Ausgrenzung gezielt vermindern
Vor und nach der Bundestagswahl wird auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft mal wieder polemisiert und werden neue Widerstände aufgebaut. Statt Mauern niederzureißen, werden bestehende aufgestockt. Die Flüchtlingspolitik spaltet unser Land und reibt es gleichermaßen auf.
Die Schweriner CDU-Fraktion fordert für Asylbewerber:innen verpflichtende Arbeit ein. Und da man gerade in Schwung ist, werden alle Bürgergeldempfänger:innen einbezogen.
Es ist nicht erkennbar, was das Ziel solcher Forderungen sein soll. In der Konnotation lassen sich jedoch vermehrt negative Stigmata entdecken: "faul", "auf Kosten anderer" oder gar "Schmarotzertum". Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es diese Phänomene gibt. Sie zu verallgemeinern, zeugt jedoch von einem intellektuellen Mut, der – philosophisch betrachtet – eher Furcht verbreitet, als Zuversicht zu säen.
Zur Erinnerung: Arbeitsgelegenheiten, sogenannte AGH, sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Sie dienen der Erhaltung beziehungsweise Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit einer Zielgruppe, die als arbeitsmarktfern betrachtet wird. Die Intention dieses Instruments ist die Strukturierung des Alltags und ebenso die Förderung sozialer Kompetenz wie Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit oder auch Belastbarkeit. Bei Betrachtung ausschließlich dieser Merkmale wird verkannt, dass dieser Personenkreis vor allem auch Qualifizierung und Weiterbildung benötigt, um wieder Arbeitsmarktnähe zu erreichen. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hingegen taugten noch nie zur Disziplinierung von Langzeitarbeitslosen. Die Erfahrung in der Begleitung von AGH-Teilnehmenden zeigt, dass sie halfen, eine Lebensperspektive zu entwickeln, die Neugierde auf die Außenwelt neu zu fokussieren und ein neues Zutrauen in die eigene Person zu gewinnen. Erreicht wurde dies mit einem kontinuierlichen Austausch zwischen Teilnehmer:innen und Anleiter:innen.
Gleichwohl sollte ein wesentliches Element nicht unterschlagen werden: die Freiwilligkeit! Nicht jeder kann damit umgehen. Umso wichtiger ist dieser Aspekt und die erste Sympathie, damit eine weitere Zusammenarbeit Erfolg verspricht.
Freiwilligkeit ist ein wesentliches Element für das Gelingen
Das entspricht mehr oder minder dem Gegenteil der herrschenden Diskussion. Wobei es nichts Verwerfliches an gemeinnütziger Arbeit gibt, vorausgesetzt, sie ist in ein definiertes und zielführendes Konstrukt eingebettet und wird nicht als Strafe und Auflage verstanden und kommuniziert. Gemeinnützigkeit wirkt integrierend, nicht spaltend und ganz gewiss nicht ausgrenzend. Nicht umsonst hat sich der reine Fürsorgestaat zu einem partizipativen Sozialstaat entwickelt. Die Einbeziehung des Subjekts, einschließlich seiner Selbst- und Fremddarstellung, funktioniert aber nur mit einem vom Individuum positiv wahrgenommenen Sinn.
Verlässt man die verborgenen und doch offen dargelegten Assoziationen von Zwang und Bevormundung, von Befehl und Gehorsam, kann man sich einem Diskurs zuwenden, der Möglichkeiten und Alternativen eröffnet. Bildung gehört ganz gewiss dazu. Gemeinnützige Arbeit kann als ein Element in dieses Portfolio aufgenommen werden. Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass Integration in Beschäftigung und Arbeit weit mehr bedeutet als nur die Produktion von Gütern oder die Bewältigung von Aufgaben. Arbeit vermittelt das Gefühl der eigenen Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit in der Familie und in der Gesellschaft.
Auf dem Weg in den Beruf braucht es Orientierung und Beratung, für manche auch gezielte Unterstützung und Begleitung. Damit in der Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagenturen, Jobcentern und weiteren Akteuren kein Mensch verloren geht, setzt sich die Caritas für gemeinsame Anlaufstellen und Hilfen aus einer Hand ein. Die Bildung von flächendeckenden Einrichtungen ist ein erster Schritt. Sie zielen auf die im SGB II, III und VIII verankerten Standards wie beispielsweise Vermeidung sozialer und individueller Benachteiligungen, Stärkung von Rechtsansprüchen für die soziale und berufliche Integration sowie Vorrang von Ausbildung beziehungsweise ausbildungsfördernder Qualifizierung gegenüber einer Beschäftigung.
Gefordert wird von der Caritas eine Politik, die die Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen schrittweise und gezielt vermindert. Ihre Aufgabe ist es, verbindliche Kooperationsstrukturen einzurichten im Verbund von Trägern der freien Wohlfahrt, Trägern der Grundsicherung und der Arbeitsagenturen. Alle Ebenen müssen mit einem vollständigen und aufeinander abgestimmten Konzept zusammenwirken, stigmatisierende Plattitüden müssen vermieden werden.
Was heißt dies nun für Schwerin? In den nächsten Monaten soll in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, dem Jobcenter und der Verwaltung ein Konzept entworfen werden, das sich mit einer möglichen Arbeitspflicht beziehungsweise deren Einführung beschäftigt (vgl. hierzu https://tinyurl.com/nc07-25-schwerin). Die Caritas will diesen Prozess der Konzeptentwicklung begleiten und ihre Erfahrungen einbringen. Eine gemeinsame Sicht aus unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht eine umfassende Betrachtung und hilft, die mannigfaltigen Erfordernisse und Bedarfe zu entdecken und zu optimieren. Eine frühzeitige und offene Kommunikation - auch mit den Wohlfahrtsorganisationen – sichert gewiss eine größere Zustimmung in der Gesellschaft.