Mit Ausbildung gegen den Fachkräftemangel
Vor dem Hintergrund anhaltender Fachkräftelücken im Sozial- und Gesundheitswesen1 stehen soziale Organisationen wie die Caritas unter hohem Druck, neues Personal zu gewinnen. Als entscheidend erweist es sich, dabei auf unterschiedliche Strategien zu setzen. Neben der attraktiven Gestaltung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nicht bloß durch die Vergütung geprägt sind, gelten auch die Personalsuche im Ausland sowie die betriebliche Ausbildung neuer Fachkräfte als bedeutsam.2
Der vorliegende Beitrag zeichnet mit Forschungsergebnissen aus dem Caritaspanel 2024 auf, wie sich die Ausbildungssituation in den Betrieben der Caritas aktuell gestaltet und inwieweit sich hieraus Potenziale für die Bewältigung des Fachkräftemangels ableiten lassen. An der standardisierten Onlinebefragung haben sich insgesamt 277 Rechtsträger der Caritas beteiligt. Im Datensatz sind circa 3500 Betriebe mit 135.000 Beschäftigten abgebildet, die sich repräsentativ über die Hilfebereiche, die Regionalkommissionen der Arbeitsrechtlichen Kommission sowie die Rechtsträgergrößen der Caritas verteilen.
Ausbildungsengagement ist weiterhin hoch
Der Anteil ausbildungsberechtigter Träger an allen Rechtsträgern ist sehr hoch und beträgt 86 Prozent, so dass bei fast neun von zehn Rechtsträgern eine Ausbildung oder ein duales Studium absolviert werden können. Regional liegen hinsichtlich dieser Quote nur geringe Unterschiede vor.
Bei einer Aufteilung nach Hilfebereichen zeigen sich jedoch größere Unterschiede. So ist die Quote in den Beratungsstellen mit 38 Prozent und weiteren sozialen Hilfen – wie zum Beispiel Bildungseinrichtungen sowie Diensten und Einrichtungen für Migrant:innen – mit 70 Prozent vergleichsweise niedrig. Bei der Rechtsträgergröße gilt: Je mehr Beschäftigte, desto höher ist tendenziell der Anteil ausbildungsberechtigter Rechtsträger.
Drei von vier berechtigten Caritas-Rechtsträgern bilden derzeit tatsächlich neue Fachkräfte aus, das heißt, die sogenannte Ausbildungsaktivitätsquote liegt bei 73 Prozent. In Baden-Württemberg (BW) und Nordrhein-Westfalen (NRW) ist sie überdurchschnittlich hoch. Nach Hilfebereichen betrachtet, stechen Altenpflege, Gesundheitshilfe und Eingliederungshilfe/Psychiatrie mit jeweils rund 85 Prozent positiv hervor.
Beim Kriterium Rechtsträgergröße lässt sich für die Aktivitätsquote ein noch größeres Gefälle als bei der Berechtigungsquote feststellen: Während nur ein Drittel der kleinsten Rechtsträger (bis 25 Beschäftigte) ihre Ausbildungsberechtigung aktiv nutzt, tun dies in der höchsten Kategorie (über 500 Beschäftigte) annähernd alle Rechtsträger.
Der Anteil Auszubildender, Schüler:innen oder dual Studierender an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt in der Caritas insgesamt bei fast sechs Prozent. In BW und NRW fällt er etwas höher als in den anderen Regionen aus. In der Gesundheitshilfe machen die genannten Auszubildenden-Kategorien acht Prozent des Personals aus – Spitzenwert im Vergleich der Hilfebereiche. Auch bei diesem Ausbildungsindikator gilt: Je kleiner ein Rechtsträger, desto geringer der Anteil Auszubildender, Schüler:innen oder dual Studierender. Abbildung 1 zeigt die Ausbildungsbeteiligungsquoten nach Rechtsträgergröße.
Abbildung 1: Quoten zur Ausbildungsbeteiligung, aufgeteilt nach Rechtsträgergröße.Caritaspanel 2024
Besetzungsquote bei Ausbildungsangeboten liegt insgesamt hoch
Bei der Besetzung angebotener Ausbildungsplätze (beziehungsweise Praxisplätze im dualen Studium) lässt sich festhalten, dass in der Caritas mehr als vier von fünf Plätzen (84 Prozent) erfolgreich besetzt werden konnten. Dabei bestehen zwischen den verschiedenen Regionalkommissionen sowie Rechtsträgergrößen keine nennenswerten Unterschiede. Mit Blick auf die Hilfebereiche zeigt sich jedoch, dass die Besetzungsquote in den generell weniger häufig ausbildenden Beratungsstellen überdurchschnittlich hoch ausfällt.
Für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen gibt es unterschiedliche Gründe: So melden drei von vier Caritas-Rechtsträgern zurück, für die nicht besetzten Plätze seien keine geeigneten Bewerbungen eingegangen. Die Hälfte gibt an, dass zumindest bei manchen Ausschreibungen überhaupt keine Bewerbungen vorgelegen haben. Jeder fünfte Rechtsträger nennt als Grund, dass Bewerber:innen einen angebotenen Ausbildungsplatz dann doch abgelehnt haben. Die jeweiligen Anteile fallen in der Region Mitte und in NRW höher aus als in den anderen Regionen.
Mit der Schwierigkeit ungeeigneter Bewerbungen müssen insbesondere Rechtsträger aus der Altenpflege, der Gesundheitshilfe und weiteren sozialen Hilfen umgehen. Das gänzliche Ausbleiben von Bewerbungen sowie das Ablehnen angebotener Plätze treten in der Gesundheitshilfe sowie der Eingliederungshilfe/Psychiatrie häufiger auf.
Aufgeteilt nach Beschäftigtenzahl zeigt sich, dass vor allem Rechtsträger mit über 500 Mitarbeitenden die Erfahrung machen, dass keine geeigneten Bewerbungen eingehen oder angebotene Ausbildungsplätze von den Bewerber:innen abgelehnt werden. Trotzdem gelingt die Besetzung der angebotenen Plätze überdurchschnittlich gut.
Die Übernahme Ausgebildeter fällt unterschiedlich aus
Als weiteres wichtiges Kriterium für die Ausbildungssituation gilt die Übernahmequote nach erfolgreichem Abschluss. Insgesamt werden 63 Prozent aller Auszubildenden, Schüler:innen und dual Studierenden der Caritas vom Rechtsträger übernommen. In BW und den Regionen Nord und Ost trifft dies sogar auf drei Viertel zu.
Wie die Abbildung 2 verdeutlicht, bestehen zwischen den Hilfebereichen noch stärkere Unterschiede. So werden zwischen 80 und 100 Prozent der Absolvent:innen in der Eingliederungshilfe/Psychiatrie, in Beratungsstellen und weiteren sozialen Hilfen mit erfolgreichem Abschluss übernommen, während es in der Gesundheitshilfe nur 50 Prozent sind. Hier wird allerdings auch besonders häufig über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. Bei der Beschäftigtenzahl fällt auf, dass die Übernahmequote bei mittelgroßen Rechtsträgern überdurchschnittlich hoch liegt.
Abbildung 2: Übernahmequote nach Ausbildungsabschluss, aufgeteilt nach Hilfebereichen.Caritaspanel 2024
Prämien und Sonderzahlungen
Zusätzlich zur Ausbildungsvergütung können Rechtsträger auf weitere attraktive Leistungen während der Ausbildung beziehungsweise dem dualen Studium zurückgreifen. Exemplarisch seien hier monetäre Prämien und Sonderzahlungen genannt. Von jedem vierten ausbildenden Caritas-Rechtsträger werden diese gewährt.
In Mitte (43 Prozent) und Ost (33 Prozent) fällt der Anteil höher als in den anderen Regionen aus. Aufgeteilt nach Hilfebereichen, greifen Rechtsträger der Altenpflege (33 Prozent) am ehesten auf Prämien oder Sonderzahlungen zurück. Zwischen den verschiedenen Trägergrößen-Kategorien bestehen an dieser Stelle nur geringfügige Unterschiede.
Jetzt braucht es Weichenstellungen
Die empirischen Ergebnisse zeichnen ein insgesamt positives Bild der gegenwärtigen Ausbildungssituation bei den Rechtsträgern der Caritas. Allerdings fallen an mehreren Stellen Unterschiede zwischen den Regionen, Hilfebereichen und Größenkategorien auf, die es in der weiteren Verbesserung der Ausbildungsbemühungen zu berücksichtigen gilt. Die personalpolitische Ausgestaltung effektiver und nachhaltiger Ausbildungsstrukturen gewinnt nicht zuletzt unter dem wachsenden Angebot dualer Studiengänge in Gesundheits- und Sozialberufen an Bedeutung. Dies kann auch innerhalb der Caritas zu neuen Qualifikations- und Tätigkeitsprofilen sozialer Berufe führen.
Vor dem Hintergrund verstetigter Engpässe auf dem sozialen Arbeitsmarkt wird die erfolgreiche Besetzung von Ausbildungsplätzen immer wichtiger. Auch der Stellenwert, eigene Absolvent:innen übernehmen zu können, wird sich weiter erhöhen. Aus diesem Grund können Investitionen in die Ausbildungsstrukturen einen zentralen Baustein zur Bewältigung des Fachkräftemangels darstellen.
1. Siehe Tiedemann, J.; Kunath, G.; Werner, D.: Dringend gesucht - In diesen Berufen fehlen aktuell die meisten Fachkräfte. IW-Kurzbericht 81/2024. Kurzlink: https://tinyurl.com/nc2025-11-CP1
2. Pietsch, M.; Krimmer, P.; Leber, U.: Fachkräftesicherung beim Deutschen Caritasverband: Aktuelle Herausforderungen und Bewältigungsansätze in der sozialprofessionellen Praxisgestaltung. In: Franz, J.; Spatscheck, C.; van Rießen, A. (Hrsg.): Fachkräftemangel und De-Professionalisierung in der Sozialen Arbeit: Analysen, Bearbeitungsweisen und Handlungsstrategien. Verlag Barbara Budrich, 2024, S. 35-50; https://doi.org/10.2307/jj.19850078.6