbeit zu machen und über Anlaufstellen zu informieren. Wir haben aber auch die Möglichkeiten eingeschränkt, dass Ehrenamtliche leichten Zugang zu Kindern und Jugendlichen haben. Wir verlangen in einigen Fällen ein erweitertes Führungszeugnis*, und die Ehrenamtlichen müssen auch einen gemeinsam erarbeiteten Kodex unterschreiben.
Haben Sie bei den Ehrenamtlichen Widerstände gespürt?
Na klar! Vor allem am Anfang, da es ein sehr unangenehmes Thema ist. Manche meinten, wir unterstellten ihnen, dass sie Täter seien. Das hat erst einmal viele Tassen gemeinsamen Kaffees gebraucht. Wenn sie dann Sinn und Zweck der Maßnahmen verstanden haben, war der Widerstand meistens überwunden, da diese Leute ja vor allem Gutes für die Kinder wollen.
Wie halten Sie das Thema aktuell in den Gruppen?
Es gibt keine feste Besprechungspraxis – schon gar bei neun Gemeinden. Aber wir gehen dorthin, wo man uns signalisiert, dass Gesprächsbedarf ist oder wo wir bei Einladungen zu Schulungen Zurückhaltung spüren.
Welche Möglichkeiten haben von Gewalt und Missbrauch Betroffene?
Es muss ganz viele verschiedene Beschwerdewege geben, da die Beschwerde-Themen auch sehr unterschiedlich sind. So haben wir in unseren Kitas ein „Smiley-und-Schmolly-System“ eingerichtet, damit sich die ganz Kleinen schon beschweren können. In den Kirchen hängen Sorgen- und Wunschkästen, wo man um Hilfe bitten kann.
Wird bei Ihnen auch der Pfarrer geschult?
Ja natürlich. Alle Leitungspersonen erhalten in Köln beim Bistum eine Schulung. Beschäftigte im Erziehungsbereich werden teilweise bei der Caritas geschult.
Die Fragen stellte Gertrud Rogg für Sozialcourage.
Anmerkung
* Ein erweitertes Führungszeugnis braucht, wer beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen tätig ist (§ 30a BZRG – Bundeszentralregister-Gesetz von 2010).