Katholische Schwangerschaftsberatungsstellen sind nach wie vor gefragt!
Über 110.000 Ratsuchende haben 2019 Beratung und Begleitung in den Schwangerschaftsberatungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) erfahren.1 Die Berater(innen) bieten Hilfe vor Eintritt einer Schwangerschaft an, in Konfliktsituationen, in Entscheidungskrisen, im Verlauf In Corona-Zeiten wichtig, aber wegen mancher Sprachbarriere nicht einfach: die Beratung am Telefon. Bild AdobeStock/tirachard der Schwangerschaft sowie nach der Geburt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.
Beratungsstellen wurden ins Online-Beratungsportal integriert
Das Profil der Ratsuchenden zeigt deutlich: Caritas und SkF erreichen in der Schwangerschaftsberatung Menschen in prekären Lebenssituationen. Menschen, die mit Existenzsicherungsfragen befasst sind und für die eine Schwangerschaft nicht immer nur ein freudiges Ereignis ist, sondern auch existenzielle Nöte und Sorgen auslöst.
Das Profil der Ratsuchenden in Zahlen ausgedrückt:
- 76 Prozent der über 110.000 Ratsuchenden kamen 2019 in Verbindung mit einer Schwangerschaft in die Beratungsstellen,
- 18,7 Prozent nach der Geburt des Kindes,
- 15,5 Prozent der Ratsuchenden waren Alleinerziehende,
- 58,8 Prozent der Ratsuchenden haben keine abgeschlossene Berufsausbildung,
- 26,5 Prozent der Ratsuchenden verfügen über Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit,
- 41,1 Prozent der Ratsuchenden beziehen Transferleistungen nach dem SGB II,
- 45,6 Prozent haben eine deutsche Staatsangehörigkeit,
- 32,2 Prozent der Ratsuchenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit kamen 2019 aus dem nicht europäischen Ausland.
Die am häufigsten in der Beratung thematisierten Themen sind:
- die finanzielle Situation allgemein
- Fragen zu sozialrechtlichen Ansprüchen
- Fragen zu Vorsorge/Schwangerschaft/Geburt
- physische/psychische Belastungen (incl. medizinische Versorgung)
- Berufs-und Ausbildungssituation (einschließlich Arbeitslosigkeit)
- die rechtliche Situation allgemein
- die Wohnsituation allgemein
- Probleme als Migrantin (insbesondere fehlende Sprachkenntnisse)
- fehlende Unterstützung durch soziales Umfeld
- Angst vor Verantwortung/Zukunftsangst.
Familiengründung kann zu einem lebenszyklisch bedingten Armutsrisiko werden. Niedriges oder fehlendes Einkommen, unsichere, befristete Arbeitsverträge, unzureichende Bildung, beengte Wohnverhältnisse, mangelnde Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe sowie das Fehlen individueller Ressourcen und Fähigkeiten verschärfen die Notlage und führen oftmals in eine unsichere Lebenssituation. Nicht gesicherte Grundbedürfnisse und Ängste können zu psychischem Druck oder Perspektivlosigkeit führen und die Paar- und Eltern-Kind-Beziehung belasten. Das Vertrauen in die Selbstwirksamkeit in der Gegenwartsund Zukunftsgestaltung wird häufig als drastisch eingeschränkt erlebt.
Auffallend ist, dass im Vergleich zu den Vorjahren Gesundheitsthemen eine größere Rolle in der Beratung spielen. Viele Ratsuchende sind mit einer unzureichenden Gesundheitsversorgung konfrontiert und finden schwer eine Hebamme zur Vor- und Nachsorge. Insgesamt zeigen die Rückmeldungen aus der Praxis eine Zunahme psychischer Belastungen und Erkrankungen, auch von Traumatisierungen, häuslicher Gewalt und Suchtproblematiken.
Die Stärke der Schwangerschaftsberatung liegt in der Verknüpfung von persönlicher Beratung und Begleitung der Ratsuchenden mit weiteren passgenauen, präventiven Unterstützungsangeboten. Die Beratungsstellen sind Bestandteil der kommunalen Netzwerkstrukturen und übernehmen eine Brückenfunktion in Angeboten Früher Hilfen. Etwa ein Drittel aller Gruppenangebote fanden 2019 im Bereich der Frühen Hilfen statt.
Das Selbstverständnis der Schwangerschaftsberatung
Die Katholische Schwangerschaftsberatung ist regelmäßig gefordert, das eigene Selbstverständnis sowie Grundlagenpapiere und Konzeptionen auf aktuelle gesellschaftliche, medizinische und ethische Entwicklungen hin zu überprüfen. So wurde bereits 2017 ein umfassendes Lebensschutzkonzept der Katholischen Schwangerschaftsberatung veröffentlicht und in diesem Jahr die Beratungskonzeption "Professionell beraten in der Katholischen Schwangerschaftsberatung" fertiggestellt. Mit der Erarbeitung der Konzeption fand eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Beratungsverständnis des Fachdienstes und vor allem zur Beratung in ethischen Entscheidungskonflikten statt. Beide Grundlagenpapiere liegen sowohl elektronisch als auch in gedruckter Form vor und können innerverbandlich für die eigene Auseinandersetzung genutzt werden, aber auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zum Einsatz kommen.2
Relaunch des Online-Beratungsportals noch vor der Pandemie!
Im Oktober 2019 fand der Relaunch aller 17 Fachbereiche im Online-Beratungsportal der Caritas statt. Man kann sagen - just in time: Die Berater(innen) der Schwangerschaftsberatung hatten letztlich wenige Monate Zeit, sich mit der neuen Technik vertraut zu machen und erste Erfahrungen im Beantworten von Nachrichten in einer messengerähnlichen Umgebung zu sammeln. Im März 2020 wurde aufgrund der Covid-19-Pandemie der Publikumsverkehr in den Beratungsstellen größtenteils eingeschränkt. Um dennoch die Zugänge in die Beratung sicherzustellen, fand ein Umstieg auf Telefon- und/ oder Online-Beratung statt. Ein positiver Effekt der Pandemie ist sicherlich der Digitalisierungsschub in den Diensten und Einrichtungen der verbandlichen Caritas. Auch im Fachdienst Schwangerschaftsberatung konnten Beratungsstellen ins Online-Beratungsportal integriert werden. Berater(innen) haben digitale Schulungen wahrgenommen. Gleichwohl zeigte sich in der Krisensituation deutlich, dass viele Beratungsstellen digital unzureichend aufgestellt sind: Es fehlt an moderner digitaler Infrastruktur, Zugängen im Homeoffice zum Server der Beratungsstelle bis hin zu tragfähigen WLAN-Verbindungen. Die Träger allein können nicht für die Sicherstellung der Infrastruktur sorgen. Politische Lobbyaktivitäten sind hier besonders notwendig.
Gerade zu Beginn der Pandemie gab es Herausforderungen für die Schwangerschaftsberatungsstellen zu bewältigen wie beispielsweise der Umgang mit unterschiedlichen Landesvorgaben zur Durchführung der (Präsenz-)Beratung, die Erstellung von Hygiene- und Schutzkonzepten, die Ausstattung mit Schutzmaterialien, um Präsenzberatung durchführen zu können.
Insgesamt haben die Schwangerschaftsberater(innen) den Lockdown mit hohem Engagement und Kreativität gemeistert. Längst hat eine Rückkehr zur Präsenzberatung unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzmaßnahmen stattgefunden. Die Infektionszahlen steigen aktuell rasant an. Was haben wir aus der ersten Pandemiewelle gelernt?
Weitere Kommunikationskanäle sind nötig
Beratung profitiert von einem Mix aus Präsenz- und Onlinekontakten. Dieses Konzept des Blended Counseling ist ein Konzept der Zukunft. Es bedarf noch der Umsetzung in der Fläche und Verankerung in der Haltung beziehungsweise dem Selbstverständnis der Fachkräfte.
Besonders vulnerable Zielgruppen wie Ratsuchende mit Migrationshintergrund, die nur bruchstückhaft oder gar nicht Deutsch sprechen, konnten während des ersten Lockdowns nicht umfänglich erreicht werden. Der Zugang über Telefon- und Online-Beratung ist für manche Zielgruppen zu hochschwellig. Wir benötigen eine Erweiterung der Kommunikationskanäle im Online-Beratungsportal. Besonders hervorzuheben sind der Chat und die Videotelefonie. Es gibt Zielgruppen, für die es wichtig ist, dass der Kontakt zur Beraterin möglichst direkt ist - mit Bild, Stimme und Mimik.
Eine Stärke der Schwangerschaftsberatung ist die Verknüpfung von Beratung und flankierenden Hilfen wie präventiv angelegte Unterstützungsangebote. Gruppenangebote im Kontext Früher Hilfen oder im Kontext von Sexualpädagogik und sexueller Bildung mussten in den letzten Monaten ausgesetzt oder drastisch heruntergefahren werden. Geht man davon aus, dass die Covid-19-Pandemie auch weiterhin den Beratungsalltag deutlich beeinflusst, bedarf es digitaler Konzepte, um auch weiterhin umfassend für die Zielgruppen der Schwangerschaftsberatung da zu sein - in Präsenzkontakten, aber auch online für Einzelpersonen und für Gruppen.
Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten bedarf es nicht nur für die Ratsuchenden. Gleiches gilt auch für Beratungsfachkräfte. So gut wir alle mit der Corona-Pandemie umgegangen sind, so hat auch eine Vereinzelung stattgefunden. Es gibt weniger Austauschräume. Die digitalen Kommunikationskanäle wie der Chat und die Videotelefonie könnten eine Lösung sein, um nicht nur die Ratsuchenden im Online-Beratungsportal in Austausch zu bringen, sondern auch Berater(inne)n die Möglichkeit zu geben, sich kollegial im Netz zu besprechen. Es bedarf der Austauschräume, um mit den Herausforderungen, mit denen wir alle aktuell und in den nächsten Wochen und Monaten konfrontiert sind, weiterhin konstruktiv und engagiert umgehen zu können.
Anmerkungen
1. Der Jahresbericht 2019 der Katholischen Schwangerschaftsberatung steht als Download zur Verfügung: www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/familie/jahresbericht-2019-der-katholischen-schw
2. www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/familie/beratungskonzeption-und-lebensschutzkonz
Das Lob überwiegt
Mehr Verantwortung für Lehrende und Lernende
Nachgefragt
Entgelte in der Altenpflege holen auf
Die Kultur zu ändern ist die wahre Herausforderung
Zusammenarbeit neu denken
Interview
IT-Sicherheit - Managementrisiko
Statement
Der Start hat relativ gut funktioniert
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}