Herz am Telefon
Ich wollte gerne etwas zurückgeben - mir ist hier so viel Gutes widerfahren!" Rami Dhaoui, 36, kam zum Studium nach Deutschland und suchte neben seinem Job als Maschinenbauingenieur die Möglichkeit, sich über ein Ehrenamt mit Menschen zu verbinden, die auf der Suche nach einem Gegenüber, nach "echten" Gesprächen sind. Im Angebot hatte er: Zeit. Zeit, die es braucht, um wirklich zuzuhören. Eine Stunde pro Woche zu verschenken, mag sich nicht nach viel in einer ohnehin vollen Woche anfühlen. Für jemanden, dessen Tage mit Einsamkeit gefüllt sind, macht jede Minute, die nicht allein verbracht wird, einen Unterschied.
Wer sich bei "Herz am Telefon", dem telefonischen Besuchsdienst des Caritasverbandes für die Stadt Essen, meldet, muss keine großen Hürden nehmen: Das Engagement sowie die Nutzung des Angebots erfolgen über das eigene Telefon - bequem von zu Hause, je nachdem, wann und in welchem Umfang der Alltag es zulässt. Engagierte und Nutzende bekommen eine:n Tandempartner:in zugeordnet mit möglichst ähnlichen Interessen und Gesprächswünschen. Soll es locker oder tiefgründig zugehen? Geht es um die Suche nach echter Verbindung oder um ein offenes Ohr? Nach einem selbstgewählten Zeitraum wird dann entschieden: "Dieser Mensch passt zu mir" (oder es wird weitervermittelt). Als Mindestvoraussetzung für ein Tandem gilt der zeitliche Einsatz: Eine halbe Stunde wöchentlich sollte gewährleistet sein.
Reaktion auf den Lockdown
Während es manchen Tandems ohne Weiteres gelingt, diese Verbindung sehr intuitiv zu gestalten, kann bei anderen Gesprächspartnerschaften eine enge Begleitung durch die Mitarbeiter:innen der Caritas erforderlich sein. Was seinen Anfang während der Coronapandemie als Maßnahme gegen die erzwungene häusliche Isolation nahm, hat sich im Laufe von viereinhalb Jahren zu einem Erfolgsmodell und wichtigen Austauschformat entwickelt. Als die offene Seniorenarbeit im März 2020 in Windeseile mit dem aus Eigenmitteln finanzierten Projekt auf den Lockdown reagierte, stand im Mittelpunkt, Begegnung und Gespräche ohne unmittelbaren, räumlichen Kontakt ermöglichen zu können. Heute profitieren von dem Dienst nicht wenige Menschen, die es mit verschiedenen körperlichen oder sozialen Hürden zu tun haben, die das Verlassen der Wohnung erschweren. Viele berichten von geringer familiärer oder freundschaftlicher Anbindung. Und nicht zu vergessen: Selbst bei einer guten Angebotsseite im Rahmen der offenen Seniorenarbeit empfinden längst nicht alle, die sich Gesellschaft wünschen und mobil sind, in den meist üblichen Gruppensettings auch die notwendige soziale Passung. "Herz am Telefon" füllt damit eine weitreichende Lücke und wächst beständig, insbesondere aufseiten der Engagierten. Auch bei diesen gibt es Menschen, die von Einsamkeit bedroht oder betroffen sind. Denn oft fühlt es sich besser an, nicht mit der eigenen Bedürftigkeit, sondern mit einer Stärke in Erscheinung zu treten. Das eine aus dem anderen zu entwickeln, das funktioniert so manches Mal fast nebenbei - bei "Herz am Telefon".