Nur gemeinsam stark: die zwei Formen der Suchthilfe
Berufliche Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe stellen jeweils eigenständige wichtige Hilfeansätze im Versorgungssystem dar. Beide haben dasselbe Ziel - die Ressourcen und Kompetenzen von Betroffenen und Angehörigen zu stärken, Suchtkranke zu motivieren, Wege in ein suchtmittelfreies Leben zu finden, ihre Gesundheit zu fördern und Teilhabe am Familienleben sowie an Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen. Sie konkurrieren nicht, denn sie können sich gegenseitig nicht ersetzen - sie machen unterschiedliche, sich ergänzende Angebote. Die berufliche Suchthilfe bietet in Form von professioneller Beratung, Behandlung, Rehabilitation und Nachsorge ein differenziertes, strukturiertes und gut vernetztes Hilfesystem für Betroffene und Angehörige sowie zahlreiche Unterstützungsangebote für die Selbsthilfe. Die Selbsthilfe bietet Gemeinschaft, Austausch unter Gleichbetroffenen, Begleitung, voneinander Lernen und Unterstützung im Alltag - vor, während, nach oder unabhängig von einer professionellen Behandlung. Berufliche Suchthilfe ist zudem immer zeitlich begrenzt, während Selbsthilfe unbegrenzte Begleitung über das Ende der beruflichen Hilfe hinaus bietet. Um möglichst viele Betroffene und Angehörige zu erreichen und ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen, sind daher beide Hilfeansätze unverzichtbar. Es bedarf jedoch auch einer guten Vernetzung und Kooperation. Erst eine gute Zusammenarbeit mit durchlässigen Übergängen ermöglicht, die Kompetenzen beider Hilfeansätze optimal zu nutzen, sie erleichtert Betroffenen und Angehörigen den Zugang zu Hilfe und bietet eine schnelle und nahtlose Vermittlung sowie individuelle und passgenaue Hilfen. Eine gute Zusammenarbeit ermöglicht, Ressourcen zu bündeln, Zuständigkeiten klar zu regeln, einen guten und schnellen Informationsaustausch sicherzustellen, die Qualität des Hilfeangebots zu erhöhen und Hilfen bedarfsgerecht zu vermitteln. Herausforderungen, beispielsweise durch veränderte Rahmenbedingungen, vielfältigere Bedarfe oder neue Zielgruppen können gemeinsam besser bewältigt werden. Der nachgewiesenen Wirksamkeit der beiden Hilfeansätze sowie ihres Zusammenwirkens wird an verschiedenen Stellen Rechnung getragen. Im gemeinsamen Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung zur ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker ist die Kooperation als eine der Voraussetzungen benannt. Auch in der S3-Leitlinie "Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" (unter: https://bit.ly/2xTdR5E) wird der nachhaltige Besuch von Selbsthilfegruppen empfohlen sowie auf die Bedeutung der Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe hingewiesen. Die Zusammenarbeit kann daher nicht optional sein oder nur von einzelnen Mitarbeitenden abhängen, sondern muss verbindlich und nachhaltig geregelt und umgesetzt werden.
Das klingt jedoch einfacher, als es sich in der Praxis oft gestaltet. Wie für alle Schnittstellen im Versorgungssystem und jede Form der Kooperation gilt auch für die Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe, dass gemeinsam Herausforderungen bewältigt werden müssen: Rahmenbedingungen verändern sich kontinuierlich, zwei Systeme mit unterschiedlichen Hintergründen und Arbeitsweisen müssen aufeinander abgestimmt, tragfähige Beziehungen aufgebaut und gepflegt und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit hergestellt werden.1
Vor Ort ist die Zusammenarbeit sehr unterschiedlich
In der Suchthilfe der Caritas gibt es eine lange Tradition der guten Zusammenarbeit. Dennoch ist diese Kooperation vor Ort sehr unterschiedlich ausgeprägt und nicht immer zufriedenstellend. Sie ist kein Selbstläufer - sie muss immer wieder gestärkt, geklärt und mit Impulsen belebt werden. Daher haben sich der Deutsche Caritasverband (DCV) und der Kreuzbund-Bundesverband vor einigen Jahren für einen gemeinsamen, langfristigen Prozess zur Zusammenarbeit entschieden. Dadurch wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die genannten Herausforderungen die Verbesserung der Zusammenarbeit zu einer anspruchsvollen Aufgabe machen, die durch punktuelles Engagement, einzelne Veranstaltungen oder die alleinige Entwicklung einer Handreichung nicht hinreichend erfüllt werden kann. Um die Basis für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Zusammenarbeit zu schaffen, braucht es Begegnung, kontinuierliche Auseinandersetzung sowie Zeit, um Haltungen zu überprüfen und Veränderungen einzuleiten und wirksam werden zu lassen. Die Entwicklung einer Arbeitshilfe war kein zu Beginn des Prozesses formuliertes Ziel, sondern die Antwort des DCV auf den aus der Praxis geäußerten Unterstützungsbedarf. Sie ist damit Ergebnis des bisherigen Prozesses und zugleich Grundlage für dessen Fortsetzung. Die Arbeitshilfe besteht aus vier Modulen: Modul I "Grundlagen und Empfehlungen für eine gute Zusammenarbeit", Modul II "Good-Practice-Beispiele für eine gute Zusammenarbeit", Modul III "Foliensatz zu Modul I und II", Modul IV "Qualitätsmanagement". Die Inhalte der Module (unter https://bit.ly/2AEZxLt) können auch außerhalb der Caritas und in anderen Bereichen, in welchen Hauptamtliche und Ehrenamtliche kooperieren, hilfreich sein und genutzt werden.
Multiplikatoren sind unverzichtbar
Um eine gute und zukunftsorientierte Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe sicherzustellen, braucht es kontinuierliches Engagement auf allen Ebenen: Zur Verbesserung der Zusammenarbeit vor Ort sind Multiplikator(inn)en aus beiden Bereichen unverzichtbar, die Bundesebene der beruflichen Suchthilfe wie der Sucht-Selbsthilfe bleibt weiterhin in der Verantwortung
- zur Unterstützung von Multiplikator(inne)n und gemeinsamen Veranstaltungen;
- in Bezug auf die Verankerung und die Erhöhung der Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit über Einbindung in Schulungskonzepte und QM-Systeme;
- bei der Sicherstellung der gleichberechtigten Berücksichtigung der Schnittstelle zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe neben anderen Themen in Fachdebatten und -veranstaltungen;
- bei der Vermittlung der Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit der Zusammenarbeit über Öffentlichkeitsarbeit.
Anmerkung
1. Ruf, D.; Walter-Hamann, R.: Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe: Wieso ist sie so wichtig? Vor welchen Herausforderungen steht sie? Wie kann sie gut gelingen? Konturen online - Fachportal zu Sucht und sozialen Fragen, 2015: www.konturen.de
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