Ein Teil der Lebensfreude kehrt zurück
In einem Tageshospiz finden unheilbar erkrankte Menschen tagsüber ein geschütztes, pflegerisch betreutes Umfeld, das ihnen Ansprache, Abwechslung und Austausch bietet. Ihr gewohntes Lebensumfeld, das eigene Bett, die so wichtigen eigenen vier Wände geben sie nicht auf. Das Tageshospiz verbindet Zuhause mit Gemeinschaft und ist ein wichtiger Baustein, noch individueller auf die Bedürfnisse Schwerkranker und ihrer Angehörigen eingehen zu können.
Der Caritasverband Mannheim erkannte durch seine langjährige Erfahrung in der Hospizarbeit, dass es eine Lücke zwischen häuslicher und stationärer Palliativversorgung gibt – beispielsweise, wenn Betroffene tagsüber Betreuung benötigen, ihr Partner oder ihre Partnerin aber arbeiten geht. Ein Tageshospiz schließt diese Lücke. Mit Mut, einem engagierten Förderverein und der Überzeugung von der Wichtigkeit dieses innovativen Angebotes wurde das Tageshospiz St. Vincent in Ilvesheim als erstes seiner Art in Baden-Württemberg im September 2022 eröffnet.
Die Begegnungen dort sorgen für mehr Lebensqualität und soziale Teilhabe. Das Tageshospiz kann dazu beitragen, dass Betroffene länger oder sogar bis zum Tod zu Hause bleiben können. Durch qualifizierte Beratung und engmaschige Begleitung sollen nötige Versorgungsstrukturen rechtzeitig aufgebaut werden. Zum Beispiel durch das Einbeziehen von Pflegedienst und SAPV-Team (Spezialisierte Ambulante Palliativ Versorgung) oder indem die Versorgung mit Hilfsmitteln wie einem Pflegebett sichergestellt ist. Eine große Rolle spielt auch, die Angehörigen zu unterstützen, durch tageweise Entlastung von der Pflege und der Sicherheit, die entsteht, wenn adäquate Ansprechpartner:innen schon früh im Krankheitsverlauf zur Verfügung stehen. So können Krisen, die häufig Ursache für kurzfristige Krankenhauseinweisungen sind, früher erkannt und in vielen Fällen vermieden werden.
Ein Ort der Geborgenheit und Gemeinschaft
Im Erdgeschoss eines Neubaus in Ilvesheim, idyllisch an einem Park gelegen, stehen acht Plätze zur Verfügung. Die Räume sind wohnlich gestaltet: Herzstück ist ein großer Wohn- und Essbereich mit offener Küche. Hinzu kommen ein Therapie- und Ruheraum, ein Werkraum sowie eine Terrasse mit Blick ins Grüne. Das Haus steht montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr offen.
Das multiprofessionelle Team besteht aus einer Leitungskraft mit psychoonkologischer Zusatzausbildung, Pflegekräften mit Palliative-Care-Weiterbildung und ehrenamtlichen Hospizbegleiter:innen, ergänzt durch Therapeutinnen, die Atem-, Kunst-, Physio- und Musiktherapie anbieten. Auch Seelsorge und Kooperationen mit regionalen Hospizdiensten, Krankenhäusern und Palliativteams sind wichtige Bausteine im Netzwerk. Zum Team gehört auch eine Sozialarbeiterin.
Konzept mit Modellcharakter
Die Idee zu diesem Konzept entstand aus dem Wunsch, noch individueller auf die Bedarfe in der letzten Lebensphase eingehen zu können. Dabei spielt eine zentrale Rolle, sowohl die Betroffenen zu stabilisieren als auch die Zugehörigen zu entlasten, die den Verbleib zu Hause erst ermöglichen. Die enge Anbindung an bestehende Angebote des Caritasverbands - wie das stationäre Hospiz im angrenzenden Regine-Kaufmann-Haus - war von Beginn an Teil des Konzepts.
Das Gebäude wurde von der Heinrich-Vetter-Stiftung errichtet, von der der Caritasverband Mannheim die Räume mietet. Ein Förderverein finanzierte die Inneneinrichtung. Die Betriebskosten werden im Wesentlichen durch einen mit den Krankenkassen vereinbarten Tagessatz gedeckt – ergänzt durch Spenden und ehrenamtliches Engagement, was besonders in der ersten Phase unerlässlich war, um die erheblichen Defizite aufzufangen. Allerdings hat sich herausgestellt, dass die für ein Hospiz übliche Auslastung von 80 Prozent, die den Verhandlungen mit den Kassen zugrunde lag, im Tageshospiz nicht erreicht werden kann, da die Gäste öfter kurzfristig absagen müssen. Deshalb muss hier nachverhandelt werden.
Der Anfang war von intensiver Aufbauarbeit geprägt. Die Idee eines Tageshospizes war überzeugend, die Versorgungsform jedoch neu und unbekannt. Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkpflege erwiesen sich daher als zentrale und umfangreiche Aufgaben, obwohl der Caritasverband Mannheim mit der ambulanten Hospizhilfe und zwei stationären Hospizen auf ein großes Netzwerk zugreifen konnte. Veranstaltungen wie Lesungen, Letzte-Hilfe-Kurse oder Konzerte machten das Tageshospiz in Ilvesheim und Umgebung nach und nach zu einem bekannten Ort der Begegnung. Trotzdem stellen die Angst vor dem Thema Hospizversorgung sowie eine häufig zu spät erfolgende Aufklärung über den Krankheitsverlauf große Hürden zu einem rechtzeitigen Zugang dar.
Erste Erfahrungen
Die Begleitungen, die bisher stattgefunden haben, waren bewegend und intensiv. Rückmeldungen der Gäste zeigen, dass sich ihre Lebensqualität stark verbessert: "Wenn ich das hier nicht hätte, wäre ich schon gar nicht mehr da." "Man wird so liebevoll umsorgt und aufgefangen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal so viel Freude erlebe." "Wir lachen hier so viel gemeinsam." "Hier ist der einzige Ort, an dem ich so sein kann, wie ich wirklich bin."
Natürlich werden neben dem Leben und der Freude auch die Verschlechterungen und der Abschied mitgetragen. Dabei gibt es Tränen und Trauer, aber sie werden geteilt. Dass Betroffene und Angehörige wieder Räume haben, in denen sie ihre Ängste zeigen und ihre Verzweiflung äußern können und keine Rücksicht auf den geliebten Menschen nehmen müssen, entlastet beide Seiten enorm. Das gibt neue Kraft, um gemeinsam weiterzugehen.
Herausforderung: Vorbehalte abbauen
Die größte Herausforderung liegt darin, das Konzept bekanntzumachen – sowohl bei Betroffenen als auch potenziellen Zuweisern aus den onkologischen und palliativen Versorgungsstrukturen. Es ist unerlässlich, Ängste und Vorbehalte gegenüber dieser neuen Versorgungsform abzubauen, ebenso wie das Angebot konzeptionell und strukturell gut auszuarbeiten. Frühzeitige Gespräche mit Kostenträgern müssen gesucht und gemeinsam an Lösungen für einen Versorgungsvertrag gearbeitet werden. Da es noch keine Rahmenvereinbarungen auf Bundesebene gibt, haben diese Verträge Modellcharakter. Sie müssen gut vorbereitet werden und bedürfen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Essenziell ist die Netzwerkarbeit: Ein Tageshospiz lebt von der Zusammenarbeit mit Hausärzt:innen, Palliativdiensten und Kliniken. Diese Kooperationen sollten schon in der Konzeptionsphase angebahnt werden. Darüber hinaus hat es sich bewährt, über Veranstaltungen, persönliche Kontakte und gezielte Informationen für Betroffene Hemmschwellen abzubauen und das Angebot bekanntzumachen.
Tragende Beziehungen entstehen
Tageshospize sind innovative, neue Versorgungsformen. Es gibt noch zahlreiche Hürden und Vorbehalte. Die über zweijährige Erfahrung zeigt jedoch, dass Betroffene in sehr hohem Ausmaß profitieren. Viele Menschen blühen hier auf, ein Teil ihrer Lebensfreude kehrt zurück und Angehörige können aufatmen. "Wenn wir ihre Dankbarkeit erleben, kann ich sagen, dass sich jeder Aufwand und jede Mühe lohnt", so eine Mitarbeiterin. Das Tageshospiz wird oft zum Anker, zu einer Art zweitem Zuhause, in dem professionelle Begleitung und Unterstützung mit Wärme und Zuwendung sowie einer Gemeinschaft Betroffener einhergehen. Viele, die den ersten Schritt gewagt und ihre Ängste überwunden haben, wollen das Tageshospiz nicht mehr missen. Durch die frühere palliative Einbindung steigt die Lebensqualität deutlich und entstehen tragfähige und vertrauensvolle Beziehungen. Beziehungen, die auch dann tragen, wenn die Erkrankung fortschreitet und alleine fast unerträglich wird.