Ausgegrenzte in soziale Aufgaben der Kirche integrieren
Das Kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland hat vielfältige Kündigungsmöglichkeiten, wenn Loyalitätsobliegenheiten insbesondere in der Lebensführung verletzt wurden. Dies wurde in der Vergangenheit von vielen eher als Stein des Anstoßes und als unbarmherziges Instrument gegenüber kritischen Lebensereignissen wie Scheidung und Wiederheirat wahrgenommen und erlebt. Daran haben die vielen Ausnahmeregelungen vor Ort nicht grundsätzlich etwas geändert, auch wenn sie die jüngsten Entwicklungen gewiss mit in Gang gebracht haben. Zur Erinnerung: Das Bundesarbeitsgericht gab am 8. September 2011 der Kündigungsschutzklage des ehemaligen Chefarztes eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf nach seiner Wiederheirat recht. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts widersprach in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2014 dem Urteil des BAG von 2011 und führte seine bisherige Rechtsauffassung fort, dass allein die jeweilige Kirche entscheide, welche Loyalitätsobliegenheiten für ihre (kirchlichen) Arbeitsverhältnisse von Bedeutung sind und welche nicht. Am 27. April 2015 beschloss die Deutsche Bischofskonferenz (dennoch) eine Novelle der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" mit gewissen Lockerungen, die vor allem die Mitarbeiter(innen) der Caritas betreffen, die nicht in der Wortverkündigung und Katechese tätig sind. Wirkliche Rechtssicherheit ist durch die ausdrücklichen Ermessensspielräume - zentrales Negativkriterium ist öffentliches Ärgernis - jedoch noch nicht geschaffen worden.
Papst Franziskus legt mit seinem Apostolischen Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016) nun allerdings eine ganz andere Zugangsweise nahe, die vielen Diensten und Einrichtungen der Caritas und ihren Mitarbeitenden in Deutschland sehr entgegenkommen dürfte. Er rückt die Prioritäten zurecht und mahnt einen Perspektivenwechsel an. Seine Aufforderung "Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden, eingliedern" (Überschrift Kap. 8) nimmt alle in den Blick, "die unter verletzter Liebe leiden, […] die die Richtung verloren haben oder sich in einem Sturm befinden" (AL 291); das gilt für alle und zumal für die organisierte Caritas und ihre Mitarbeitenden. Dabei ist bislang die Aufmerksamkeit vor allem auf die Frage des Sakramentenempfangs gerichtet worden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für den Papst jedoch die Mitarbeit im kirchlichen Dienst, zu dem die Caritas wesentlich gehört. Mit Bezug auf Geschiedene, die zivil wieder geheiratet haben, schreibt er: "Ihre Teilnahme kann in verschiedenen kirchlichen Diensten zum Ausdruck kommen: Es ist daher zu unterscheiden, welche der praktizierten Formen des Ausschlusses im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können." (AL 299) Sein Ziel ist die Integration: "Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi, der die Kirche ist, gehören, sondern dies als freudige und fruchtbare Erfahrung erleben können." (AL 299)
Der Weg der Nächstenliebe steht immer offen
Absolute Priorität haben Barmherzigkeit und Nächstenliebe als "das vorrangige Gesetz der Christen" (AL 306), verbunden mit der Ermutigung, jene Schritte des Glaubens oder der Versöhnung zu gehen, die möglich sind, auch wenn Menschen "nicht in der Lage sind, die objektiven Anforderungen des Gesetzes zu verstehen, zu schätzen oder ganz zu erfüllen". (AL 295) Es gehe darum, in den vielfältigen schwierigen Umständen "die möglichen Wege der Antwort auf Gott und des Wachstums inmitten der Begrenzungen zu finden" (AL 305), und nicht nur um äußerlich korrektes Verhalten. Gerade der Weg der Nächstenliebe und die Werke der Barmherzigkeit stehen auch bei "sogenannten ‚irregulären Situationen‘" offen, und der Papst bezieht sich "nicht nur auf die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, sondern auf alle, in welcher Situation auch immer sie sich befinden". Er wirbt ausdrücklich für ihre Teilnahme am Leben der Kirche, "sei es in sozialen Aufgaben, in Gebetstreffen oder in der Weise, die seine eigene Initiative gemeinsam mit dem Unterscheidungsvermögen des Pfarrers nahelegt." (AL 297)
Gerade mit Bezug auf die "sozialen Aufgaben" - die vielen Handlungsfelder der Caritas - scheint Papst Franziskus sehr deutlich zu sehen, wie viel wertvolle Arbeit in der Sendung der Kirche hier für Menschen in Not und Bedrängnis geleistet wird, ganz abgesehen davon, ob Mitarbeitende sich in der persönlichen Lebensführung in "sogenannten irregulären Situationen" befinden mögen. Hauptsache, die Mitarbeitenden identifizieren sich mit dieser Sendung der Kirche für die Armen und Bedrängten aller Art beziehungsweise respektieren sie zumindest und wirken ihr nicht entgegen, wie dies schon Benedikt XVI. (Vgl. Intima ecclesiae natura [11. November 2012] Art. 7 § 1) formulierte. Die Umsetzung in das Kirchliche Arbeitsrecht steht an. Die Caritas kann dann noch besser der gemeinten Integration dienen.
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