SV-Beiträge: monetär, generativ, aber auch gerecht?
Der Deutsche Caritasverband (DCV) wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingeladen, zur grundlegenden Frage der Beitragsgerechtigkeit in der Sozialversicherung als sachverständiger Dritter eine Stellungnahme abzugeben. In den auf dem Tisch liegenden Verfahren wird über Normen zur Beitragserhebung in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung gestritten. Es klagen drei Mehrkindfamilien, die sich durch die Beitragserhebung benachteiligt fühlen. Sie sehen ihre Kindererziehungs- und Betreuungsleistungen nicht ausreichend gewürdigt, obwohl dieser sogenannte generative Beitrag für das nachhaltige Funktionieren des umlage finanzierten So zialversicherungssystems unentbehrlich ist. Die Klagen werden im Rahmen der Kampagne „Eltern klagen“ des Familienbundes der Katholiken geführt (https://elternklagen.de). Sollte das Bundesverfassungsgericht den Klägern recht geben, müsste der Gesetzgeber umfassende Reformen in der Beitragsgestaltung im Fünften, Sechsten und Elften Sozialgesetzbuch in die Wege leiten.
Worum geht es genau?
Die Vorschriften der §§ 157, 161 Abs. 1, 162 Nr. 1 SGB VI regeln die Voraussetzungen der Beitragserhebung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beitragsbemessungsgrundlage bei allen Erwerbstätigen – unabhängig davon, ob man Kinder hat – ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungs-pflichtigen Beschäftigung. Wegen des Äquivalenz-Prinzips erhalten Menschen, die aufgrund der Erziehung von Kindern im Erwerbsleben schlechtere Erwerbs- und Verdienst-Chancen haben und daher niedrigere Beiträge zur Rentenversicherung zahlen, grundsätzlich niedrigere Renten im Alter.
Eine der klagenden Familien kritisiert, dass ihr generativer Beitrag für ihre drei Kinder – das heißt, ihre Betreuungs- und Erziehungsleistungen – bei der Bemessung der monetären Beiträge zur Rentenversicherung nicht berücksichtigt werde, zum Beispiel über eine Freibetrags-Regelung oder Beitragsreduzierung. Dass er lediglich (insbesondere bei den Kindererziehungs-Zeiten) als leistungssteigernd in der Rente einbezogen sei, entlaste sie nicht und gleiche auch sonst die Nachteile, die durch die Mehrarbeit und durch Einkommensverluste entstünden, nicht aus.
Der generative Beitrag hat wesentliche Bedeutung für das Funktionieren des gesamten Systems. Im umlagefinanzierten Rentensystem sichern diejenigen, die heute Beiträge an die Versicherung abführen, die Renten der heutigen Ruheständler. Gehen die heutigen Erwerbstätigen in Rente, muss es wiederum eine dann einzahlende Generation geben.
Caritas sieht ungenügenden Nachteilsausgleich
Der von Eltern zusätzlich zum monetären Beitrag aus ihrer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit geleistete generative Beitrag muss also aus Gerechtigkeitsgründen positiv berücksichtigt werden. Nach Meinung des DCV wird er zwar in Ansätzen ausgeglichen, etwa, indem Zeiten, in denen wegen der Kindererziehung die Arbeit reduziert oder aufgegeben wird, mit fiktiven Beiträgen belegt werden. Weitere Reformen sind jedoch dringend anzustoßen: So fordert der DCV unter anderem die Einführung eines permanenten Rentenanwartschaften-Splittings, um zu verhindern, dass sich die erziehungsbedingte Reduktion der Erwerbstätigkeit einseitig in schlechteren Rentenanwartschaften nur eines Elternteils niederschlägt.
Anders als die Kläger ist der DCV nicht der Meinung, dass Familien mit Kindern schlicht von Beiträgen entlastet werden sollen. Vielmehr müssen Gerechtigkeits-Fragen die Beitrags- und die Leistungsseite der Rentenversicherung gleichermaßen in den Blick nehmen. Der generative Beitrag kann auch auf der Leistungsseite berücksichtigt werden. Entscheidend ist, dass der wirtschaftlich messbare Nachteil, den Familien für die Kindererziehung in Kauf nehmen, angemessen ausgeglichen wird. Aktuell ist dies nach Ansicht des DCV nicht der Fall.
Beitragsstruktur der Pflegeversicherung muss reformiert werden
Auch in der Pflegeversicherung fühlen sich zwei klagende Familien benachteiligt. Die Eltern haben jeweils vier Kinder; beide Elternteile sind jeweils berufstätig; phasenweise reduzierte oder unterbrach die Mutter ihre Arbeit wegen der Kindererziehung. Beide Elternteile führen Beiträge zur Pflegeversicherung ab. Sie zahlen zwar weniger als Kinderlose, eine Staffelung des Beitrags nach Kinderzahl ist aber nicht vorgesehen. Nach Meinung der Kläger(innen) muss sich der generative Beitrag aber für jedes einzelne Kind im Beitragsrecht abbilden. Denn mit jedem Kind leisteten Familien einen je eigenen generativen Beitrag und damit eine wichtige Vorleistung für die künftige Absicherung des überwiegend erst im höheren Alter auftretenden Risikos der Pflegebedürftigkeit für die erwerbstätige Generation und damit die Tragfähigkeit der umlagefinanzierten Pflegeversicherung.
Mehrkindfamilien seien im Vergleich zu Einkindfamilien zudem dadurch im Nachteil, dass sie mehr auf Konsum verzichten müssten und weniger in der Lage seien, private Vorsorge zu betreiben. Der DCV sieht das ähnlich: Die spezifische Belastung kindererziehender Versicherter im Vergleich zu Kinderlosen wird im Pflegeversicherungssystem umso größer, je mehr generative Beiträge Eltern erbringen.
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