Austausch ist nie eine Einbahnstraße
Das Caritaszentrum SETI (Support Education Training for Inclusion) der Caritas Ägypten für die Arbeit mit behinderten Kindern und deren Eltern blickt auf eine lange Geschichte der Zusammenarbeit mit Caritas international (Ci) zurück. Vieles von dem, was SETI heute ist, und der ausgezeichnete Ruf, den dessen Ausbildungs- und Rehabilitationsprogramme in Ägypten und der arabischen Region genießen, ist auf die Unterstützung aus Deutschland seit der Gründung von SETI im Jahr 1986 zurückzuführen.
Caritas-Fachkräfte aus Ägypten und ich, Direktorin von SETI, haben über Ci mehrfach Behinderteneinrichtungen des Deutschen Caritasverbandes besucht. Vor rund 20 Jahren ist SETI über Ci auch eine Projektpartnerschaft mit der Blindenschule in Baindt (bei Ravensburg am Bodensee) eingegangen. Im Rahmen dieser Partnerschaft sowie bei den gegenseitigen Besuchen zum fachlichen Austausch in deutschen Caritas-Einrichtungen haben wir viel voneinander gelernt und profitiert. So haben zum Beispiel Pädagogen aus Baindt Fortbildungen zum Thema Autismus und visuelle Wahrnehmungsförderung für Lehrer:innen, Therapeut:innen, Ärzt:innen, Krankenpflegerinnen und -pfleger, Sozialarbeiter:innen und Betreuer:innen aus anderen Einrichtungen durchgeführt. Die Mitarbeitenden aus Deutschland haben von uns beispielsweise viel über gemeinwesenorientierte Arbeit gelernt und darüber, wie Geschwister, Eltern und das soziale Umfeld in die Arbeit für Menschen mit Behinderungen einbezogen werden können.
In Deutschland ist die Hilfe für Menschen mit Behinderungen sehr stark institutionalisiert. Das Sozialsystem ermöglicht eine Menge an technischer Ausstattung und den Betrieb von Einrichtungen, von denen wir nur träumen können. Das spornt uns an, in unserer Lobbyarbeit stärker darauf hinzuwirken, dass die Regierung in diesem Bereich mehr möglich macht. In Ägypten liegt die Verantwortung für die Rehabilitation hauptsächlich bei Nichtregierungsorganisationen (NRO). Die Behörden beteiligen sich nicht. Die NRO stehen vor der ständigen Herausforderung, die Regierung dazu zu bewegen, angemessene Mittel bereitzustellen, die eigene Verantwortung anzuerkennen, die erforderlichen politischen Maßnahmen und Gesetze zu erlassen und die Umsetzung zu gewährleisten.
Vom Sitzkissen bis zum Spezialgeschirr
Ich habe darüber hinaus auch viele technische Hilfsmittel und Ansätze aus Deutschland kennengelernt und übernommen. Zum Beispiel den "Teacch"-Ansatz, ein pädagogisch-therapeutisches Konzept zur Unterstützung von Menschen mit Autismus, das auf Strukturierung, Visualisierung und verständlicher Kommunikation basiert. Oder einfache Ideen für schwerstbehinderte Kinder, wie U-förmige Sitzkissen, spezielles Geschirr, das das Anreichen von Essen erleichtert, ein westenartiger Gürtel, der das Kind im Stuhl hält. Oder die Ideen für einfache Stehhilfen, die für körperlich behinderte Kinder geeignet sind, Tastaturcomputer, die von Menschen benutzt werden können, die weniger Kontrolle über die Handbewegungen haben, oder eine besondere Raumgestaltung zur sensorischen Integration von Kindern. Dies sind nur einige Beispiele, aber sie zeigen alle, wie wichtig ein internationaler Austausch in unserer Caritasarbeit für beide Seiten ist.