Bei der Personalentwicklung die Lebenslagen berücksichtigen
Organisationen stellen sich heute die Frage, welche Mitarbeitende sie in Zukunft brauchen, wie viele und mit welchen Qualifikationen. Die Antworten finden sie, indem sie ihren Personalstamm analysieren und sich fragen, wie attraktiv sie sind, um gutes und ausreichend Personal gewinnen und halten zu können.
Personalmanagement und Organisationsentwicklung
Organisationen mit strategischem Personalmanagement begegnen mit prospektiv orientierter Unternehmenspolitik den Herausforderungen des demografischen Wandels. Sie verbinden Personalmanagement mit Organisationsentwicklung, indem Strukturen und Prozesse des gesamten Unternehmens aufeinander abgestimmt werden. Die Paradigmen Lernen und Entwicklung stellen die Verbindung dar, denn nur lernfähige Organisationen können sich entwickeln und verändern.
Strategisches Personalmanagement nimmt die Entwicklungsfähigkeit und Zufriedenheit von Mitarbeitenden in den Blick: Ihr Wissen, ihre Kompetenzen werden entsprechend der Organisationsbedarfe erweitert und vertieft. Die Berufszufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden wird gefördert, damit ihre Lernbereitschaft und -fähigkeit mit dem Anforderungslevel der Organisation wächst.
Alterns- und lebenslagengerechte Personalentwicklung
Das Schaffen alternsgerechter Arbeitsbedingungen zählt Untersuchungen und Projekten1 der vergangenen Jahre zufolge zu den zentralen Aufgaben des Personalmanagements. Dabei werden die Anforderungen an Mitarbeitende so gestellt, dass sie deren altersgemäßen Kompetenzen, Einsatzmöglichkeiten und auch ihren Grenzen entsprechen. Doch das allein genügt noch nicht, weil in diesem Zusammenhang die Lebenslagen der Mitarbeitenden berücksichtigt werden müssen, wenn der Personaleinsatz mitarbeiterorientiert geschehen soll. Als "Lebenslage" wird die "Gesamtheit der äußeren Bedingungen bezeichnet, durch die das Leben von Personen oder Gruppen beeinflusst wird"2. Sie bildet die sozioökonomische, soziokulturelle und sozialbiologische Lebensgrundlage von Personen und markiert deren Handlungsspielraum, kann von ihr aber in gewissem Maße auch verändert, gestaltet werden.3
Diese Definitionen lassen sich für ein alterns- und lebenslagengerechtes Personalmanagement nutzen, indem beim Personaleinsatz die Lebenslage mit der gesamten Erwerbs- und Lebenssituation von Mitarbeitenden berücksichtigt wird. Diese korrespondiert ja auch wesentlich mit den
Einsatzmöglichkeiten und der Leistungsfähigkeit. So ist es etwas völlig anderes, ob zum Beispiel Mitarbeitende alleine oder in einer Partnerschaft mit zwei Einkommen leben oder ob sie Kinder haben.
Lebenslagen und Phasen betrieblicher Zugehörigkeit
Für die Personalentwicklung sind auch die Phasen der Betriebszugehörigkeit relevant. Die Phase der Ausbildung als Einstieg in eine betriebliche Karriere ist von der Lebenslage Jugend geprägt, bei welcher die Partnersuche, Selbstfindung und der Berufseinstieg im Vordergrund stehen. Die Ausstiegsphase vor dem Renteneintritt ist durch die Lebenslage junges Alter charakterisiert, das häufig mit der Versorgung
alter Menschen einhergeht. Dazwischen erstreckt sich eine möglicherweise lange dauernde Phase beruflicher Etablierung und Karriereentwicklung, samt Veränderungen des beruflichen Arbeitsalltags, Weiterbildung, Neuorientierung, Familiengründung, Kindererziehung oder Trennung.
Alle beruflichen Phasen bringen jeweils spezifische Herausforderungen für Mitarbeitende hervor, die sie mit ihrer Lebenslage und ihrem Alter in Einklang bringen müssen. Oft verläuft die jeweilige Lebenslage parallel und unverbunden zu den beruflichen Anforderungen und führt deshalb zu persönlichen und betrieblichen Problemen. Deshalb geht es darum, an den Lebenslagen, Berufsphasen und betrieblichen Anforderungen zu arbeiten, um sie aufeinander abzustimmen. Es stehen oft vielfältige Instrumente der betrieblichen Begleitung für die Karriereentwicklung von Mitarbeitenden zur Verfügung, wie zum Beispiel Personalentwicklungsgespräche zur Karriereplanung und Weiterbildungsangebote. Diese sind zudem in Einklang zu bringen mit den organisationalen Zielen und zukünftig zu erwartenden Anforderungen. Hierbei hat das Personalmanagement die Aufgabe, betriebliche Belange mit Berufsphasen und individuellen Lebenslagen und -alter der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen und so die Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsfähigkeit zu steigern.
Qualifikationsrahmen für Personalbedarfe
Organisationen, systemtheoretisch als Handlungssysteme definiert, die Menschen gestalten4, setzen organisationale Ziele, definieren Aufgaben und bestimmen die Anforderungen an das System und dessen Entwicklung. Es sind Organisationsstrukturen zu schaffen, die eine erfolgversprechende Leistungserbringung ermöglichen. Haupterfolgsfaktor und Leistungsträger in sozialen Organisationen ist das Personal. Seine Qualifikationen und Leistungsfähigkeit gilt es mit Hilfe von Analysen zu ermitteln. So sind zum Beispiel Personalbefragungen mit standardisierten Fragerastern systematisch so zu entwickeln und einzusetzen, dass Qualifikationsprofile und Leistungsmerkmale von Mitarbeitenden erkennbar sind und das Entwicklungspotenzial für die Organisation den heutigen und künftigen Anforderungen entsprechend sichtbar wird.
Dazu können Qualifikationsrahmen genutzt werden, weil sie bereits Qualifikationsniveaus und -anforderungen formulieren. Es eignen sich der "Deutsche Qualifikationsrahmen" (DQR) und für den Pflegesektor der domänenspezifische "Qualifikationsrahmen für den Beschäftigungsbereich der Pflege, Unterstützung und Betreuung älterer Menschen" (domänenspezifischer QR)5.
Aufbau und Funktion von Qualifikationsrahmen
Sowohl der DQR als auch der domänenspezifische QR, der sich für die Altenpflege eignet, umfasst acht Niveaustufen, die auf unterschiedlichen Bildungswegen erreicht werden können. Lebenslanges Lernen soll mit Hilfe der Qualifikationsrahmen forciert und der Kompetenzzuwachs von Erwerbspersonen, die sich weiterbilden, berücksichtigt werden.
Beide Qualifikationsrahmen strukturieren die Stufen mit Hilfe standardisierter Deskriptoren orientiert an Fachkompetenz und personaler Kompetenz. Der DQR fasst diese über die sogenannte Vier-Säulen-Matrix. Fachkompetenz wird in den Dimensionen Wissen und Fertigkeiten ausgedrückt, und personale Kompetenz wird in Form von Sozialkompetenz und Selbstständigkeit beschrieben.6 Den domänenspezifischen QR für die Altenpflege einzusetzen, ist deshalb interessant, weil seine Konstruktionslogik auf alle Mitarbeitenden im Sozial- und Gesundheitswesen anwendbar ist. Er liefert für jedes Anforderungsniveau eine Kurzbeschreibung und charakterisiert den Verantwortungsbereich von Mitarbeitenden auf der jeweiligen Niveaustufe. Beispielhaft werden die Aufgabenbereiche bezogen auf Klienten, Team und Organisation genannt. Alle Beschreibungen sind kompetenzorientiert bezogen auf personale und auf Fachkompetenzen von Mitarbeitenden, die beispielhaft in den Dimensionen Wissen und Können ausgedrückt werden und damit im Sinne des DQR sind.
Im Rahmen des politischen Prozesses zur Festlegung der Niveaustufen des DQR wurden alle dreijährigen formalen Bildungsabschlüsse der Pflegeberufe auf das Niveau "4" gesetzt.7 Am Beispiel des domänenspezifischen QR kann man zeigen, wie dort das Niveau für die Pflegefachkraft beschrieben wird: "Qualifikationsniveau 4 bezieht sich auf die Steuerung und Gestaltung von komplexen Pflegeprozessen … Die Klient(inn)en weisen einen Pflegebedarf auf, zu dessen (Teil-)Kompensation auch Anleitung und Beratung und ein breites Spektrum an Fachwissen erforderlich sind."8 Damit korrespondierend wird der Verantwortungsbereich der Pflegefachkraft wie folgt charakterisiert: "Qualifikationsniveau 4 beinhaltet die Übernahme von Verantwortung für die Steuerung und Gestaltung individualisierter komplexer Pflegeprozesse auf der Grundlage empirisch gesicherter Erkenntnisse."9
Qualifikationsrahmen als Analyse- und Entwicklungsinstrument
Werden Qualifikationsrahmen als Analyse- und Entwicklungsinstrumente genutzt, können sie Anforderungen an Mitarbeitende transparent und Kompetenzen vergleichbar machen. Sie schaffen für Mitarbeitende und Vorgesetzte Klarheit.
Organisationen können die Deskriptoren als Analyseinstrumente einsetzen, um die zukünftig relevanten betrieblichen Anforderungen zu qualifizieren. Verantwortungs- und Aufgabenbereiche können definiert und benötigte fachliche und personale Kompetenzen aufgezeigt werden, um auf dieser Basis Mitarbeitende zu befragen und die Positionen eines Unternehmens kompetenzorientiert darzustellen. Aufgrund der betrieblichen Erfordernisse lässt sich dann festlegen, welches Personal mit welcher Qualifikation und in welcher Anzahl jetzt und zukünftig eingesetzt werden muss.
Nach dieser Analyse können Organisationen ihre Entwicklungsbedarfe beschreiben und als Soll-Situation formulieren - als Leitschnur für Entwicklungsziele. Mit der Einführung einer solchen systematischen Vorgehensweise von der Bedarfserhebung bis zur Formulierung des zukünftig zu erwarteten Zustandes der Organisation wird die Grundlage für ein kompetenzbasiertes Personalmanagement gelegt. Damit sind Unternehmen in der Lage, für und mit den Mitarbeitenden angepasste alterns- und lebenslagengerechte Karriere- und Entwicklungsplanungen vorzunehmen.
Anmerkungen
1. Über alternsgerechte Personalentwicklung wurde in den vergangenen Jahren vermehrt publiziert: Krämer, Günther, 2002; Richenhagen, Gottfried, 2007; Ham, Daniel; Ramon, Birgit; Freiburg, 2013; Schulenburg, Nils; Knauer, Stefan, 2012 u.v.a.m.
2. Engels, Dietrich: Lebenslagen. In: Maelicke, Bernd (Hrsg.): Lexikon der Sozialwirtschaft. Baden-Baden, 2008, S. 643-646.
3. Ebd.
4. Hier wird der Systembegriff von König, Eckard und Volmer, Gerda zugrunde gelegt, nach dem soziale Systeme im Sinne von Gregory Bateson "als Systeme handelnder Personen definiert werden, wobei das Verhalten eines sozialen Systems von den Personen, dem Bild, das sie sich von der Wirklichkeit machen, aber auch von den Regeln und den auf dieser Basis entstehenden Regelkreisen abhängig ist": König, Eckard; Volmer, Gerda: Systemische Organisationsberatung. Grundlagen und Methoden. 7. Auflage. Weinheim, 2000, S. 35.
5. Hundenborn, Gertrud; Knigge-Demal, Barbara: Entwurf des Qualifikationsrahmens für den Beschäftigungsbereich der Pflege, Unterstützung und Betreuung älterer Menschen im Rahmen des Projektes "Modell einer gestuften und modularisierten Altenpflegequalifizierung". Bielefeld, Köln, 2011.
6. Marx, Birgit: Ansätze alterns- und lebenslagengerechter Personal- und Organisationsentwicklung im Sozial- und Gesundheitswesen auf der Folie von Qualifikationsrahmen. In: Kaufhold, Marisa; Rosowski, Elke; Schürmann, Mirko (Hrsg.): Bildung im Gesundheitsbereich. Forschung und Entwicklung zur beruflichen und hochschulischen Bildung. Festschrift für Prof. Dr. Barbara Knigge-Demal, Berlin, 2014, S. 317.
7. Diese Setzung gilt ab 2013 für fünf Jahre, dann soll diese Festlegung der Niveaustufe erstmals geprüft werden.
8. Hundenborn, Gertrud; Knigge-Demal, Barbara: a.a.O., S. 32.
9. Ebd.
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