Berater sind auch „nur“ Männer
Seit 2015 ist die Jungen- und Männerarbeit wieder ein eigenständiger Arbeitsschwerpunkt des SKM Bundesverbandes: Unter dem Titel "Echte Männer reden" findet inzwischen an über 18 Standorten Beratung für Jungen und Männer statt (www.echte-männerreden.de). Schnell findet sich Zustimmung - besonders bei den Frauen -, dass ein MehrReden grundsätzlich vielen Männern guttäte. Eine Erkenntnis, die erfreulicherweise auch zunehmend im Umfeld der Beratungsstellen sichtbar wird. Wo sich die Beratung etabliert hat, finden sich vermehrt Kostenträger, die nach individuellen Lösungen suchen, um die Arbeit zu unterstützen. Eine ausgelastete Beratungsstelle hat im Jahr mit bis zu 80 Männern Kontakt, die sich größtenteils freiwillig an die Beratung wenden. Die Zahl macht deutlich, wie wichtig die männerspezifische Ansprache ist. Männerberater werden häufig gefragt, worüber in der Beratung tatsächlich gesprochen wird und was einen "Männerberater" ausmacht.
Den meisten Männern fällt das Reden schwer
Echte Männer reden. Den meisten Männern, die in die Beratung kommen, fällt das Reden an sich nicht schwer. Sie reden über ihre Arbeit, über ihre Partnerinnen, Frauen und Kinder, sie reden über ihre Hobbys. Sie sind bereit, über so ziemlich alles zu reden - nur nicht über sich selbst. Dabei ist selten die fehlende Bereitschaft das Problem, sondern der Glaube daran, dass man(n) in der eigenen Krise, die Anlass für die Beratung ist, selber nur eine Nebenrolle spiele. Keiner kommt, um "nur mal zu reden". Männer, die in die Beratung kommen, haben die eigene Situation entweder schon lange ausgehalten oder sie ist stark eskaliert. Sie haben zunächst wenige Ideen, was denn nun das "Reden darüber" tatsächlich bringen könnte.
Gerade wenn es um Beziehungsprobleme geht, ergeht es vielen Männern so, dass sie glauben, ihre Frauen würden sie nicht verstehen, eben weil sie Frauen sind. Wenn es solche unüberwindbaren Verständigungsprobleme zwischen Männern und Frauen gäbe, brächte auch die beste Beratung nichts.
Sich der eigenen Verantwortung stellen
Keine leichte Aufgabe für den Berater. Muss er doch einerseits den Mann gerade zu Beginn der Beratung ernst darin nehmen, dass er seine Frau und sie ihn nicht versteht, und andererseits dem Mann vermitteln, dass nicht das Geschlecht die Ursache des gegenseitigen Nichtverstehens ist. Deshalb braucht der Berater eine hohe geschlechtsspezifische Kommunikationskompetenz, um genau differenzieren zu können, wo der Mann die Verantwortung für sein Handeln auf das Mannsein im Allgemeinen schiebt und an welcher Stelle er bewusst ein Gefühl dafür entwickeln kann, wie er die Beziehung und Kommunikation zu Frauen - und natürlich auch zu Männern - aktiv und verantwortlich gestalten kann.
Um in dieser komplexen Dynamik den Überblick zu behalten, was denn nun der geschlechtsspezifischen und was der Paardynamik zuzuordnen ist, ist das Wissen um die geschlechtsspezifischen Aspekte in der Kommunikation zwischen Männern und zwischen Frauen und Männern wichtig. Somit ist die Reflexion der eigenen Männlichkeit ein zentraler Aspekt in der geschlechtsspezifischen Arbeit mit Männern
Von männerspezifischen Risikofaktoren und Anliegen
Betrachtet man Risikofaktoren, die mit Männlichkeit einhergehen, wird klar, in welchem Kontext die Reflexion der eigenen Männlichkeit steht. Diese Risikofaktoren treffen natürlich nicht auf alle Männer zu, aber sie haben eine stark männlichkeitsrelevante Komponente und sind daher mitursächlich für viele Krisen: Externalisierung, geringe Empathiefähigkeit, risikoreiches Verhalten, Gewalt gegen sich und andere, Schweigen - Nicht-über-sich-Reden, Einsamkeit und Dasein als Einzelkämpfer, mangelndes Körpergefühl sowie Rationalität und Kontrolle sind Risikofaktoren, die besonders mit Männlichkeit verknüpft sind und für die Männerberater besonders sensibilisiert sein sollten. Diese Risikofaktoren sind eng mit den Anliegen verknüpft, mit denen Männer die Beratung aufsuchen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten beziehungsweise Milieus. Neben Gewalt geht es um Themen wie Einsamkeit, Trennung, Sucht, Krankheit, Depression, Burn-out, Arbeitslosigkeit, Tod, Trauer, Verlust, Beziehungsgestaltung oder auch Spiritualität. Weiterhin um Fragen zu Geschlechterrollen, Sexualität und der eigenen Rolle als Mann.
Reflektierter Umgang mit der eigenen Männlichkeit
Für die Kompetenzen der Berater erfordert diese inhaltliche Vielfalt die Fähigkeit, einen reflektierten Zugang zu und Umgang mit der eigenen Männlichkeit zu haben. Wer als Berater arbeitet, weiß, dass die Haltung, mit der er den zu beratenden Menschen begegnet, eine zentrale Rolle spielt. Für die Männer sind die Berater gleichermaßen Fachmann für Männerfragen und eben auch ein Rollenvorbild für gelebte Männlichkeit. Der US-amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers hat mit seiner Grundhaltung der Personenzentrierten Gesprächstherapie eine theoretische Basis für eine gelingende Beratung geschaffen, die sich im Hinblick auf geschlechtsspezifischen Beratungsbedarf eignet, um die Herausforderungen zu beschreiben, die für die Männerberatung von Bedeutung sind.
Drei Beratungsgrundsätze
Akzeptanz
Wir alle haben bewusste und unbewusste Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Persönliche Kontakte, Erfahrungen und die Medien tragen dazu bei, dass jeder von uns Ideen davon hat, wie Männer und Frauen sind oder zu sein haben. Schließlich sind Berater auch Männer. Männer, die in der gleichen Gesellschaft sozialisiert wurden - also mit ähnlichen Bildern von Männlichkeit. Zur Beraterkompetenz gehört daher, die eigenen Verletzungen und Schwächen in den Blick zu nehmen und zu akzeptieren. Hier spielt das Bild vom starken Mann, der mit seinen Problemen stets alleine zurechtkommt, eine zentrale Rolle. Männer brauchen keine Hilfe. Wie stark dieses Bild wirkt, zeigt sich besonders in den weiterhin wenig verbreiteten geschlechtsspezifischen Hilfsangeboten für Jungen und Männer. Und diese sind meist auf Jungen und Männer zugeschnitten, die Probleme machen. Dass Männer, die Probleme haben, solche Angebote brauchen, wird weiterhin wenig diskutiert.
Berater müssen sich von diesen Bildern möglichst frei machen. Wenn dem Mann das Suchen von Hilfe als unmännliche Schwäche ausgelegt oder darauf hingewiesen wird, dass er dies oder jenes als "echter" Mann hätte schaffen, wissen oder können müssen, dann kann die Beratung nicht gelingen. Hier gilt es, dem Mann mit viel Wertschätzung dafür zu begegnen, dass er sich trotz der herrschenden Rollenbilder um Unterstützung bemüht hat.
Empathie
Gerade der Umgang mit und besonders das Zeigen von Gefühlen stellt für viele Männer eine Herausforderung dar. Die Neigung dazu, Probleme und Krisen zu rationalisieren, verschleiert oft, dass nicht das Denken unsere Gefühle beeinflusst, sondern unsere Gefühle das Denken. Scheinbar "unmännliche" Gefühle wie Angst, Trauer, Hilflosigkeit oder Ohnmacht passen nicht in das Bild von männlicher Stärke und rationalem Handeln - sind es doch oftmals verwirrende Gefühlslagen in Krisen, die das Gefühl von Überforderung und Verzweiflung erzeugen. Männerberater brauchen deshalb eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlswelten, um in der empathischen Begleitung anderer Männer auf diese Aspekte einen Schwerpunkt legen zu können.
Kongruenz
Zentral für den Erfolg der Beratung ist das aufrichtige und authentische Vorleben. Die Männerberatung verlangt, den zu beratenden Männern authentisch zu begegnen sowie die eigene Haltung zum Mannsein deutlich zu machen. Gerade in der Beratung mit Männern, die grenzüberschreitendes Verhalten an den Tag legen - sei es sich selbst oder anderen gegenüber -, müssen wir uns als Berater und Männer klar positionieren und von diesen Positionen überzeugt sein. Das gilt beispielsweise für den achtsamen Umgang mit Alkohol sowie für jegliche Ablehnung von Gewalt und Abwertung. Auch männertypische Kumpanei ("Wir Männer müssen zusammenhalten!") muss in ihrer unreflektierten Art infrage gestellt werden. Männer und Männerberater selbst können die eigene Haltung zur Männlichkeit und wie sie als Mann sein wollen, nur dann ehrlich infrage stellen und gegebenenfalls verändern, wenn sie Männern mit einer klaren authentischen kongruenten Haltung hierzu begegnen.
Berater sind auch "nur" Männer
Nur wer als Berater einen reflektierten Zugang zu und Umgang mit der eigenen Männlichkeit und den eigenen Gefühlen gefunden hat, ist in der Lage dazu, die Beratungsarbeit zu leisten - eine nicht zu unterschätzende Kompetenz. Der SKM Bundesverband bietet in einem durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt eine zweijährige Multiplikatoren-Weiterbildung "Männerfokussierte Beratung" an. Damit soll zum einen verstärkt auf die Hilfs- und Beratungsbedarfe von Jungen und Männern aufmerksam gemacht werden, zum anderen sollen die Angebote ausgebaut werden, damit Jungen und Männer ermutigt werden, sich möglichst früh an solche Beratungsstellen zu wenden. Der erste von zwei geförderten Durchgängen ist mit 16 Teilnehmern im März gestartet. Der zweite Durchgang beginnt im Dezember. Weitere Informationen unter: www.skmev.de
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