Mit Langzeitkonten Lebensphasen flexibel planen
Die Arbeits- und Lebensbedingungen in sozialen Berufen verändern sich ständig. Gerade in den Arbeitsfeldern in der St. Elisabeth-Stiftung ist es wichtig, den notwendigen Ausgleich zu finden, um sich immer wieder auf den Dienst am Nächsten einlassen zu können. Auch in den pädagogischen und pflegerischen Berufen steigen die Anforderungen an die Mitarbeitenden permanent. Daher ist es sinnvoll, sich frühzeitig Gedanken über die persönlichen Lebensperspektiven zu machen.
Vor dem Hintergrund der Anhebung des Renteneintrittsalters und der Ungewissheit, ob der eigene Gesundheitszustand die Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes bis zur Rente erfüllen wird, wächst der Bedarf an flexiblen Arbeitszeitmodellen. Vor allem wünschen sich auch viele Erwerbstätige, die beruflichen Verpflichtungen besser mit dem Familiären vereinbaren zu können. Vorruhestandsfinanzierung, Freistellung für Qualifizierung, Sabbatical oder die Betreuung häuslicher Pflegefälle sind hier denkbare Verwendungsmöglichkeiten des Wertguthabens der Zeitwertkonten.
Die Zertifizierung der St. Elisabeth-Stiftung zum "audit berufundfamilie" der Hertie-Stiftung im Jahr 2011 war der Ausgangspunkt, die Langzeitkonten einzuführen. Die St. Elisabeth-Stiftung beschäftigt derzeit 1700 Mitarbeitende an über 30 Standorten zwischen Ulm und dem Bodensee.
Langzeitkonten vonseiten der Mitarbeiter angeregt
Zum Thema Arbeitszeit, einem von acht Handlungsfeldern im "audit berufundfamilie", kam folgende Rückmeldung seitens der Mitarbeiterschaft: Kann die St. Elisabeth-Stiftung prüfen, ob Langzeitkonten etwas für uns wären? Die Prüfung begann mit dem Besuch von Fachtagen und Infoveranstaltungen. Schnell zeigte sich, dass es ein komplexes Thema ist. Es war uns klar und wichtig, dass wir bei einer ernsthaften Herangehensweise die Unterstützung von externen Expert(inn)en benötigen, die uns kompetent, professionell und dauerhaft begleiten. Eigene Ressourcen in diesem Umfang aufzubauen und vorzuhalten war aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich.
Nach der ersten positiven Vorstellung auf Vorstandsebene und im oberen Management wurde eine Vereinbarung zur betriebswirtschaftlichen Beratung und Implementierung eines Zeitwertkontenmodells ausgearbeitet. Die Deutsche Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeitmodelle (DBZWK) hat ein individuell ausgestaltetes Wertkontenmodell entwickelt und dessen Verwaltung und Treuhandschaft übernommen. Die Wertguthaben sind gesetzeskonform und wirksam bei Zahlungsunfähigkeit des Dienstgebers geschützt.
Das Zeitwertkontenmodell wird ausschließlich aus eigenen Arbeitgebermitteln finanziert. Die St. Elisabeth-Stiftung fühlt sich in der Verantwortung, einen Beitrag zum Thema "audit berufundfamilie" zu leisten und den Mitarbeiter(inne)n innovative und (noch) neue Wege aufzuzeigen. Ziel ist, mit diesem Modell als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen zu werden, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen und dauerhaft eine hohe Mitarbeiterbindung zu erreichen.
Flexible Anspar- und Auszahlungsmöglichkeiten
Gesetzliche Grundlage ist das sogenannte Flexi-Gesetz. Herzstück der Langzeitkonten ist die Dienstvereinbarung, die mit der Gesamtmitarbeitervertretung verhandelt wurde. Diese Dienstvereinbarung bietet absolut flexibel alle Anspar- und Auszahlungsmöglichkeiten - mit vielfältigen Vorteilen für die Mitarbeitenden. Beim Zeitwertkonto wird das Entgelt für einen Teil der geleisteten Arbeit nicht unmittelbar ausgezahlt, sondern flexibel angespart. Das Guthaben wird zu einem späteren Zeitpunkt in Form von bezahlter Freistellung abgebaut.
Die Mitarbeiter(innen) haben die Möglichkeit - ohne Einbußen bei der gesetzlichen Rente - vor Erreichen des 67. Lebensjahres den Vorruhestand zu genießen, flexibel die Lebensarbeitszeit zu gestalten und unter dem Stichwort Arbeitssouveränität Auszeiten für Weiterbildung sowie Eltern- und Pflegezeit zu nutzen.
Die Mitarbeitenden sind zeitlich und hinsichtlich der Verwendung des Wertguthabens flexibel. Sie entscheiden erst in der Zukunft darüber, wofür sie persönlich das Guthaben einsetzen wollen. In das "Zeitwert"-Konto wird ohne Abzüge von Lohnsteuer und Sozialversicherung eingespart. Ersparte Steuern und gegebenenfalls Sozialabgaben werden in die Zukunft verlagert und bis dahin im Zinseszins-Effekt angelegt. Nicht verbrauchte Wertguthaben können bei Rentenbeginn auf Wunsch - ohne Abzug von Steuern - in eine betriebliche Altersversorgung übertragen werden. Das Wertguthaben kann bei Arbeitsplatzwechsel zu einem neuen Dienstgeber mitgenommen oder auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen werden. Die Zeitwert-Konten sind uneingeschränkt vererbbar und haben einen gesetzlich garantierten Insolvenzschutz durch Trennung vom regulären Betriebsvermögen und zusätzlicher Verpfändung an den Treuhänder.
Persönliche Beratungsgespräche
Im Herbst 2013 folgten zwei kurze Infoveranstaltungen auf dem stiftungsweiten Mitarbeiterfest und im Anschluss zehn jeweils zweistündige Mitarbeiter-Infoveranstaltungen während der Dienstzeit an verschiedenen Standorten. Im Anschluss an die Infoveranstaltungen blieb ausreichend Zeit, nachzufragen und persönliche Beratungsgespräche anzumelden. Von September bis Dezember 2013 fanden außerhalb der Dienstzeit die ersten rund einstündigen Beratungsgespräche statt. Der Partner oder die Partnerin konnten selbstverständlich auch daran teilnehmen. Rund halbstündige Zweitgespräche wurden unkompliziert vereinbart. Mittels Berechnungsmodellen konnten individuelle Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden: Wie viel muss ich einsparen, damit ich ohne Abschläge früher in Rente gehen kann? Was muss ich tun, wenn ich in absehbarer Zeit eine dreimonatige Auszeit nehmen möchte (s. Kasten)?
Die erste Infoveranstaltung wurde auf DVD aufgenommen und eine 30-seitige Infobroschüre erarbeitet. Neue Mitarbeiter(innen) bekommen nach bestandener Probezeit alle Materialien über das "Zeitwert"-Konto geschickt. Für Mitarbeiter(innen), die eine Sozialkomponente erhalten, wird automatisch ein "Zeitwert"-Konto angelegt und die Sozialkomponente darauf überwiesen. Bei entsprechender Vereinbarung werden darauf auch die anderen Einbringungen gutgeschrieben.
Über 1000 Mitarbeiter führen ein Wertkonto
Was sich unproblematisch anhört, bedeutet in der Realität viel Einsatz und Organisation. Gerade in der Kommunikations- und Informationsphase waren auch intern in der Personalabteilung Ressourcen gebunden. Bei der Umsetzung im Lohnabrechnungsprogramm wurden neue Felder beschritten und eine gute Abstimmung zwischen den verschiedenen Dienstleistern war unabdingbar. Wir haben heute eine Mitarbeiterin im Personalwesen als zuständige Ansprechpartnerin für die DBZWK und für die Mitarbeiter(innen) der St. Elisabeth-Stiftung.
Seit der Einführung zum 1. Januar 2014 bis heute haben über 600 Beratungsgespräche stattgefunden. Über 1000 Mitarbeitende haben sich bereits für ein Wertkonto entschieden. In den wenigen Monaten seit dem Modellstart wurden bereits 1,6 Millionen Euro in die rentierliche und insolvenzgeschützte Vermögensanlage überführt. Fortlaufend werden Beratungsgespräche angeboten sowie eine jährliche Infoveranstaltung für neue Mitarbeiter(innen).
Das neue Lebensarbeitszeitmodell "Zeitwert" der St. Elisabeth-Stiftung bietet individuelle Lösungen, unterschiedliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Es kommt dem Wunsch nach einer freien Lebensgestaltung entgegen und bietet zusätzliche finanzielle Sicherheit im Alter. Jede(r) Einzelne kann rechtzeitig reagieren und aktiv werden, indem er/sie die Weichen für die persönliche Vorruhestandsplanung und eine flexiblere Lebensphasenplanung stellt.
Wir haben den Wunsch und die Vision, dass Lebensarbeitszeitkonten im Sinne von lebensphasenorientierter Personalpolitik in möglichst vielen Unternehmen und Verbänden angeboten werden, damit die angesparte Zeit im richtigen Moment bereichernd eingesetzt werden kann. Bei einer durchdachten und transparenten Umsetzung profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen von diesem Modell.
Bei der Personalentwicklung die Lebenslagen berücksichtigen
Gemeinsam Führungskräfte gewinnen
Eine Vielfalt an Themen lebhaft diskutiert
Eine Anlaufstelle für die Ärmsten
Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats sorgsam wahren
Der Realität begegnen
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