Begleitet in Arbeit und Beruf
Herr M. aus Bulgarien kam im Jahr 2017 mit seiner Frau und zwei Kindern nach Deutschland, um nach Arbeit zu suchen – und fand im folgenden Jahr eine Stelle als Betriebselektroniker in Vollzeit. Unterstützt wurde die Familie vom Caritasverband für die Stadt Köln. Über das Projekt „Willkommen und Ankommen in Köln“1 wurde zunächst seine Frau in einen Vollzeitjob bei einer Leihfirma als Produktionshelferin vermittelt. Über diesen Job konnte sie aufstockende SGB-II-Leistungen beantragen. Die Kolleg(inn)en von der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE)2 halfen dem Ehepaar bei der Einschulung und Kitaplatz-Suche für ihre Kinder. Herr M. durchlief das Verfahren zur Anerkennung seiner Ausbildung und besuchte mehrere Deutschkurse – mit Erfolg: Seit er als anerkannte Fachkraft arbeitet, ist die Familie nicht mehr im Leistungsbezug. Frau M. möchte sich nun nachqualifizieren, um langfristig ebenfalls eine qualifizierte Arbeit aufzunehmen. Die Migrationsberatung steht ihr dabei zur Seite.
Herausforderungen beim Berufseinstieg
Wie Familie M. werden viele andere Eingewanderte über den Migrationsdienst der Caritas auf ihrem Weg ins Erwerbsleben begleitet. Der Bedarf ist enorm. Denn beim Zugang zum Arbeitsmarkt sind Migrant(in­­n)en in vieler Hinsicht benachteiligt. Trotz guter Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt liegt die Beschäftigungsquote von Ausländer(inne)n seit Jahren deutlich unter derjenigen der Deutschen (47,8 Prozent im Vergleich zu 61,9 Prozent im Juni 2018). Mit 11,9 Prozent im Juni 2019 ist die Arbeitslosenquote der Ausländer(innen) etwa dreimal so hoch wie die der Deutschen (3,9 Prozent).3 Zugleich verdienen ausländische Erwerbstätige statistisch gesehen weniger als deutsche und arbeiten häufiger in atypischen Arbeitsverhältnissen.⁴
Das Fallbeispiel zeigt sowohl die Herausforderungen als auch die vielfältige Unterstützung, die der Migrationsdienst der Caritas bei der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund leistet. Dazu zählt das Erlernen der deutschen Sprache – eine wichtige Voraussetzung für den Einstieg ins Berufsleben. Der Migrationsdienst vermittelt Zugewanderte in Integrations- und Deutschkurse und begleitet sie auch während der Kursteilnahme. Mancherorts ist der Dienst auch selbst Anbieter von Deutschkursen und weiteren Angeboten, bei denen das Erlernen der deutschen Sprache eine Rolle spielt, wie zum Beispiel von Elterncafés oder Tandemprojekten.
Zugewanderte mit Kindern können erst eine Arbeit aufnehmen, wenn die Betreuung sichergestellt ist. Das Problem, einen Kitaplatz zu finden, erschwert insbesondere für Frauen die sprachliche und berufliche Integration.5 Die Migrationsdienste helfen bei der Kitaplatz-Suche, kommen angesichts bürokratischer Zugangshürden und des vielerorts herrschenden Platzmangels jedoch immer wieder an ihre Grenzen.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussen den Berufseinstieg. EU-Bürger(innen) haben mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zwar einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Allerdings dürfen sie keine Leistungen nach SGB II und XII beantragen, solange sie keine Arbeit haben. Daraus entstehen häufig Existenzschwierigkeiten und für viele der Druck, schnell eine Arbeit finden zu müssen. Bei Asylsuchenden und Geduldeten hingegen bestehen ausländerrechtliche Hürden. Dazu gehören insbesondere Arbeitsverbote in Aufnahmeeinrichtungen, die durch das sogenannte Migrationspaket der Bundesregierung noch massiv ausgeweitet werden.6 Hier gilt es zu prüfen, ob und – wenn ja – wann eine Arbeitsaufnahme möglich ist.
Menschen mit Migrationshintergrund sind zudem von Vorurteilen und Diskriminierung betroffen, zum Beispiel beim Kontakt mit potenziellen Arbeitgebern oder Behörden. Diskriminierung bei Einstellungsverfahren oder am Arbeitsplatz sowie Arbeitnehmerrechte sind daher auch ein Thema in der Beratung.
Berufsplanung mit Hilfe des Fallmanagements
Im Mittelpunkt der Beratung stehen die individuellen beruflichen Wünsche und Fähigkeiten. Bei Bedarf können Ratsuchende im Rahmen eines professionellen Fallmanagements über ihre beruflichen Perspektiven sprechen. Oft bringen Zugewanderte nicht formalisierte
Kompetenzen mit, die in Deutschland nur unzureichend beachtet und bewertet werden. Um diese schneller zu erkennen, kommen unter anderem in mehreren Sprachen vorliegende Kompetenzkarten zum Einsatz.7 Darauf aufbauend wird ein Förderplan erstellt, um mögliche Wege in Arbeit zu beschreiben und die Planung der Ratsuchenden zu unterstützen. Zu den Optionen gehören zum Beispiel die berufliche Qualifizierung – über ein Studium, eine Ausbildung oder eine Weiterbildung – oder die Arbeitsplatzsuche. Mancherorts werden regelmäßige „Arbeitssprechstunden" angeboten, in der die Beratenden Bewerbungsunterlagen prüfen und die Klient(inn)en beim Erstellen von Lebensläufen und Anschreiben unterstützen; anderenorts gibt es Bewerbungstrainings speziell für Zugewanderte.
Haben Ratsuchende bereits einen beruflichen Abschluss im Ausland erworben, so stellt sich die Frage, ob dieser anerkannt werden kann. In diesem Fall erhalten sie in den Migrationsberatungsstellen der Caritas eine Erstberatung und werden an die Anerkennungsberatungsstellen im Förderprogramm Integration durch Qualifizierung (IQ Netzwerk) weitergeleitet. Einige davon sind auch in Caritas-Trägerschaft.
In allen Fragen arbeiten die Migrationsberatungsstellen sehr eng mit den arbeitsmarktrelevanten Akteuren, insbesondere mit den Agenturen für Arbeit und Jobcentern, zusammen. Hilfreich kann auch der direkte Kontakt zu Unternehmen sein: Der Caritasverband für das Erzbistum Hamburg beispielsweise hat Unternehmen empfangen, die sich und ihre Branche in den Integrationszentren der Caritas vorstellen, und Firmenbesuche für Ratsuchende organisiert.
Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer
Ein Teil des Migrationsdienstes, über den es detaillierte Zahlen gibt, ist die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE). Die MBE-Statistik der Caritas-Standorte von 2018 weist auf positive Veränderungen des Erwerbsstatus von Klient(inn)en hin. Hier ist festzustellen, dass zum Ende der Beratung ein deutlich höherer der Anteil der Ratsuchenden erwerbstätig ist als zu Beginn der Beratung (siehe Abbildung).
Parallel dazu sinkt der Anteil der Ratsuchenden im ALG-II-Bezug um mehr als zehn Prozentpunkte (siehe zur MBE auch neue caritas Heft 18/2019, Seite 27 ff.).
Integration in Arbeit: eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Für das Gelingen der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten spielt der Migrationsdienst der Caritas eine zentrale Rolle. Gleichzeitig muss klar sein: Die Integration in Arbeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und in Zeiten des Fachkräftemangels zugleich eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Auf politischer Ebene engagiert sich die Caritas für eine Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen und bezieht dabei die Erfahrungen aus der Praxis mit ein. Darüber hinaus werden auf gesamtverbandlicher Ebene regelmäßig Austausch- und Fortbildungsmöglichkeiten geschaffen, zum Beispiel zu aktuellen gesetzlichen Änderungen. Das Thema Arbeitsmarkt wird den Migrationsdienst weiterhin beschäftigen. Auch in Zukunft gilt es daher, die Mitarbeitenden in den Diensten bei dieser wichtigen Aufgabe zu unterstützen.
Anmerkungen
1. Das Projekt unterstützt EU-Bürger(innen) bei der Erwerbs­integration und dem erstem Spracherwerb. Vgl. per Kurzlink: https://bit.ly/2CyF4K8
2. Das Beratungsangebot im Bundesprogramm „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer" ist an derzeit 250 Caritas-Standorten mit circa 475 Mitarbeiter(inne)n vertreten.
3. Vgl. Bundesagentur für Arbeit: Berichte: Analyse Arbeitsmarkt. Arbeitsmarkt für Ausländer (Monatszahlen). Juni 2019.
4. Seils, E.; Baumann, H.: Trends und Verbreitung atypischer Beschäftigung. Eine Auswertung regionaler Daten. Policy Brief WSI Nr. 34, Juni 2019.
5. Dies zeigen unter anderem die Erfahrungen der Servicestelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen in Sachsen-Anhalt im Caritasverband für das Bistum Magdeburg.
6. Für weitere Informationen zu den arbeitsmarktrelevanten Aspekten des „Migrationspakets" vgl.: Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V.: Newsletter Nr. 10, Zentrale Beratungsstelle „Ausländer*innen und Fachkräftesicherung" (ZBS AuF II), 3. Juli 2019.
7. Die Kompetenzkarten wurden von der Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit den Trägern der MBE und dem Forschungs­institut Betriebliche Bildung (f-bb) entwickelt. Siehe per Kurzlink: https://bit.ly/2O2cZAe
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