Der Computer darf nicht zur Hürde werden
Bis in die 1990er-Jahre wäre dieser Artikel auf einer Schreibmaschine geschrieben worden - mit Korrekturband. Es wäre sehr zeitaufwendig gewesen. Zum Glück hat sich die Technik weiterentwickelt und der Einsatz von Computern bringt eine enorme Arbeitserleichterung und Zeitersparnis. Inzwischen gibt es Mailprogramme, Recherchen sind durch das Internet einfacher geworden und sparen uns den Gang in Bibliotheken und den Blick in Bücher.
Die Verwaltungen haben durch das Onlinezugangsgesetz Abläufe digitalisiert, Sozialleistungen und Personalausweise können online beantragt werden und das An- und Abmelden von Autos ist mit einigen Klicks zu erledigen. Dasselbe gilt für die Terminvereinbarung bei Ärzten. Auch Einkäufe werden online immer einfacher und erleichtern den Alltag. Und wer möchte schon auf sein Smartphone verzichten, auf die Leichtigkeit der Kommunikation über Messenger, auf das Verschicken von Bildern, das Telefonieren mit Verwandten in fremden Ländern, und dies, ohne in einer Telefonzelle stehen zu müssen. Die Künstliche Intelligenz eröffnet uns weitere Horizonte und macht vieles ein wenig leichter. Soweit die Erfolgsgeschichte der Digitalisierung, die inzwischen unseren Lebens- und Arbeitsalltag umfasst und weder aufzuhalten noch in ihrer Entwicklung zu stoppen ist. Damit kein Missverständnis aufkommt: Das wäre auch nicht wünschenswert. Aber - und hier muss genauer hingeschaut werden - es gibt eine andere Seite.
Gerade weil alles digitalisiert wird, gilt es für Caritas und Diakonie, auch diejenigen im Blick zu haben, die aus unterschiedlichen Gründen am digitalen Leben nicht teilhaben können. Denn Menschen, die mit digitalen Zugängen nicht gut zurechtkommen, sind von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vielfach ausgeschlossen. Sie müssen sich doppelt und dreifach anstrengen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und ihre Gesundheit zu erhalten. Sie können am sozialen Leben gar nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen. Leistungen, die ihnen zustehen, erhalten sie nur mit Mühe und Unterstützung und manchmal auch gar nicht.
Es muss auch ohne digitale Terminvergabe gehen
Unabdingbar ist es daher, dass Jobcenter, Sozial- und Bürgerämter und andere kommunale Verwaltungen einen offenen Zugang haben und ohne digitale Terminvergabe zur normalen Wochenarbeitszeit erreichbar sind. Am besten zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, denn wer arm ist, hat meistens kein Auto.
Häufig taucht die Frage auf, wie es sein kann, dass Menschen die digitalen Zugänge nicht nutzen können. Es haben doch alle ein Handy. Und auch meine Mutter und meine Oma können damit umgehen!
Dabei wird übersehen, dass es viele Menschen gibt, die weder über die technischen Voraussetzungen noch über digitale Kompetenzen verfügen. Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben.
Wenn Caritas und Diakonie die Forderung nach der Sicherstellung von analogen Zugängen zu Ämtern und Behörden stellen, dann soll das Rad der Digitalisierung nicht angehalten werden. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um das Und. Menschen in besonderen Lebenssituationen muss der Zugang zu Leistungen (Bürgergeld, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, Kindergeld und Kindergeldzuschlag, Arbeitslosengeld I usw.) grundsätzlich analog oder digital möglich sein. Die Entscheidung, welche Form des Zugangs die richtige ist, müssen diejenigen treffen können, die diese Leistungen beantragen.
Grundlage für die Forderung nach dem Erhalt analoger Zugänge sind die Erfahrungen der Mitarbeitenden der Allgemeinen Sozialberatung sowie die Schilderungen derjenigen, die an den Treffen von Menschen mit Armutserfahrung auf der Bundes- und Länderebene teilnehmen. Dort wird immer wieder eindrücklich geschildert, was den Menschen die Teilhabe und die Zugänge zu Leistungen erschwert.
Komplexer Vorgang: digitale behördliche Dienstleistungen
Durch das Onlinezugangsgesetz sind viele Leistungen nun online zu beantragen. Benötigt werden hierfür ein Computer, ein Drucker, WLAN, Strom, Personalausweis, eine E-Mail-Adresse, Kenntnisse über das Anlegen eines Accounts, Erstellung von Passwörtern, das Anhängen und Verkleinern von Dateien und vieles mehr.
Der Vorgang der Onlinebeantragung hört sich einfach an, ist aber komplex und ohne technische Ausstattung und weitere Kenntnisse oder Hilfestellung oft nicht eigenständig zu erledigen.
In der Beratung wird regemäßig von den folgenden Problemen berichtet:
◆ Es stehen keine oder ein nur bedingt einsatzfähiger Computer, Drucker oder Scanner zur Verfügung. Aktualisierungen von Computerprogrammen sind an neue Hardware gebunden. Und ein Ersatz oder Neukauf wird über die Regelsätze nicht finanziert.
◆ Viele können sich die Kosten für den WLAN-Anschluss nicht leisten.
◆ Die Stromkosten sind zu hoch, das wurde insbesondere während der Coronapandemie deutlich.
◆ Einrichtung und Bedienung der Geräte sind nicht selbsterklärend für Menschen, die dies nicht regelmäßig im Beruf oder privat üben.
Grenzen sozialer Teilhabe und Mobilität
Digitale Teilhabe ist soziale Teilhabe. Denn auch hier gilt, nichts geht mehr ohne Nutzung digitaler Medien. Ob Fahrkarten, Kinotickets, Schwimmbadbesuche oder private Verabredungen: Ohne die Nutzung von Apps und der Möglichkeit, Bezahlvorgänge digital erledigen zu können, ist man von vielen sozialen Aktivitäten ausgeschlossen.
So ist es zum Beispiel auch beim Deutschlandticket: Es ist meist nur digital buchbar. In jedem Fall muss man über ein Konto verfügen können. Dieses erhält man nur bei "Kreditwürdigkeit" - heißt, es darf kein Schufa-Eintrag vorliegen.
Für diejenigen, die über die entsprechenden digitalen Kenntnisse und ein Konto ohne Schufa-Eintrag verfügen, ist kaum nachvollziehbar, dass die Digitalisierung Zugangshürden schafft und worin diese begründet sind.
Ohne Schulung, Begleitung und technische Ausstattung bleiben Zugänge versperrt. Die Lösung liegt dabei auf der Hand: Es ist sicherzustellen, dass für Menschen im Leistungsbezug sowohl Hard- und Software als auch die Vermittlung von digitalen Kompetenzen durch Fortbildung und Anleitung selbstverständlich und kostenfrei angeboten werden. Und die Kosten für WLAN müssen in tatsächlicher Höhe übernommen werden. In einigen Ämtern und Behörden gibt es bereits "Selbstbedienungs-Interneträume", in denen Bürger:innen durch fachkundige Helfer:innen unterstützt werden.
Wenn digitale Zugänge zu Behörden, Dienstleistungen und kulturellem Leben geschaffen werden, dürfen jedoch analoge Zugänge für diejenigen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht digital teilhaben können, nicht wegfallen. Es müssen Wege offengehalten oder geöffnet werden, um auch ohne Handy und Computer am soziokulturellen Leben teilhaben zu können. Leistungen, auf die Rechtsansprüche bestehen, müssen barrierefrei geltend gemacht werden können.
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