Rechtzeitig Ressourcen stärken
Muth: Im Sinne des Bundestagsantrags haben Sie sich dafür ausgesprochen, die Frühen Hilfen finanziell abzusichern und diese auch für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr anzubieten. Was können Frühe Hilfen für psychisch belastete Familien bewirken?
Mertens: Frühe Hilfen setzen an, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, stärken rechtzeitig Ressourcen. Der SkF arbeitet im Rahmen der Frühen Hilfen mit Patinnen und Paten für Kinder aus belasteten Familien. So können die Kinder unbelastete Beziehungen und ein verlässliches soziales Umfeld erleben. Das ist extrem wichtig für ihre Resilienz.
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und des Gesundheitssystems müssen besser vernetzt werden. Wo hakt es da noch?
Die in unseren Einrichtungen nach § 19 SGB VIII gemeinsam mit ihren Kindern aufgenommenen Mütter und Väter haben zum überwiegenden Teil psychische Probleme. Dennoch werden in der Regel keine Stellen für psychologische Fachkräfte finanziert. Hilfen für die Eltern müssen außerhalb der Einrichtung gesucht werden. Aber es gibt kaum psychiatrische Kliniken, die Kinder mit aufnehmen. Es braucht mehr Kooperation von Psychiatrie und gemeinsamen Wohnformen für Eltern und Kinder. Vorbild hierfür ist die Kooperation des SkF-Hauses Agnes in Nürnberg mit einer psychiatrischen Tagesklinik.
Sie haben auch den Vorschlag gemacht, die Zugänglichkeit zu Eltern-Kind-Kuren nach § 24 SGB V zu verbessern.
Es braucht dafür eine flächendeckende Kurberatung, die bei Antragstellung, Reisevorbereitung und geeigneter Nachsorge unterstützt. Diese ist jedoch eine freiwillige Leistung, die die Wohlfahrtsverbände vielfach selbst finanzieren. Eine gesetzliche Regelung für Kurberatung beziehungsweise Vor- und Nachsorge wäre daher hilfreich.