Gestärkt gesund aufwachsen
Fröhlich und gesund – so wünschen sich Kinder ihre Eltern. Die Realität sieht oft anders aus. Geschätzt leben circa 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland mit einem psychisch kranken Elternteil zusammen.1 Dies kann dazu führen, dass Kinder vernachlässigt werden, Gewalt erfahren oder auch einfach "nur" zu viel Verantwortung tragen müssen. Für diese Kinder steigt das Risiko, selbst psychisch zu erkranken.
Betroffene Kinder und ihre Eltern benötigen bedarfsgerechte Hilfen. Diese gibt es durchaus, von einer flächendeckenden, familienorientierten, sozialgesetzbuchübergreifenden Versorgung kann jedoch noch nicht die Rede sein. Daher legte die nach einer Bundestagsinitiative eingesetzte Arbeitsgruppe "Kinder psychisch und suchtkranker Eltern" 2019 dem Deutschen Bundestag 19 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Kindern und Familien mit psychisch oder suchtkranken Eltern vor.
Antrag im Bundestag bündelt Verbesserungen
Einige dieser Empfehlungen wurden umgesetzt, beispielsweise wurde die "Hilfe in Notsituationen" (§ 20 SGB VIII) 2021 neu gefasst, um den Bedarf von psychisch erkrankten Elternteilen an niedrigschwelligen Hilfen zu decken. Von Nachteil ist allerdings, dass diese Hilfen nur für Familien mit Kindern bis zum 14. Lebensjahr ausgelegt sind. Außerdem ist der Transfer vom Papier in die Praxis noch nicht vollzogen.2 Erweiterte Möglichkeiten, Kooperations- und Vernetzungszeiten des medizinischen Personals zu finanzieren, harren ebenfalls noch der Umsetzung.
Im Juli 2024 haben die Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt mit dem Titel "Prävention stärken - Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen". Darin wurden Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Situation von Kindern psychisch kranker und suchtkranker Eltern aufgezeigt. Der Antrag wurde am 31. Januar vom Bundestag beschlossen. Er empfiehlt unter anderem folgende Vorhaben:
◆ Entwicklung kommunaler Gesamtkonzepte: In Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern soll ein Handlungsrahmen erstellt werden, der die Entwicklung und Verstetigung multiprofessioneller, rechtskreisübergreifender Hilfesysteme auf den Weg bringt.
◆ Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes: Das Präventionsgesetz soll mit Blick auf die Förderung der seelischen Gesundheit, die Familienorientierung und die Belange von Kindern mit psychisch oder suchtkranken Eltern weiterentwickelt werden. Zudem wird eine Stärkung der Verhältnisprävention bei Suchtmitteln angestrebt. Das heißt, es wird hier nicht auf die Änderung individuellen Verhaltens gesetzt, sondern darauf, äußere Bedingungen gesundheitsförderlicher zu gestalten.
◆ Erhöhung der Mittel für Frühe Hilfen: Es soll geprüft werden, ob die Mittel des Fonds "Frühe Hilfen" dauerhaft erhöht werden können.
◆ Aufsuchende psychotherapeutische Versorgung: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollen so erweitert werden, dass in Kitas und Schulen aufsuchende psychotherapeutische Versorgung angeboten werden kann.
Caritas engagiert sich für betroffene Familien
Der Deutsche Caritasverband und seine Fachverbände setzen sich dafür ein, dass diese Vorhaben angegangen werden, beispielsweise durch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit3 und über die Mitarbeit des Bundesverbandes Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) im interdisziplinären Netzwerk "Kinder psychisch und suchtkranker Eltern".
Gleichzeitig gestalten die Dienste und Einrichtungen der Caritas selbst gute Praxis. Die Beratung betroffener Kinder und Eltern erfolgt vor Ort in Erziehungs- oder Suchtberatungsstellen sowie in spezialisierten Einrichtungen. Dabei ist vernetztes Arbeiten das Gebot der Stunde. So hat etwa der Caritasverband Gladbeck gemeinsam mit der Stadt ein präventiv wirkendes Unterstützungssystem installiert. Angeboten werden unter anderem Sprechzeiten in einer Psychiatrie-Klinik und bei Bedarf auch Gespräche mit dem Umfeld (Schule, Kindertagesstätte, Nachbarschaft).
Andere Beispiele sind das MAKS-Modellprojekt in Freiburg und das Format "Kisiko - Kinder sind kompetent"4 in Mannheim: Diese Angebote richten sich speziell an Kinder aus suchtbelasteten Familiensystemen. Individuelle Beratung und Gruppenangebote gehören hier gleichermaßen zum Portfolio.
Gruppenangebote und Patenschaften für Kinder dienen dazu, zu spielen, zu lernen, Erfahrungen zu teilen und verlässliche Beziehungen zu erleben. Gruppenangebote für Eltern fördern den Erfahrungsaustausch und trainieren Kompetenzen.
Ein Beispiel für die Elternkompetenzförderung findet sich bei der Caritas Heinsberg, wo die Beratungsstelle für Suchtfragen systemisch/familienorientiert arbeitet und auf verbindliche Weise mit der Jugendhilfe kooperiert, was nicht überall selbstverständlich ist. Die Kinder werden dadurch regelhaft mit in den Blick genommen und die Erziehungskompetenz der suchterkrankten Mütter und Väter wird gestärkt.
Die Erfahrung zeigt also: Es ist möglich, den betroffenen Kindern und ihren Eltern zu helfen. Daher sollten wirksame bedarfsgerechte Leistungen flächendeckend ausgebaut, vernetzt und regelhaft finanziert werden.
1. https://tinyurl.com/nc25-3-bmbf
2. Vgl. zum Beispiel Strahl, B.: Stand der Umsetzung des § 20 SGB VIII neuer Fassung bei den Jugendämtern. In: neue caritas spezial 1, Mai 2024. Kinder psychisch kranker Eltern. Was sie stärkt, S. 22-27.
3. Vgl. neue caritas spezial 1/2024: Kinder psychisch kranker Eltern. Was sie stärkt. https://www.caritas.de/neue-caritas/spezialausgaben/kostenlose-downloads