Caritasbetriebe steigen ins Upcycling ein
Diese Arbeit verlangt Einfallsreichtum, Zuwendung zum Werkstück, Geduld und handwerkliches Geschick. Die Übergänge zum Kunsthandwerk sind fließend. Im Upcycling entstehen Unikate, keine Massenware. Im Vergleich zu industrieller Fertigung ist ein hohes Maß an menschlichem Arbeitseinsatz erforderlich, und der Produktionsprozess braucht Zeit. Deshalb bietet Upcycling handwerklich Talentierten, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zum Zuge kommen, die Chance auf Beschäftigung.
Upcycling liegt im Trend.1 Immer mehr Konsument(inn)en möchten sich von der Wegwerfgesellschaft distanzieren. Sie respektieren die Ressourcen, die gebrauchte Materialien bieten und schätzen die Ideen, was sich daraus noch alles fertigen lässt. Im Unterschied zum Recycling geht es nicht nur um Wiederverwertung, also etwa um die Produktion neuer Glasflaschen aus Altglas. Beim Upcycling geht es um Aufwertung: Ausgediente Gegenstände, oftmals vom Sperrmüll, aus Abrisshäusern oder aus Haushaltsauflösungen, werden mit anderen Materialien zu etwas Neuem kombiniert: Alte Glasflaschen werden aufgesägt, poliert, mit einer Fassung versehen zu Lampenschirmen. Auf ein ausrangiertes Gestell wird ein altes Verkehrsschild geschraubt und fertig ist ein strapazierfähiges Tischchen. Omas Vertiko wird mittels historischer Werbeplakate zum Retro-Kultobjekt umgestaltet. Und der alte Schlitten wird mit ein paar Einlegeböden ausgestattet zum Buchregal.
Upcycling-Vorreiter in der IDA
Der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG?IDA) im Deutschen Caritasverband gehören rund 240 Beschäftigungsunternehmen an, darunter viele Fair- und Sozialkaufhäuser. Einige von ihnen haben schon vor Jahren mit Upcycling begonnen, auch wenn es den Begriff damals noch nicht gab. In Gaimersheim bei Ingolstadt beispielsweise führte in den 1970er Jahren die Unzufriedenheit der Bürger(innen) mit der kommunalen Sperrmüllentsorgung dazu, die oft noch gut erhaltenen Möbel und Gegenstände lieber der Caritas zu spenden. Diese gründete in enger Abstimmung mit dem Sozialamt und der Kommune einen gemeinnützigen Wertstoffhof (Caritasmarkt), der heute mit 300 geförderten Stellen rund 60 Prozent des Sperrmüllaufkommens Ingolstadts bewältigt. Rund ein Viertel eignet sich für das Re- und Upcycling.
Ein weiteres Beispiel für Caritas-Upcycling ist in Konstanz zu finden: In Kooperation mit Designerinnen und Künstlerinnen entstehen in einem Nähprojekt für alleinerziehende Frauen Textilprodukte wie Hüte oder Taschen. Auch Möbelstücke werden in der Caritas-Einrichtung veredelt. Dank einer schon traditionellen Kooperation stellt das gräfliche Schloss der Insel Mainau diese jährlich aus2, und das renovierte Schlosscafé wird derzeit auf Upcycling-Basis eingerichtet.
Mitmachaktionen für Schulklassen
Die Upcycling-Vorreiter der Caritas tragen oft auch zur Bewusstseinsbildung für den Ressourcenschutz bei. Der Caritasmarkt Gaimersheim beispielsweise lädt regelmäßig Schulklassen zu Mitmach-Aktionen ein, bei denen die Schüler(inn)en kleine Upcycling-Produkte fertigen. Im Rahmen eines erweiterten Bildungskonzepts der Osnabrücker Möwe gGmbH agieren die Mitarbeitenden im Recycling und Upcycling sowie die Auszubildenden (zum Beispiel Maler, Zweiradmechaniker) in der Öffentlichkeit als "Botschafter der Ressourcenschonung".
Ressourcenschutz war auch ein Schwerpunkt der letztjährigen Caritaskampagne "Weit weg ist näher, als du denkst": Wenn beispielsweise entsorgte Baumwoll-Bettwäsche als gebatikter Einkaufsbeutel weiterverwendet werden kann, muss nicht erneut Baumwolle verbraucht werden, die in einem Entwicklungsland unter hohem Herbizid- und Wassereinsatz erzeugt wurde.
Marktposition durch gemeinsame Plattform stärken
Die Caritaskampagne 2014 gab auch den Anstoß, die Upcycling-Aktivitäten im Verband zu bündeln und auszubauen. Eine Aufgabe des Projektbüros Demografie-Initiative des DCV ist, die Upcycling-Vorreiter mit interessierten Einrichtungen zusammenzubringen. In einer bundesweiten Arbeitsgruppe aus fünfzehn Praxisvertreter(inne)n der IDA und eines IN VIA-Betriebs werden regelmäßig die nötigen Schritte besprochen.
Neues Label "Einzigware"
Das Ziel ist, durch Erfahrungsaustausch und Bündelung der bisherigen Aktivitäten eine starke gemeinsame Marktposition zu erlangen. Zugleich soll das Upcycling als soziale Beschäftigungsmöglichkeit weiter an Anerkennung und Unterstützung gewinnen, beispielsweise seitens der Jobcenter, aber auch der (potenziellen) Trägerverbände. Nicht zuletzt soll das im Trend liegende Upcycling neue Zielgruppen als Kunden ansprechen und auf die "Marke Caritas" als ganze abfärben, indem es einen Akzent setzt, welche attraktiven Wege Beschäftigungsförderung gehen kann. Von Anfang an dabei ist die BAG IDA, die ab Juli 2015 die gemeinsame Plattform verantworten und fortführen wird.
Gemeinsam mit einer Ausstellung zum Caritas-Upcycling in Berlin3 hatte es Mitte Februar seinen bundesweiten Startschuss: Das eigens für Upcycling-Produkte der Caritas entwickelte Label "Einzigware". Geschaffen von der Freiburger Markenagentur qu-int (siehe Interview S. 28), betont es, dass Kund(inn)en stets ein Unikat erwerben: "Massenware Mangelware", so einer der Slogans. Einrichtungen, die am Label teilnehmen, erhalten die als Stempeldruck gestaltete Wortmarke "Einzigware" als Druckvorlage für alle gemeinsam verfügbaren Werbemittel - und als universell einsetzbaren Stempel. Damit lassen sich die unterschiedlichsten Produkte auszeichnen. Optional gibt es einen "Warenmeister"-Stempel: Damit können die Beschäftigten, die ein Upcycling-Produkt hergestellt haben - Warenmeister genannt - das Produkt individuell kennzeichnen. Diese Option spiegelt ein weiteres Ziel des Labels: den Menschen, der im Upcycling arbeitet, und sein Können zu würdigen.
Der gemeinsame Online-Auftritt www.einzigware.de informiert über die Vielfalt von Upcycling-Produkten. Klicken Interessierte auf einen bestimmten Artikel, werden sie zur Website des jeweiligen Anbieters weitergeleitet. Wegen unterschiedlicher lokaler Rahmenbedingungen bleiben Preisbildung, Kaufanbahnung und Versandlogistik weiterhin Sache des einzelnen Anbieters.
Zentrale Homepage - dezentrale Logistik
Für die Label-Nutzung zahlen IDA-Mitglieder einmalig 300 (Nichtmitglieder mit engem Caritasbezug: 600) Euro.4 Teilnehmende Anbieter verpflichten sich, gemeinsame Qualitätskriterien einzuhalten: Einzigware-Produkte müssen mindestens zur Hälfte aus gebrauchten Materialien bestehen, eine originelle Aufwertung aufweisen und im Rahmen sozialer Beschäftigungsförderung entstanden sein. Somit sind unter anderen auch Caritas-Werkstätten für Menschen mit Behinderung eingeladen, ins Upcycling einzusteigen und beim Label Einzigware mitzumachen.
Die einzelnen Einrichtungen stellen den Großteil des Inhalts des Internetauftritts bereit, ohne dass nennenswerte Kosten entstehen: indem die kostenfreien Internetdienste Instagram und Facebook genutzt werden, um Fotos und Produktbeschreibungen anzuzeigen. Dazu genügen ein Smartphone und die Bereitschaft, Neues hochzuladen.
Das Einzigware-Label und der zugehörige Webauftritt sind offen in der Breite - also für weitere Teilnehmer und Produkte - und auch in der Tiefe: Anbieter und Warenmeister(innen) können über die Produktbeschreibung hinaus auch Fotostrecken oder Videos zum Herstellprozess einstellen. Sie können sich in Facebook-Gruppen austauschen und Geschichten über sich oder im Dialog mit Kund(inn)en erzählen. Der zentrale Webauftritt wird von der BAG?IDA betreut werden.
Auch eine Vernetzung mit Printprodukten ist geplant: Neben Einzigware-Broschüren, -Postkarten oder -Kalendern kann in verbandseigenen und externen Medien über Caritas-Upcycling berichtet werden. Die Caritas-Kinderzeitschrift Youca5 geht in ihrer Ausgabe 1/2015 mit gutem Beispiel voran: Hier gibt es eine Bastelanleitung, die Kindern zeigt, wie aus einer Milchtüte eine kleine Geldbörse entsteht.
Interessierte Einrichtungen können sich an initiative@caritas.de wenden.
Anmerkungen
1. Auch youngcaritas engagiert sich im Upcycling. Mehr dazu unter: www.youngcaritas.de/engagiert/upcycling
2. Vgl. www.mainau.de, Suchbegriff: "Caritas Fairkauf".
3. Ausstellung bis 15. April 2015 in Räumen der Pax-Bank Berlin-Mitte, Chausseestraße 128a.
4. Zur gemeinsamen Kostendeckung für den Internetauftritt und die Entwicklung von Werbemittel-Vorlagen.
5. Mehr Infos unter www.caritas.de/youca
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