Die Wirtschaftlichkeit von Immobilien ist jetzt grüner und sozialer zu bewerten
Steigende Energiekosten, Extremwetterereignisse und die Diskussion um verschärfte energetische Anforderungen an den Immobilienbestand wirken sich immer stärker auf die Unternehmen auch der Gesundheits- und Sozialwirtschaft aus. Regulatorische Vorgaben führen zusätzlich zu einer restriktiveren Kreditvergabe und steigenden Bau- und Sanierungskosten, was sich wiederum auf traditionelle Geschäfts- und Finanzierungsmodelle auswirkt. Die EU-Kommission geht davon aus, dass auf Immobilien rund 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen. Um die ehrgeizigen Energieeffizienz- und Klimaziele zu erreichen, muss sich nach den vorliegenden Plänen die jährliche Renovierungsquote des europäischen Gebäudebestandes, die derzeit zwischen 0,4 und 1,2 Prozent liegt, mindestens verdoppeln. Die EU schlägt hierzu strengere Rechtsvorschriften zur Gesamt-Energieeffizienz von Gebäuden sowie eine Überarbeitung der Bauprodukteverordnung vor.
Durch die Umsetzung der Richtlinie "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD)1 vom 5. Januar 2023 und der Taxonomie-Verordnung2, die seit Juni 2020 in Kraft ist, sind große Kapitalgesellschaften in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft verpflichtet, bis 2025 eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzubauen.
Darüber hinaus werden Einrichtungsträger, die nach ihrer Satzung oder ihrem Gesellschaftsvertrag einen Lagebericht aufzustellen haben, diesen künftig ausweiten: Im Lagebericht sind demnach detaillierte Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen wie Umwelt- und sozialen Rechten, Menschenrechten und Governance-Faktoren zu veröffentlichen. Die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse sowie ihr Zusammenspiel müssen für Adressat:innen des Lageberichts nachvollziehbar sein, wobei explizit auf kurz-, mittel- und langfristige Nachhaltigkeitsrisiken einzugehen ist. In diesem Zusammenhang müssen die umfassenden Vorgaben der EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards - ESRS) zwingend angewendet werden.3
Spezifische Vorgaben für den Immobilienbestand
Im Rahmen einer "robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung" müssen unter anderem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Patient:innen beziehungsweise Bewohner:innen und auf den Betrieb sowie mögliche Anpassungslösungen (zum Beispiel Gebäudekühlung, Sonnenschutzsysteme) bewerten. Diese Anpassungslösungen werden anhand vordefinierter Indikatoren überwacht und gemessen.
Die Taxonomie-Verordnung definiert für die Entwicklung von Bauprojekten beziehungsweise den Erwerb oder die Renovierung von Gebäuden und für die Installation energieeffizienter Geräte bestimmte Grenzwerte, die in den nächsten Jahren zu beachten sind. Anhand der Parameter Umsatzerlöse, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben muss die Gesundheits- oder Sozialeinrichtung demnach darstellen, wie hoch der Anteil der taxonomiekonformen (nachhaltigen) Wirtschaftstätigkeiten an ihren Gesamtaktivitäten ist. Zusätzlich erfolgt erstmals eine ökologische Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus der Immobilien.
Langfristiger Klimaschutzfahrplan angestrebt
Eine zentrale Rolle in der nachhaltigen Transformation nimmt der Standard ESRS E1 "Climate Change" ein, der eine Vielzahl erstmals offenzulegender Leistungsindikatoren vorgibt. Anhand konkreter Emissionsreduktionsziele sollen demnach die Träger ab 2025 in rollierenden Fünfjahreszeiträumen Meilensteine und Zielerreichungsgrade sowie konkrete Aktionspläne benennen. Für den ersten Zielzeitraum (zum Beispiel 2026 bis 2030) kann ein Basisjahr zwischen 2022 und 2025 zugrunde gelegt werden. Die aus dem Betrieb resultierenden Treibhausgasemissionen werden anhand standardisierter Verfahren umgerechnet und in CO2-Äquivalenten (in Tonnen) dargestellt (vgl. Abb. 1, S. 23).
Unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungsindikatoren muss die trägerbezogene Klimaneutralität schrittweise im Rahmen eines langfristigen Klimaschutzfahrplans angestrebt und für Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden. Die notwendige Gesamtbetrachtung der laufenden und investiven Aufwendungen (Wirtschaftlichkeitsbetrachtung) bildet in Verbindung mit den angestrebten Emissionseinsparungen letztlich auch den (langfristigen) finanziellen Handlungsspielraum des Trägers ab.
Aus Unternehmenssicht müssen damit frühzeitig Investitionsbedarfe und Finanzierungslücken sowie notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells (zum Beispiel Bau von kleineren Einheiten als zuvor geplant oder gar ein Exit) strategisch betrachtet werden. Hierbei zeichnet sich bereits heute ab, dass die aktuellen Förderprogramme für Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen und alternative Finanzierungslösungen gefunden werden müssen.
Anmerkungen
1. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3MvMrXK
2. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3IekRvt
3. Aktueller (Entwurfs-)Stand unter: https://efrag.org
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