Die richtigen Worte finden
Das Pfarrheim ist gut gefüllt, das Frühstückbüffet bereit. Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Gemeinde St. Peter und Paul im lippischen Barntrup, Wolfgang Patzelt, begrüßt die Gäste, die aus aller Welt zusammengekommen sind. „Danke, dass ihr immer zum Unterricht kommt. Heute dürft ihr schlemmen.“ Ehrenamtliche der katholischen Gemeinde im lippischen Barntrup haben den Tisch bereitet. Rund 30 Flüchtlinge von drei Kontinenten sind gekommen, dazu einige Gemeindemitglieder. Eigentlich wäre heute Sprachunterricht angesagt. Doch weil Lehrer Helmut Nohse, gerade erst pensioniert, heute nur Zeit für eine kurze Stippvisite hat, gibt es stattdessen Frühstück. Von seinen neuen Schülern ist Nohse sehr angetan: „Die wollen lernen und sind stolz, wenn sie was können.“ Im Vergleich zu seinen ehemaligen Schülern am Gymnasium seien sie „viel motivierter“.
Die Idee, einen eigenen Sprachkurs anzubieten, sei vor einigen Monaten gereift, erzählt Pastor Wilfried Mikus. Einige Flüchtlinge kamen zum Gottesdienst. „Wie können wir mit denen sprechen, fragten wir uns. Wir müssen was machen, dass die Deutsch lernen.“ Als dann das Erzbistum Paderborn einen Flüchtlingsfonds auflegte, um die Hilfen und die Integration von Flüchtlingen zu fördern, „haben wir gleich zugeschlagen“. Denn: „Ohne Zuschuss wäre das finanziell nicht möglich gewesen.“
Lehrer Helmut Nohse entwickelte aus vorhandenen Materialen einen eigenen Sprachkurs, erstellte Arbeitsblätter und schaffte Bücher an. Doch nicht nur Deutsch steht auf dem „Stundenplan“. „Die Teilnehmer sollen auch das allgemeine Leben kennenlernen“, betont Wolfgang Patzelt. Der Bürgermeister wird ihnen das parlamentarische System Deutschlands erklären, eine Hauswirtschaftsmeisterin erläutern, wie man einen Haushalt hygienisch einwandfrei führt, und eine Stadtbesichtigung sowie ein Besuch der Feuerwehr gehören auch zum Programm.
Lernbereite Teilnehmer wurden in einem „Sprachcafé“ ausgewählt, das die örtliche evangelische Gemeinde unterhält. Dort lernen die Flüchtlinge bereits erste Begriffe. „Wenn sie das durchhalten, kommen sie zu uns in den Sprachkurs“, erklärt Wolfgang Patzelt die gute ökumenische Zusammenarbeit. 32 Teilnehmer sind nun angemeldet. „Die kommen in der Regel alle“, sagt Helmut Nohse stolz.
Wie etwa Toni Offor. Der Nigerianer floh vor dem Terror der islamistischen Boko Haram im Norden seines Landes. Sein Onkel, bei dem er seit dem frühen Tod seines Vaters lebte, wurde bedroht, weil seine Frau vor der Hochzeit vom Islam zum Christentum konvertiert war. Er starb bei einem Bombenanschlag.
Im Gottesdienst in der Osternacht hatten Toni Offor und einige andere Kursteilnehmer ihre erste Bewährungsprobe: Sie trugen Fürbitten und eine Lesung vor. „Die Gemeinde hat erst die Luft angehalten, ob das gut geht, war dann aber sehr beeindruckt“, schildert Pastor Mikus.
Von den Flüchtlingen hat jeder seine eigene Horror-Geschichte zu verarbeiten: So erzählt der koptische Christ Mina Halim, der aus seiner Heimat Ägypten floh, wie Islamisten in seiner Nachbarschaft 21 Kopten den Hals durchschnitten. Und der Jeside Shamdim Maisar aus dem Irak, wie er wegen seiner Religionszugehörigkeit in Bagdad im Gefängnis saß und von seinem Vater für 30.000 US-Dollar freigekauft werden musste. Alle sorgen sich um ihre Familien, die nicht die strapaziöse Flucht durch mehrere Länder auf sich nehmen konnten.
Ein willkommener Nebeneffekt des Sprachkurses: Die Flüchtlinge aus verschiedensten Ländern, Kulturen und Religionen erhalten eine gemeinsame Sprache. „Sie sprechen jetzt auch miteinander. Da ist eine gute Gemeinschaft entstanden“, erzählt Wolfgang Patzelt. „Und sie können sich jetzt auch gegenseitig helfen.“