Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge bleibt kontrovers
Nach wie vor umstritten ist die im Jahr 2016 eingeführte Wohnsitzregelung für Flüchtlinge. Der Zweck der im Zuge des Integrationsgesetzes in Kraft getretenen Wohnsitzregelung nach § 12 a des Aufenthaltsgesetzes ist es, die "nachhaltige Integration" von anerkannten Flüchtlingen "in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland" zu fördern. Betroffenen soll durch diese Auflage angemessener Wohnraum zur Verfügung gestellt werden; zudem sollen sie dadurch beim Erwerb der deutschen Sprache und beim Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt werden. Parallel dazu ist es Ziel der Auflage, wohnräumliche Segregation zu verhindern beziehungsweise eine gerechte sowie an verfügbarem Wohnraum orientierte Verteilung von Flüchtlingen auf die Länder und Kommunen zu gewährleisten.
Betroffene werden verpflichtet, nach dem Asylverfahren bis zu drei Jahre in dem Bundesland zu bleiben, dem sie für das Asylverfahren zugewiesen waren - sofern diese nicht über einen Arbeitsplatz verfügen oder sich in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis befinden. Darüber hinaus ermöglicht das Gesetz eine weitere Binnenverteilung innerhalb und in der Regie des jeweiligen Landes. Davon machen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im April (BT-Drs 19/1608) hervorgeht, derzeit jedoch lediglich sieben Bundesländer Gebrauch: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Zudem kann zur Verhinderung von wohnräumlicher Segregation eine Zuzugssperre für anerkannte Flüchtlinge hinsichtlich einzelner Kommunen verhängt werden. Dies geschah bislang in fünf Fällen (Pirmasens in Rheinland-Pfalz, Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven in Niedersachsen und Cottbus in Brandenburg) - jeweils übrigens mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Begründung: der durch den Zuzug von Flüchtlingen (drohenden) Überlastung der Städte.
Praktische Probleme bei der Umsetzung
Die Wohnsitzregelung, vom Gesetzgeber eigentlich als integrationsförderndes Instrument ins Leben gerufen, hat von Anfang an viele Rechtsfragen aufgeworfen und praktische Probleme in der Anwendung erzeugt. Eine Umfrage unter den Diensten und Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes im Migrationsbereich hat diese Bedenken bestätigt. Viele verschiedene, kleinteilige Problemmeldungen zeigen, dass die Wohnsitzregelung in vielen Fällen zur Verkomplizierung der Lebenssituation der Betroffenen führt und dass sich die Praxis der Wohnsitzregelung mit ihren Zielen oftmals nicht in Einklang bringen lässt beziehungsweise teils sogar gegenteilige Effekte hat. Zwei Befunde stechen dabei heraus:
Besonders eklatant ist der Umstand, dass betroffene Flüchtlinge oftmals mangels Alternativen gezwungen sind, nach der Anerkennung weiter in Gemeinschaftsunterkünften zu leben und ihren Wohnsitz in diesem Fall selbst auch dann beibehalten müssen, wenn sie in einem anderen als dem zugewiesenen Ort eine Wohnung anmieten könnten. In diesen Fällen ist die Regelung weder förderlich für den (beispielsweise sprachlichen oder sozialen) Integrationsprozess der Betroffenen noch dient sie dem Zweck einer an vorhandenem Wohnraum orientierten, sinnvollen Verteilung auf die Länder und Kommunen. Eine mögliche Lösung wäre hier eine Gesetzesänderung: Wenn beispielsweise drei Monate nach Erteilung der Auflage keine geeignete Wohnung in der zugewiesenen Kommune gefunden werden konnte, wäre die Regelung - unter der Bedingung, dass in einer anderen Kommune eine passende Wohnung zur Verfügung stünde - aufzuheben.
Die Bearbeitung der Anträge dauert zu lange
Als problematisch erweist sich auch, dass teilweise sehr lange, für den weiteren Integrationsprozess der Betroffenen schädliche, Bearbeitungszeiten bei Anträgen auf Wohnsitzverlegung zu verzeichnen sind. Das betrifft nicht nur komplexe Härtefälle, sondern auch Fälle, in denen der Anspruch auf Aufhebung ohne weiteres festzustellen ist wie bei der Aufnahme einer Arbeit, einer Ausbildung oder eines Studiums. Zu umschiffen wäre dieses Problem, wenn etwa durch das Antreten eines Jobs oder eines Ausbildungsverhältnisses die Auflage automatisch aufgehoben würde.
Laut Koalitionsvertrag plant die Bundesregierung, die im Sommer nächsten Jahres auslaufende Regelung zu entfristen. Bleibt also zu hoffen, dass sie vorher ihre Ankündigung wahrmacht und die Wohnsitzregelung zeitnah evaluiert. Diese Chance wäre zu nutzen, um integrationshemmende Komponenten des Instruments zu beseitigen. Ansonsten würde das Integrationsgesetz an dieser Stelle weiter ad absurdum geführt.
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