Stärkere Beteiligung an den Prozesskosten
Rechtsuchende können Beratungshilfe (BerH) und - wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt - Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, falls sie die erforderlichen finanziellen Mittel für eine Rechtsberatung nicht aufbringen können.
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf1 vorgelegt, der das Prozess- und Verfahrenskostenhilferecht sowie die Beratungshilfe effizienter gestalten und vor allem der missbräuchlichen Inanspruchnahme entgegenwirken soll. Die neuen Regelungen sollen die gestiegenen Ausgaben der Länderhaushalte für PKH und BerH begrenzen. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass der gerichtliche und außergerichtliche Zugang zum Recht weiterhin allen Bürger(inne)n unabhängig von ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen offensteht.
Wesentliche Neuregelungen, insbesondere solche, die kritisch zu bewerten sind, werden nachfolgend dargestellt.
Prozesskostenhilfe
Stärkere Beteiligung an der Finanzierung der Prozesskosten
In Zukunft sollen die Einkommensfreibeträge wegen Erwerbstätigkeit und für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner(innen) geringer ausfallen. Die Ratenzahlungshöchstdauer für die Rückzahlung der Prozesskosten soll von bisher 48 Monate auf 72 Monate verlängert werden. Die monatliche Rate soll künftig die Hälfte des einzusetzenden Einkommens betragen. Verbleiben beispielsweise nach Abzug der Freibeträge und aller zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten wie Miete, Versicherungen, Kreditraten noch 100 Euro, so ist davon eine monatliche Rate in Höhe von 50 Euro zu zahlen. So werden die Prozesskostenhilfeempfänger(innen) in stärkerem Maße an der Finanzierung der Prozesskosten beteiligt.
Der Deutsche Caritasverband (DCV) lehnt die geplanten Änderungen in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2013 zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz ab (www.caritas.de/Prozesskostenrecht). Durch die Freibeträge für Erwerbstätige sollen die mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Mehraufwendungen für Fahrtkosten und Arbeitsmittel berücksichtigt und ein Anreiz zur Aufnahme von Arbeit geschaffen werden. Die Kürzung der Freibeträge für Ehegatten und Lebenspartner(innen) belastet Menschen zusätzlich, die am oder knapp oberhalb des Existenzminimums leben. Die Neuregelung der monatlich zu zahlenden Raten führt in vielen Fällen zu einer erheblichen Erhöhung. Gerade im unteren Einkommensbereich ist der Einsatz von der Hälfte des einzusetzenden Einkommens eine starke Kostenbelastung. Die Erhöhung der Ratenzahlungsdauer auf sechs Jahre belastet einkommensschwache Menschen für einen langen Zeitraum. Der DCV befürchtet daher, dass diese - aus Angst vor Prozessschulden - von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten werden.
Beiordnung bei Scheidung und arbeitsgerichtlichem Prozess
Bislang wird in einem Scheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe (entspricht der PKH im Familienrecht) für die Beiordnung eines Rechtsanwalts zwingend bewilligt, wenn der/die Ehepartner(in) anwaltlich vertreten ist. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann dem Rechtsuchenden derzeit auch ohne Erfolgsaussicht im Prozess ein Anwalt unter Bewilligung von PKH beigeordnet werden kann, wenn der Gegner anwaltlich vertreten ist. Diese Sonderregelungen sollen abgeschafft werden. In Zukunft soll das Gericht eine Einzelfallentscheidung treffen.
Änderung und Aufhebung der Bewilligung
Wer PKH beantragt, soll verpflichtet werden, wesentliche Einkommensverbesserungen anzuzeigen. Eine Änderung der bewilligten PKH zum Nachteil des Rechtsuchenden soll bis zu sechs Jahre nach Beendigung des Verfahrens möglich sein. Aus der Kann-Regelung wird eine Soll-Vorschrift, so dass bei einer wesentlichen Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der/des Rechtsuchenden die zu leistenden Zahlungen grundsätzlich angepasst werden müssen. Der Ermessensspielraum des Gerichts, die PKH in bestimmten Fällen aufzuheben, wird eingeschränkt. Eine Ausnahme, von der Aufhebung abzusehen, soll nur noch in atypischen Einzelfällen bestehen. Der DCV lehnt die Verlängerung des Überprüfungszeitraums ab und setzt sich für eine größere Entscheidungsfreiheit des Gerichts bei der Abänderung und Aufhebung von PKH ein.
Beratungshilfe
Beratungshilfe in allen Angelegenheiten
Zukünftig sollen alle rechtlichen (einschließlich steuerrechtlichen) Angelegenheiten beratungshilfefähig sein. Die Befugnis, Beratungshilfe zu erteilen, wird auf Angehörige der steuerberatenden Berufe und auf Rentenberater(innen) erweitert.
Definition der Voraussetzung "Mutwilligkeit"
Zukünftig soll BerH nicht in Anspruch genommen werden können, wenn dies mutwillig wäre. So soll verhindert werden, dass BerH beansprucht wird, wenn ein professioneller Rechtsrat nicht geboten ist, zum Beispiel, weil dieser auch durch eine einfache Rücksprache mit dem Anspruchsgegner realisiert werden könnte oder der Rechtsuchende mit ihm eine Ratenzahlung vereinbaren möchte.
Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts
Dem Gericht wird die Möglichkeit eingeräumt, bei Dritten Einkünfte über Einkommen und Vermögen der/des Ratsuchenden einzuholen. Der DCV kritisiert in seiner Stellungnahme, dass das Abfragen von Daten bei Dritten im Rahmen der BerH unverhältnismäßig ist. Es ist ausreichend, dass die/der Ratsuchende seine tatsächlichen Angaben durch die Abgabe einer Erklärung an Eides statt glaubhaft macht.
Vorherige Antragstellung
Der Antrag auf BerH muss zukünftig gestellt werden, bevor die Beratungsperson tätig wird. Eine nachträgliche Antragstellung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Der Antrag kann spätestens vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfe nur dann noch bewilligt werden, wenn es aus Gründen besonderer Eilbedürftigkeit nicht zumutbar ist, die vorherige Entscheidung des Gerichts abzuwarten. Der DCV kritisiert diese Regelung, da durch den Zwang, vorher den Antrag zu stellen und die engen Möglichkeiten einer nachträglichen Antragstellung die Hemmschwellen für eine Rechtsverfolgung erhöht werden. Zudem könnten durch die vorherige Antragstellung Fristen ablaufen, die der rechtliche Laie nicht kennt.
Einführung der Aufhebungsmöglichkeit
Es wird die Möglichkeit eingeführt, die Bewilligung von BerH aufzuheben, unter anderem wenn sich herausstellt, dass die Bewilligungsvoraussetzungen von Anfang an nicht vorgelegen haben.
Anmerkung
1. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, BT-Drucksache 17/11472.