Wie Hilfe wirkt
In der sozialen Arbeit ist es eine Herausforderung, die Wirksamkeit von Leistungen nachzuweisen: Eine Vielzahl von Faktoren haben einen Einfluss auf das Individuum und seinen Assistenzbedarf. Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) hat diese Faktoren bereits in umweltbezogene und personenbezogene aufgeteilt und noch weiter ausdifferenziert.
Allein diese Betrachtung genügt, um festzustellen, dass eine ausschließliche Sicht auf die Dienstleister bei dem Thema Wirksamkeit nicht ausreicht. Die zentrale Frage zum Thema Wirksamkeit in der Behindertenhilfe (nach SGB IX) lautet: Was ist das Ziel der Dienstleistung? Denkbare Ziele sind zum Beispiel Teilhabe, Zufriedenheit, Lebensqualität, Selbstbestimmung, Inklusion.
Geht man streng vom SGB IX aus, besteht das Ziel darin, dass Menschen mit Beeinträchtigung am gesellschaftlichen Leben teilhaben und dass die Auswirkungen von Teilhabe-Einschränkungen reduziert werden. De facto ist die Möglichkeit zur Teilhabe durch individuelle Einschränkungen als auch durch strukturelle und gesellschaftliche Limitationen begrenzt. Unterstützungsumfang, finanzielle Ressourcen, Größe des Unterstützungssystems, Infrastruktur des Lebensortes haben gleichermaßen Einfluss auf die individuelle Teilhabe.
Wie ist das Erreichen des Zieles zu messen?
Angenommen, die Frage der Zielsetzung der Dienstleistung ist geklärt. Dann muss als Nächstes geprüft werden: Wie ist das Erreichen dieses Zieles zu messen? Ein Ansatz wäre, aus einer fachlichen beziehungsweise objektiven Sicht anhand bestimmter Parameter die Zielerreichung zu beurteilen. Zum Beispiel, indem ermittelt wird, ob der Unterstützungsbedarf sinkt, oder indem bestimmte, gegebenenfalls vergleichende Kennzahlen zu den verschiedenen Themen Teilhabe, Empowerment, Selbstbestimmung, Eigenwirksamkeit oder auch Zufriedenheit erarbeitet werden.
Zu diesem optionalen Bewertungskriterium muss aber ein individuelles seitens der Leistungsberechtigten hinzukommen. Ist dies dann ein individueller Faktor oder eine allgemeine Abfrage, und wie ist diese in Kombination mit der fachlichen beziehungsweise objektiven Bewertung in Zusammenhang zu bringen? Gibt es eine Gewichtung? Es gäbe auch noch die Möglichkeit, die Qualität der unterstützenden Beziehung zu bewerten - dies wäre eine subjektive, emotionale Bewertung (mit den schwierigen Implikationen sozial erwünschte Antworten, Abhängigkeit vom Dienstleister und Ähnliches).
Dies führt zur nächsten Frage: Wer bewertet, ob das Ziel erreicht wurde? Der Leistungsträger, der Leistungsanbieter, der Leistungsberechtigte oder andere Parteien?
Die Argumentation der Leistungsträger ist eigentlich einfach. Sie bezahlen (stellvertretend für den Staat) die Leistungen und haben daher als "Käufer" das Recht, die Qualität zu bewerten. Ein anderer - ergänzender - Ansatz besteht darin, dass die Leistungsberechtigten dies entscheiden. Eine fachliche Bewertung durch den Leistungsanbieter ist ebenfalls möglich - kann aber eigentlich nur ergänzend hinzukommen, da die Neutralität bei der Bewertung der eigenen Leistungen nicht gegeben ist.
Bei der fachlichen beziehungsweise objektiven Bewertung stellt sich die Frage: Muss ein Ziel erreicht sein, um eine Wirksamkeit festzustellen? Gerade im Bereich der Arbeit mit Menschen ist dies nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" zu beantworten. Wenn dies der Fall wäre, gäbe es einen Punkt, an dem die Ziele erreicht wären beziehungsweise an dem deutlich würde, dass sie nicht erreichbar sind. Damit würde die Unterstützung enden.
Es geht jedoch nicht nur um Förderziele, sondern auch um Erhaltungsziele. An diesen muss kontinuierlich gearbeitet werden. Zudem ist zu hinterfragen, ob jeder Mensch in jeder Phase seines Lebens Ziele haben muss. In diesem Zusammenhang gibt es die Risiken der Tyrannei der Zielvorgaben. Zudem ist nicht jede Verfehlung eines Ziels als negativ zu bewerten (fruchtbares Scheitern), da sich andere Möglichkeiten ergeben können. Außerdem ist es nicht möglich, Beeinträchtigung zu "heilen". Dieser Gedanke könnte bei einer stetigen Zielerreichung in den Sinn kommen.
Der Einfluss der verschiedenen Akteure ist begrenzt
Eine letzte wichtige Frage ist: Welche Faktoren können die bewertenden Parteien beeinflussen? Der Leistungsträger gewährt die Art und den Umfang der Leistungen. Der Anbieter setzt den Auftrag mit Hilfe der ihm gewährten Mittel um. Der:Die Leistungsberechtigte bewertet die geleistete Unterstützung.
Es gibt jedoch verschiedene Einflussmöglichkeiten, die die Beteiligten nicht oder nur extrem schwer verändern können. Die Infrastruktur am Wohnort des:der Leistungsberechtigten, die Flexibilität der Mitarbeitenden, den jeweiligen Unterstützungsbedarf individuell passend zu erbringen (gemeinschaftliche Versorgung), arbeits- und tarifrechtliche Regelungen. Einstellungen der Menschen in der Kommune und der Nachbarschaft des:der Leistungsberechtigten, finanzielle Rahmenbedingungen (zum Beispiel Grundsicherung), rechtliche und vertragliche Voraussetzungen, gegebenenfalls Koordination der Leistungen durch eine:n rechtliche:n Betreuer:in …
Das Fazit des Autors ist, dass eine Wirkungskontrolle nur diesen Namen verdient hat, wenn sie vollumfänglich die Lebensbedingungen von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Blick nimmt - übergreifend auf Bundes-, zumindest aber auf Landesebene. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt1, kann ein Weg darin bestehen, kontinuierlich die Lebensqualität von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zu erheben und die dafür relevanten Faktoren zu vergleichen. Erst wenn sich diese relevanten Faktoren einander annähern, kann man von einem wirksamen System der Eingliederungshilfe und der Realisierung von Teilhabe sprechen. Bei dieser Art der Wirkungskontrolle sind dann die subjektiven und objektiven Kriterien zu integrieren. Daraus können Kommunen und Städte Schlussfolgerungen im Hinblick auf Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung ziehen. Die Daten der Dienstleister und Kostenträger bezüglich der Art und des Umfangs der Assistenzleistungen, kombiniert mit der Auswertung der Wirkungskontrolle, führen dann dazu, die Assistenzleistungen anzupassen. Mit dieser Variante wären alle beteiligten Ebenen berücksichtigt und das System kann regelmäßig nach nachvollziehbaren Kriterien nachjustiert werden. Beim Anwenden anderer Systematiken, die von einer Seite geprägt sind (Kostenträger, Leistungsanbieter oder Stadt/Kommune), werden wahrscheinlich die Interessen der sie umsetzenden Partei im Vordergrund stehen.
Anmerkung
1. Tüllmann, T.: Vergleich von subjektiven Faktoren zur Bestimmung der Lebenszufriedenheit bei Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und ohne intellektuelle Beeinträchtigungen - eine quantitative und qualitative Studie. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag, 2016. (siehe Kurzlinks https://bit.ly/3eobixV sowie https://bit.ly/3cSN6Dx)
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