Entlastung, die ankommt
Frühe Hilfen wollen die Beziehungs- und Erziehungskompetenzen von (werdenden) Eltern fördern, Familien entlasten und auf diese Weise zu positiven Entwicklungsbedingungen für Säuglinge und Kleinkinder in ihren Familien beitragen. Diese Ziele können auch durch den Einsatz Ehrenamtlicher gut erreicht werden - so ein Ergebnis der Evaluation des bundesweiten Projekts "Frühe Hilfen in der Caritas". Die fachliche Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Ehrenamtlichen in den Frühen Hilfen wird seit geraumer Zeit geführt. Impulse dafür kommen aus verschiedenen Richtungen:
Bereits 2009 formulierte der wissenschaftliche Beirat des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) eine vielbeachtete Begriffsbestimmung, die Ehrenamtliche als festen Bestandteil Früher Hilfen definiert: "Frühe Hilfen basieren vor allem auf multiprofessioneller Kooperation, beziehen aber auch bürgerschaftliches Engagement und die Stärkung sozialer Netzwerke von Familien mit ein."1
Die im Bundeskinderschutzgesetz formulierte Verpflichtung zur Unterstützung des Aus- und Aufbaus von Netzwerken Früher Hilfen und des Einsatzes von Familienhebammen soll ausdrücklich "auch unter Einbeziehung ehrenamtlicher Strukturen"2 realisiert werden. Details zur Umsetzung des Gesetzes finden sich in einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern vom Juli 2012 über die "Bundesinitiative Frühe Hilfen": "Die Bundesinitiative soll für Bund und Länder übergreifende Erkenntnisse erbringen hinsichtlich (…) der Möglichkeiten und Grenzen des Einbezugs ehrenamtlichen Engagements im Kontext der Frühen Hilfen."3
Ein weiterer Impulsgeber für den Diskurs war und ist nicht zuletzt die Praxis: Deutschlandweit wurden in den letzten Jahren ehrenamtliche Angebote in den Frühen Hilfen auf- beziehungsweise ausgebaut - auch im Rahmen des Projekts "Frühe Hilfen in der Caritas" von 2010 bis 2013, das im Zusammenwirken des Deutschen Caritasverbandes (DCV) mit 16 Diözesen an insgesamt 90 Standorten realisiert wurde.
Im Auftrag des DCV hat das Universitätsklinikum Ulm eine externe Projektevaluation durchgeführt. Die vom Bundesfamilienministerium geförderte Evaluation sollte die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes Ehrenamtlicher in den Frühen Hilfen ausloten.
Vor kurzem hat das NZFH zentrale Ergebnisse dieser Evaluation in der Reihe "kompakt" veröffentlicht. Die Publikation trägt den Titel: "Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Ehrenamtlichen in den Frühen Hilfen - Am Beispiel der Evaluation des Projektes ,Frühe Hilfen in der Caritas‘".4 Damit soll eine Grundlage geschaffen werden für weitere Diskussionen zu Qualitätsstandards für den Einsatz Ehrenamtlicher in den Frühen Hilfen.
Familienpaten bringen konkrete Alltagsentlastung
Unter den vor Ort entstandenen ehrenamtlichen Angeboten waren Familienpatenschaften mit 74 Prozent bei weitem am häufigsten. Es folgten Offene Treffs/Elterncafés mit 18 Prozent sowie Mutter-Kind-Gruppen mit zehn Prozent. Insgesamt gab es an jedem Standort im Schnitt 1,4 Angebote, die mit Ehrenamtlichen realisiert wurden. Die häufigste Kombination bildeten Offene Treffs und Familienpatenschaften.
Als zentrale Aufgaben des ehrenamtlichen Dienstes kristallisierten sich niedrigschwellige alltagsnahe Angebote zur Entlastung und Unterstützung heraus: die stundenweise Kinderbetreuung, Gesprächspartnerschaften und die Förderung sozialer Interaktion, Einbindung in den sozialen Nahraum sowie die Hilfe bei Behördengängen.
Familien mit drei oder mehr Kindern stark vertreten
Zur Zielgruppe der Frühen Hilfen in der Caritas gehörten - im Sinne der Primärprävention - zunächst einmal alle Familien. Der Fokus galt dabei Familien mit besonderen Belastungen (selektive Prävention). Entsprechend groß ist die Spannbreite der soziodemografischen Daten der Eltern, die das Projekt erreichen konnte: 44?Prozent von ihnen hatten drei oder mehr Kinder (Spannweite: null bis sechs Kinder), sie waren entweder verheiratet (43 Prozent) oder Single/alleinerziehend (ebenfalls 43 Prozent) und sprachen überwiegend Deutsch als Muttersprache (68 Prozent). Das Durchschnittsalter lag bei 34 Jahren (Range von 21 bis 46 Jahren). Knapp die Hälfte (46 Prozent) hatten eine Lehre oder eine sonstige Ausbildung absolviert, 31 Prozent waren ohne beruflichen Abschluss und 15?Prozent hatten studiert. Die Daten zeigen, dass zu einem großen Anteil auch Familien in potenziell belastenden Lebenslagen erreicht wurden. Vor allem Eineltern- sowie Mehrkindfamilien waren gegenüber dem Bundesdurchschnitt deutlich überrepräsentiert.
Eltern fühlten sich sicherer im Umgang mit dem Kind
Die Mehrheit der Familien nahm Familienpatenschaften in Anspruch und bewertete diese als "sehr hilfreich", 96 Prozent würden das Angebot weiterempfehlen. Die Eltern waren vor allem sehr zufrieden damit, wie die jeweilige Patin mit ihnen und ihren Kindern umging und wie Patin und Familie zueinander passten.
Bei einem Vorher-nachher-Vergleich zeigten sich zudem deutlich positive Veränderungen bezogen auf das Souveränitätsempfinden der Eltern im Umgang mit den Kindern und bezogen auf Gefühle der Überforderung hinsichtlich der Alltagsbewältigung und des Umgangs mit den Kindern. An manchen Standorten gab es zu wenige ehrenamtliche Projektmitarbeiter(innen), so dass der Nachfrage von Familien nach freiwilliger Unterstützung nicht immer entsprochen werden konnte.
Die Ehrenamtlichen: meist deutsche Frauen um die 50
Auch bei den Ehrenamtlichen zeigte sich in den soziodemografischen Daten eine große Spanne, die den Wandel im Ehrenamt dokumentiert. Ehrenamtlich aktiv waren vor allem Frauen (90 Prozent) über 50 Jahre (55 Prozent; Spannweite: 20-71 Jahre), verheiratet beziehungsweise in einer Partnerschaft (84 Prozent) und mit eigenen Kindern (75 Prozent). Auf der anderen Seite waren 15 Prozent aller Ehrenamtlichen jünger als 30 Jahre und 30 Prozent zwischen 30 und 50 Jahre alt. Deutsch war über alle Altersgruppen hinweg zu 98 Prozent die Muttersprache. Jede(r) dritte Ehrenamtliche war berufstätig (32 Prozent), jede(r) vierte in Rente (24?Prozent); jede fünfte Ehrenamtliche Hausfrau (20 Prozent) und jede(r) sechste in Ausbildung oder Studium (17?Prozent). Sozialberufe waren unter den Ehrenamtlichen mit 27 Prozent besonders häufig vertreten.
Zumeist waren die Ehrenamtlichen zum Befragungszeitpunkt seit weniger als einem Jahr als Familienpatin tätig, für durchschnittlich elf Stunden im Monat (ohne die Stunden für Schulung, Reflexion etc.). Am häufigsten waren sie über Printmedien auf das Projekt aufmerksam geworden.
Was Familienpatinnen selber benötigen
Ähnlich wie die Eltern waren auch die Ehrenamtlichen mit ihrer Tätigkeit und den Kontextfaktoren im Projekt (wie Abläufe und Strukturen oder Koordination der Ehrenamtlichen) sehr zufrieden und fühlten sich von der Ehrenamtskoordination gut begleitet und wertgeschätzt. Nur wenige gaben an, sich vereinzelt überfordert gefühlt zu haben. Der Unterstützungsbedarf der Ehrenamtlichen war individuell sehr unterschiedlich (von "sehr hoch" bis "gar nicht"). Er konzentrierte sich auf Fragen der Abgrenzung und der Rollendefinition sowie der Vernetzung und des Austauschs mit anderen Ehrenamtlichen.
Die hauptamtliche Ehrenamtskoordination nimmt eine Schlüsselrolle ein. Ihre vielfältigen Aufgaben beziehen sich auf die Ehrenamtlichen (vor allem Akquise und fachliche Begleitung), die Familien (insbesondere Koordination von Anfragen, Einschätzung des Unterstützungsbedarfs, Evaluation der Patenschaften) sowie auf das Netzwerk und den sozialen Nahraum (insbesondere Kontaktpflege).
"Wichtiges Qualitätsmerkmal ehrenamtlicher Tätigkeit ist eine verlässliche und professionelle Begleitung durch die Ehrenamtskoordination."5 Durch ein qualifiziertes Matching trägt die Ehrenamtskoordination maßgeblich zur Zufriedenheit von Familien und Ehrenamtlichen und damit zum Gesamterfolg einer Familienpatenschaft bei. Die Passgenauigkeit von Angebot, ehrenamtlich tätiger Person und Familie wurde im Projekt hauptsächlich durch persönliche Gespräche der Ehrenamtskoordination mit den Beteiligten umgesetzt und insgesamt sehr positiv bewertet. Der Zugang zu den Familien gelang insbesondere durch den persönlichen Nahraum der Familien und durch das professionelle Netzwerk. Hier bewährte sich die gute Vernetzung vor allem mit caritasinternen Diensten. In der Kooperation mit den Gesundheitsdiensten - wie Krankenhäusern und niedergelassenen Kinderärzt(inn)en und Gynäkolog(inn)en - wurden teilweise noch Schwierigkeiten erlebt. Eine besonders aktive und positive Rolle im Rahmen der Vernetzung nahmen die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen ein.
Zur Wahrnehmung der vielfältigen Aufgaben wird in der Evaluation die "Bereitstellung ausreichender Ressourcen für die Ehrenamtskoordination"6 empfohlen. Eine Richtgröße nennt der Evaluationsbericht explizit nicht. Erfahrungen an den Projektstandorten zeigen, dass circa 20 Familienpatenschaften mit 50 Prozent einer Vollzeitstelle realisiert werden können. Die Zahl der Patenschaften ist jedoch abhängig von der Projektphase, den Bedarfen der Familie und den Anforderungen an die Begleitung der Ehrenamtlichen. Eine geringere Anzahl als 20 Patenschaften empfiehlt sich im Projektaufbau sowie bei sekundärpräventiver Ausrichtung des Angebots. Mehr als 20 Patenschaften können folglich erst mit der Etablierung des Projektes oder bei einem primärpräventiven Projektansatz geleistet werden.7
Anmerkungen
1. Begriffsbestimmung Frühe Hilfen des NZFH vgl. www.fruehehilfen.de/fruehe-hilfen/was-sind-fruehe-hilfen
2. Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) Art.1 § 3 Abs. 4; vgl. www.fruehehilfen.de/fruehe-hilfen/rechtliche-grundlagen/rechtliche-rahmenbedingungen-zu-fruehen-hilfen/bundeskinderschutzgesetz-bkischg
3. Verwaltungsvereinbarung "Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen 2012-2015"; Art. 1, Abs. 2; www.fruehehilfen.de/bundesinitiative-fruehe-hilfen
4. www.fruehehilfen.de, Suchwort: "Möglichkeiten Grenzen". Eine Printversion kann per E-Mail kostenlos bestellt werden bei: georg.kaesehagen-schwehn@caritas.de;
vgl. auch den ausführlichen Endbericht: Liebhardt H.; König, E. et al.: Evaluation des Projekts "Frühe Hilfen in der Caritas" des Deutschen Caritasverbandes (2010-2013), 2013, www.caritas.de/fh-evaluation
5. Ebd., S. 21.
6. Liebhardt, H. et al., 2013, S. 120.
7. Z.B. Caritasverband für die Diözese Mainz (Hrsg.): Projekt Frühe Hilfen zur rechten
Zeit 2010-2013. Mainz, November 2013; "bis zu 25 Familien" (S. 21); vgl. auch Perzlmaier, C.; Sonnenberg, B.: Patenschaften praxisnah - Herausforderungen und Umsetzung von Kinder- und Familienpatenschaften. Juventa-Verlag, 2013, S. 108-109.
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