Mit Kochen und Putzen allein ist es nicht getan
Emilia Platzer arbeitet seit fünf Monaten als hauswirtschaftliche Fachkraft in einer Wohngemeinschaft für demenziell erkrankte Menschen. Gemeinsam mit diesen bereitet sie die Speisen zu, geht einkaufen, kümmert sich um die Wäsche sowie mit einer weiteren Kollegin um die Sauberkeit in den Wohnräumen. Die Arbeit macht ihr Spaß, sie hat das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, Menschen in einer besonderen Lebenslage ein Stück Lebensqualität geben zu können. Eines Mittags, als sie beim Kartoffelschälen mit der Bewohnerin Erna Janz gefühlt zum tausendsten Mal auf ihre immer gleiche Frage die immer gleiche Antwort gibt, fragt sie sich, ob diese für sie so selbstverständliche Handlung eigentlich angemessen ist. Sie sucht den Austausch mit den Kolleginnen. In einer gemeinsamen Gesprächsrunde fangen nach und nach alle an, die für sie eigentlich selbstverständlichen Handlungsweisen im Umgang mit den Bewohner(inne)n genauer zu betrachten und zu hinterfragen.
Ethisches Handeln entwickeln
Zugegeben, bei dem obigen Beispiel handelt es sich um einen konstruierten Fall. Wir können jedoch beobachten, dass die Beschäftigung mit Hauswirtschaft mehr und mehr Raum einnimmt. So ist Hauswirtschaft verstärkt in die Gesetzgebung eingeflossen, zum Beispiel in das Pflegestärkungsgesetz II und in das Wohn- und Teilhabegesetz in NRW. Hier wird im § 22 (3), Wohn- und Teilhabegesetz (WTG NRW) sogar das Vorhandensein einer zusätzlichen Fachkraft für Hauswirtschaft gefordert. Hauswirtschaft hat bisher ein Schattendasein in den stationären Altenhilfeeinrichtungen geführt. Jetzt hat man erkannt, dass Hauswirtschaft mehr ist als nur "Essen". Obgleich einrichtungsinterne Umfragen bestätigen, dass das Essen als ein wichtiger Teilbereich der Hauswirtschaft bei den Bewohnerinnen und Bewohnern einen hohen Stellenwert hat.
In vielen anderen Bereichen ist zu beobachten, dass das Thema Ethik Hochkonjunktur hat. Deutlich wird dies etwa bei ethischen Fallbesprechungen und der Bildung von Ethikkommissionen. Um das Thema Ethik weiter zu reflektieren, hat sich unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh), der auch der Deutsche Caritasverband angehört, eine Arbeitsgruppe gebildet. Die Ergebnisse werden im Herbst als Buch veröffentlicht.
Von der Alltagsmoral zur Ethik
Alle Menschen verfügen über eine sogenannte "Alltagsmoral". Sie sind überzeugt zu wissen, was richtig oder falsch, was ethisch und moralisch ist. Wie in unserem Beispiel ist diese Überzeugung den Handelnden nicht immer bewusst und trotzdem handeln sie entsprechend. Bislang wurde dieser Aspekt in der Hauswirtschaft kaum beachtet, im Gegensatz zur Altenpflegeausbildung, für die Andreas Wittrahm bereits in einer frühen Veröffentlichung sehr deutlich den Aspekt der Ethik dargestellt hat.1 Gerade das Nachdenken über moralisch verantwortliches Handeln, die Frage nach dem Sinnzusammenhang, Entwicklung von Maßstäben für adäquates Handeln und deren Folgen sind richtungsweisend.
In der Hauswirtschaft sind diese ethischen Dimensionen und die Diskussion darüber noch nicht weit fortgeschritten. Mit der nun zu erwartenden Veröffentlichung soll sich dies ändern. Die Absicht ist, der Praxis wichtige Hintergrundinformationen sowie Vorschläge für das eigene Handeln zu liefen. Das ethische Handeln in der Hauswirtschaft soll komprimiert in zehn Leitsätzen dargestellt werden.
Die Wertschätzung fördern
Greifen wir den zweiten Leitsatz "Hauswirtschaftliches Handeln ist wertschätzend" auf, so hat der Begründer der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, Carl Rogers2, die Anwendung der drei Variablen Kongruenz, Empathie und die bedingungslose Akzeptanz als die Grundhaltung der Wertschätzung ausgemacht. Erst die konsequente Anwendung dieser drei Variablen fördert die Wertschätzung und damit verbunden die Öffnung, zentrierter über sich selbst zu sprechen. Somit ist die Biografiearbeit in der bewohnerorientierten Hauswirtschaft intensiver und nicht nur auf die Abfrage von Fakten und Daten beschränkt. Jeder Leitsatz stellt abschließend auch praktische Fragen, wie:
- Woran ist die Wertschätzung im eigenen Handeln zu erkennen?
- Wie drückt sich die Wertschätzung in der Sprache aus?
- Wird ein Mensch in seiner Gesamtheit gesehen oder nur in seiner Bedürftigkeit?
Kommunikation braucht Räume
Da es nicht ausreicht, das eigene Handeln zu benennen, wird in der Veröffentlichung der Weg zur ethischen Urteilsfindung nach Eduard Tödt3 vorgeschlagen. Eine wesentliche Rolle bei der Entscheidungsfindung spielt hierbei die Kommunikation. Diese Kommunikation kann aber nicht zwischen Tür und Angel geschehen, sondern es bedarf Räumen, Settings und einer in themenzentrierter Interaktion ausgebildeten Fachkraft.4 Diese Voraussetzungen zu schaffen ist die Aufgabe von Verantwortlichen.
Anmerkungen
1. Wittrahm, A.: Orientierungen zur ganzheitlichen Altenpflege. Bonn: Dümmler, 1988.
2. Rogers, C.: Therapeut und Klient, Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1994.
3. Tödt, H.-E.: Versuch zu einer Theorie ethischer Urteilsfindung. In: Zeitschrift für Evangelische Ethik, München, 1977, 21. Jg., S. 81-93.
4. Cohn, R.: Von der Psychotherapie zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart, 1975.
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