Mehr Verantwortung für Lehrende und Lernende
Nach langen und intensiven Diskussionen ist sie inzwischen gestartet: die generalistische Pflegeausbildung, die zu deutlichen Änderungen im Ausbildungsprozess führt. Alle Personen und Institutionen, die davon berührt sind, stehen vor der Herausforderung, die gesetzlich geforderten Modifikationen umzusetzen. Viele Schulen sind bereits seit längerem aktiv, um sich auf die neue Ausbildung einzustellen und zum Beispiel neue Lehrpläne zu entwickeln. Seit Beginn dieses Jahres wird das im Juli 2017 beschlossene Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz - PflBRefG) in den Schulen und anderen Ausbildungsorten realisiert. Ziel ist es, die bisherigen Ausbildungsberufe Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie Altenpflege in einer generalistischen Ausbildung zusammenzuführen, um die Ausbildung zu modernisieren und attraktiver zu machen.
Ein wichtiger Grund: Demografische und gesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass sich die bisher bestehenden Pflegefachberufe in ihren Inhalten überschneiden, wenn zum Beispiel im Krankenhaus eine demenzkranke Person versorgt wird oder im Altenheim für die Betreuung von chronisch und mehrfach erkrankten Menschen Wissen aus der Kranken- und Gesundheitspflege erforderlich ist.
Bedeutsam für die Schulen und Lehrkräfte ist also ein wesentliches Ziel der neuen Ausbildung: Die Auszubildenden sollen übergreifende pflegerische Kompetenzen zur Pflege von Menschen in allen Versorgungsbereichen und allen Altersgruppen erwerben. Die Ausbildung führt zum Berufsabschluss "Pflegefachfrau" beziehungsweise "Pflegefachmann".
Aktuell gibt es noch die Möglichkeit, nach zwei Jahren gemeinsamer Ausbildungszeit einen Vertiefungsbereich zu wählen und so einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu erwerben.
Rahmenlehrpläne haben Empfehlungscharakter
Das Pflegeberufegesetz sieht in § 53 vor, dass eine Fachkommission einen Rahmenlehrplan und einen Rahmenausbildungsplan erarbeitet. Dabei haben die Rahmenpläne empfehlende Wirkung und wurden auf Grundlage der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) erstellt. Laut PflAPrV umfasst die Ausbildung mindestens 2100 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht und 2500 Stunden praktische Ausbildung. Der theoretische und praktische Unterricht wird auf die folgenden Kompetenzbereiche verteilt:
- Pflegeprozesse und Pflegediagnostik in akuten und dauerhaften Pflegesituationen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren;
- Kommunikation und Beratung personen- und situationsbezogen gestalten;
- intra- und interprofessionelles Handeln in unterschiedlichen systemischen Kontexten verantwortlich gestalten und mitgestalten;
- das eigene Handeln auf der Grundlage von Gesetzen, Verordnungen und ethischen Leitlinien reflektieren und begründen;
- das eigene Handeln auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und berufsethischen Werthaltungen und Einstellungen reflektieren und begründen.
Um eine Verbindung zwischen Schule und praktischen Ausbildungseinrichtungen zu gewährleisten, soll es eine Praxisbegleitung - im Unterschied zur Praxisanleitung - durch Lehrkräfte geben, die über eine berufsbezogene und pädagogische Qualifikation verfügen.
Die Fachkommission hat für den Rahmenlehrplan elf sogenannte curriculare Einheiten (CE) konzipiert. Die CE enthalten - neben einer Ziel- und Inhaltsbeschreibung - Anregungen, wie Lehr- und Lernprozesse gestaltet werden können. Folgende elf Einheiten werden beschrieben:
- Ausbildungsstart - Pflegefachfrau/Pflegefachmann werden;
- zu pflegende Menschen in der Bewegung und Selbstversorgung unterstützen;
- erste Pflegeerfahrungen reflektieren - verständigungsorientiert kommunizieren;
- Gesundheit fördern und präventiv handeln;
- Menschen in kurativen Prozessen pflegerisch unterstützen und Patientensicherheit stärken;
- in Akutsituationen sicher handeln;
- rehabilitatives Pflegehandeln im interprofessionellen Team;
- Menschen in kritischen Lebenssituationen und in der letzten Lebensphase begleiten;
- Menschen in der Lebensgestaltung lebensweltorientiert unterstützen;
- Entwicklung und Gesundheit in Kindheit und Jugend in pflegerischen Situationen fördern;
- Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen und kognitiven Beeinträchtigungen personenzentriert und lebensweltbezogen unterstützen.
Zentrale Konstruktionsprinzipien
Vier Konstruktionsprinzipien waren bei der Entwicklung der Rahmenlehrpläne von zentraler Bedeutung:
- Kompetenzorientierung: Der Erwerb und die Entwicklung von Kompetenzen stehen im Vordergrund.
- Pflegeprozessverantwortung und vorbehaltene Tätigkeiten: Die Pflegekräfte übernehmen die Verantwortung für den Pflegeprozess und insbesondere für die vorbehaltenen Tätigkeiten (Aufgaben, die nur von Pflegefachkräften ausgeführt werden dürfen, also ihnen vorbehalten sind).
- Orientierung an pflegerischen Situationen: Die Anforderungen der Situation und die Kompetenzen der Person werden miteinander verknüpft. Dabei steht die Pflege von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und Versorgungszusammenhängen sowie aller Altersstufen im Vordergrund.
- Entwicklungslogische Struktur: Die Kompetenzen entwickeln sich dynamisch über den Ausbildungsprozess und Berufsverlauf. Entsprechend werden CE spiralförmig aufgebaut.
Implikationen für die Praxis
Was bedeuten die Änderungen nun für die Ausbildung von Lehrkräften und das praktische Lehrerhandeln?
Zunächst zu den formalen Voraussetzungen: Das Pflegeberufereformgesetz beschreibt in § 9 Mindestanforderungen an Pflegeschulen. Hier werden die Schulen auch verpflichtet zu einem Nachweis "eine(r) im Verhältnis zur Zahl der Ausbildungsplätze angemessene(n) Zahl fachlich und pädagogisch qualifizierter Lehrkräfte mit entsprechender, insbesondere pflegepädagogischer, abgeschlossener Hochschulausbildung auf Master- oder vergleichbarem Niveau für die Durchführung des theoretischen Unterrichts sowie mit entsprechender, insbesondere pflegepädagogischer, abgeschlossener Hochschulausbildung für die Durchführung des praktischen Unterrichts".
Darüber hinaus soll das Verhältnis für die hauptberuflichen Lehrkräfte "mindestens einer Vollzeitstelle auf 20 Ausbildungsplätze entsprechen". Die Schulen werden zukünftig Lehrkräfte benötigen, die über einen pädagogischen Hochschulabschluss verfügen. Verschiedene Hochschulen bieten - teilweise berufsbegleitend - entsprechende Studiengänge an. Sie sind eine ansprechende Möglichkeit zur Weiterqualifikation für Pflegekräfte, die Lust haben, zukünftige Kolleg(inn) en zu unterrichten und auszubilden.
Konsequenzen für den Unterricht
An vielen Schulen wurden inzwischen Lehrkräfte damit beauftragt, auf der Grundlage des Rahmenlehrplans schuleigene Lehrpläne zu entwickeln, die gegebenenfalls auch noch bundeslandspezifische Vorgaben berücksichtigen. Grundsätzlich gilt, dass die neue Ausbildung von Schüler(inne)n mehr Verantwortungsübernahme und selbstständiges Handeln als bisher erfordert - dies alleine schon aufgrund der vorbehaltenen Tätigkeiten. Erste Berichte von Lehrkräften zeigen, dass dies zu Herausforderungen für Lehrende und Lernende führt: Weil stärker auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation auch bei der Erschließung der Unterrichtsinhalte gesetzt wird, müssen die Schüler(innen) entsprechende Kompetenzen entwickeln, da sie diese nicht unbedingt aus ihrer bisherigen Schulerfahrung mitbringen. Hier wird die von den Lehrkräften geforderte pädagogische Qualifikation notwendig. Ebenso wird sich noch stärker als bisher die Rolle der Lehrer(innen) ändern: Sie werden vom Instruktor zum Lernbegleiter, der die Schüler(innen) bei ihrem Kompetenzerwerb begleitet und unterstützt.
Ein verändertes Rollenverständnis erforderlich
Die neue Ausbildung zur "Pflegefachfrau" beziehungsweise "Pflegefachmann" erfordert noch stärker als bisher ein verändertes Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden. Kompetenzerwerb, Verantwortungsübernahme und selbstorganisiertes Lernen stehen hierbei im Vordergrund. Entsprechend wird von den Lehrenden zukünftig eine pädagogische Hochschulqualifikation gefordert, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und die Auszubildenden angemessen auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten.
Weiterführende Links
- Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz - PflBRefG), Bundesgesetzblatt online, Kurzlink: https://bit.ly/2TSglt1
- Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums: www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegeberufegesetz.html
- Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV), Bundesgesetzblatt online, Kurzlink: https://bit.ly/35YLYGW
- Rahmenpläne der Fachkommission nach § 53 PflBG, Bundesinstitut für Berufsbildung, Kurzlink: https://bit.ly/3jXl9b8
- Informationen zum Pflegeberufegesetz des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), www.dbfk.de/de/shop/artikel/Informationen-zum-Pflegeberufegesetz.php
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