Ideenvielfalt in der Caritas
Caritas leistet nicht nur Hilfe, sie entwickelt die soziale Arbeit auch kontinuierlich weiter. Rund 740.000 Mitarbeitende in 26.000 Diensten und Einrichtungen erfahren täglich, welche Unterstützung ihre Klient:innen, Bewohner:innen oder Patient:innen benötigen. Daraus entwickeln sie ständig neue Ideen. Manche münden in Projekte und entwickeln sich im besten Fall zu dauerhaften Angeboten, wenn sie sich nicht nur als erfolgreich erweisen, sondern auch die große Hürde einer dauerhaften Finanzierung nehmen.
Das ist in jüngerer Vergangenheit zum Beispiel besonders gut gelungen beim Stromspar-Check. Die Idee der Frankfurter Caritas ist mittlerweile an 150 Standorten etabliert, wird vom Bundesumweltministerium und vielen Institutionen gefördert. Oder die Gewaltberatung für Männer, die vor gut zehn Jahren in Münster gestartet ist.
Wie vielfältig die Ideen sind, stellen wir in diesem Schwerpunkt "Caritas innovativ" an Beispielen vor. Verbände und Einrichtungen haben sie eingereicht. Die Redaktion der neuen caritas hat daraus fünf Projekte für eine ausführliche Beschreibung ausgewählt. Weitere acht Ideen werden hier in Kurzform präsentiert.
Wohnrauminitiative
◆ Träger: DiCV Rottenburg-Stuttgart
◆ Laufzeit: 2019–unbegrenzt
◆ Finanzierung: zwei Drittel DiCV Rottenburg-Stuttgart, ein Drittel örtliche Träger
Um Menschen in schwierigen Verhältnissen unterzubringen, spürt die Wohnrauminitiative an mittlerweile zehn Standorten in der Diözese leerstehende und zu vermietende Wohnungen auf. Die Caritas tritt, wenn notwendig, als Zwischenmieterin auf, um den Immobilienbesitzern Sicherheit zu bieten. Ziel bleibt aber eine Überführung in Direktvermietungen, was zunehmend gelingt. Seit Projektstart bis Ende 2023 wurden 600 Wohnungen vermittelt und damit knapp 1400 Menschen mit Wohnraum versorgt. Für die dauerhafte Fortführung wird nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht.
Ambulante Demenzhilfe
◆ Träger: Caritasverband Bonn mit Bürgerstiftung Rheinviertel
◆ Laufzeit: 2019, 2024 verlängert
◆ Finanzierung: Spenden
Drei hauptamtliche Demenzkräfte und zehn Ehrenamtliche mit spezieller Ausbildung begleiten in Bad Godesberg an Demenz erkrankte Menschen und ihre Angehörigen. Im vergangenen Jahr wurden 134 Hausbesuche verzeichnet und 40 Familien regelmäßig betreut. Neben dieser direkten Unterstützung werden die örtlichen Angebote wie Pflegedienste, stationäre Einrichtungen und Mediziner vernetzt und damit entlastet. Die Demenzhilfe ermöglicht zudem pflegenden Angehörigen mit ihrem Angebot kleine Auszeiten.
Jumb – Jungen- und Männerberatung
◆ Träger: Caritasverband für die Stadt Gelsenkirchen
◆ Laufzeit: Januar 2024 bis Dezember 2026
◆ Finanzierung: 90 Prozent Innovationsfonds DiCV Essen, zehn Prozent Eigenmittel
Jungen und Männer können sich mit einer Vielzahl von Krisen und Bedürfnissen an die männlichen Berater des Projekts wenden. Das reicht von Problemen in Partnerschaft und Beruf über Depression und Gesundheitsfürsorge bis zu eigenen Opfererfahrungen. In der Beratung sollen die Klienten befähigt werden, verantwortungsvolle Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Geschlechtsspezifische Strukturen werden identifiziert. Mit der Entwicklung passgenauer Hilfs- und Beratungsangebote soll ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit geleistet werden.
Diginautis
◆ Träger: Caritasverband für die Stadt und Region Aachen und Suchthilfe Aachen
◆ Laufzeit: 2022–unbegrenzt
◆ Finanzierung: Bis Ende 2024 Caritas-GemeinschaftsStiftung Bistum Aachen, NRW-Mittel "Aufholen nach Corona" und zehn Prozent Eigenmittel, Nachfolgefinanzierung zur Ausweitung in NRW wird angestrebt.
Diginautis sensibilisiert Kinder im dritten und vierten Schuljahr kindgerecht und interaktiv für einen gesunden Umgang mit Medien. Ziel ist, dass sie sich souverän durch die Welt der digitalen Medien bewegen können. Zudem soll medienkompetentes Miteinander in der Klasse gefördert werden. Dabei werden die Eltern einbezogen, um ihre Erziehungskompetenzen im Bereich Medien zu stärken. Schulsozialarbeiter und Lehrer werden geschult, um Diginautis selbstständig durchführen zu können. Hintergrund ist, dass bereits ein Fünftel der Siebenjährigen ein Smartphone besitzen und drei Viertel der Viertklässler regelmäßig das Internet nutzen.
Frauencafé in der Bahnhofsmission
◆ Träger: Caritasverband Nordhessen-Kassel
◆ Laufzeit: 1. Juli 2023 bis 31. Dezember 2024
◆ Finanzierung: Fernsehlotterie, Eigenleistung durch Leiterin der Bahnhofsmission
In der Bahnhofsmission sind Frauen gegenüber Männern bislang im Verhältnis 20 : 80 deutlich unterrepräsentiert. Mit dem Frauencafé wird ihnen jeweils dienstags neben einem gemütlichen Kaffeetrinken ein Raum für gemeinsame Aktionen wie Basteln, Singen oder Tanzen angeboten. Für mittellose Gäste werden Care-Pakete gepackt, um dem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Teilhabe durch sinnstiftende Arbeit entgegenzukommen. Angesprochen werden insbesondere Frauen, die in Notunterkünften oder auf der Straße leben, aber auch Rentnerinnen mit kleinem Einkommen, die sich abgehängt fühlen.
Forum Lotsenpunkt
◆ Träger: SkF Ratingen, Caritas Mettmann und KG PuP Ratingen
◆ Laufzeit: Oktober 2022 bis September 2025
◆ Finanzierung: 70 Prozent Sozialstiftung NRW, 30 Prozent SkF Ratingen, weitere laufende Kosten alle drei Träger
Die eigens neu gebauten Räumlichkeiten bieten die Möglichkeit zu zufälligen und absichtlichen Begegnungen. Gesteuert von hauptamtlichen Mitarbeitenden werden die Angebote überwiegend von und mit den Besucher:innen entwickelt und in der Regel ehrenamtlich getragen. Somit erleben sie sich als selbstwirksam Gestaltende. Eigeninitiative und bürgerschaftliches Engagement werden gefördert. Das Forum Lotsenpunkt will mit niederschwelligen sozialen und kulturellen Angeboten den aktuellen gesellschaftlichen Transformationsprozessen entgegenwirken, die Einsamkeit und Abgehängtsein begünstigen.
Anlaufstelle St. Josef/Hain
◆ Träger: Caritas Bamberg/Forchheim und Caritas Landkreis Bamberg
◆ Laufzeit: April 2022 - unbegrenzt
◆ Finanzierung: Eigenmittel und Spenden
Die Anlaufstelle St. Josef/Hain wurde nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eingerichtet. Die Mitarbeiterinnen haben selbst einen Migrationshintergrund und beherrschen mehrere Sprachen. Sie unterstützen die geflüchteten Menschen bei allen Fragen zu Aufenthalt und Integration und mit Sprachtrainings. Eine Kinderbetreuung ermöglicht vor allem Frauen die Teilnahme. Die geflüchteten Menschen bieten selbst Kurse und Freizeitangebote an. Zu Festen im Jahreskreis wird die Bevölkerung eingeladen, um Begegnung zu fördern.
Dosenaktion Bruchsal
◆ Träger: Tafeln im nördlichen Landkreis Bruchsal
◆ Laufzeit: 1. Juli 2024 bis 31. Dezember 2025
◆ Finanzierung: Spenden
In der Dosenaktion Bruchsal arbeiten erstmals vier soziale Organisationen zusammen, um bedürftige Menschen mit Lebensmitteln zu unterstützen. Firmen in Bruchsal und Umgebung haben Sammelplätze eingerichtet, an denen die Mitarbeitenden Konservendosen abgeben. Die Tafellogistik holt sie dort ab und versorgt damit diverse Ausgabestellen der Verbände. Die Aktion stärkt mit geringem Organisationsaufwand auch durch die regionale Ausrichtung das Gemeinschaftsgefühl und den sozialen Zusammenhalt.