So kann die Vorstandsebene bei Vereinen der Caritas aussehen
Seit der Veröffentlichung der Arbeitshilfe 182 der Deutschen Bischofskonferenz "Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und wirtschaftliche Aufsicht" im Jahr 2004 wurden bei vielen Diözesan-Caritasverbänden (DiCV) Verbandsentwicklungsprozesse umgesetzt beziehungsweise angestoßen. Diese bezogen sich auf die jeweilige DiCV-Satzung selbst und in einem zweiten Schritt auf die in der Diözese befindlichen Orts-, Kreis- und Bezirks-Caritasverbände (OCV). Die Satzungsreformen verfolgten die prinzipielle Zielsetzung, die Funktionsfähigkeit der einzelnen Vereinsorgane zu stärken, deren Zusammenarbeit effektiver zu gestalten und insbesondere die trägereigene Aufsicht zu stärken. Der Deutsche Caritasverband (DCV) hat diesen Prozess mit Fortbildungsveranstaltungen begleitet und dabei einen Schwerpunkt auf die Rechte und Pflichten ehrenamtlicher Mitglieder von Aufsichtsorganen gelegt. Dabei zeigte sich, dass die Neugestaltung der Aufsichtsstrukturen erhebliche Konsequenzen für die Ausgestaltung der Vorstandsebene hat.
Ausgangspunkt für die Gestaltung der Vorstandsebene ist das rechtliche Grundmodell eines Vereins, das aus gesetzlich vorgeschriebenen Organen (Vorstand, Mitgliederversammlung) und dem fakultativen Aufsichtsorgan besteht.
In der Caritas existieren für die Gestaltung des Vorstandsorgans unterschiedliche Modelle. Diese sollten sich einerseits an den Bedingungen und Anforderungen vor Ort orientieren. Gleichzeitig sollten eine Reihe von Kriterien geprüft werden, um tragfähige und effektive Strukturen auf Vorstands- und Aufsichtsebene zu realisieren. Dabei spielen das Aufgabenprofil, die Ansprüche der relevanten Interessengruppen des Vereins sowie die finanzielle und rechtliche Tragfähigkeit des jeweiligen Vorstandsmodells eine Rolle.
Grundsätzlich lassen sich die folgenden drei Vorstandsmodelle in der Praxis finden:
Modell 1: Ehrenamtlicher Vorstand
- Ehrenamtlicher Vorstand, der sich aus mehreren Mitgliedern zusammensetzt (meist mehr als in Modell 3, siehe unten);
- angestellter hauptamtlicher Geschäftsführer ohne Organstatus;
- häufig kein eigenständiges Aufsichtsorgan vorhanden, sondern Wahrnehmung der Aufsicht durch die Mitgliederversammlung.
Modell 2: Hauptamtlicher Vorstand
- Bis zu drei hauptamtliche Vorstände;
- eigenständiges Aufsichtsorgan vorhanden, in dem beim Übergang von Modell?1 in Modell?2 auch ehemalige ehrenamtliche Vorstände mitwirken können.
Modell 3: Gemischter Vorstand
- Mehrheitlich ehrenamtlicher Vorstand mit einem hauptamtlichen Mitglied (Direktor(in), Geschäftsführer(in));
- eigenständiges Aufsichtsorgan, in dem beim Übergang von Modell?1 in Modell?3 auch ehemalige ehrenamtliche Vorstände mitwirken können.
Kriterien zur Bildung des Vereinsorgans Vorstand
Die Arbeitshilfe 182 geht in Anlehnung an den Deutschen Corporate Governance Kodex nicht nur auf die Notwendigkeit sowie die Rechte und Pflichten eines trägereigenen Aufsichtsorgans ein, sondern beschreibt erstmals auch grundsätzliche Anforderungen an die Gestaltung der Vorstandsebene von Vereinen.1 Für die Gestaltung des Vorstandsorgans gilt demnach das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das heißt, diese hat sich an der Größe (zum Beispiel anhand Mitarbeiterzahl und Umsatzvolumen), dem Aufgabenspektrum und den zu tragenden wirtschaftlichen Risiken des Vereins zu orientieren. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Vorstandstätigkeit bei Vereinen sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich wahrgenommen werden kann. Als Richtschnur gibt die Arbeitshilfe 182 dabei vor, dass mit zunehmender Größe eines Vereins die Vorstandstätigkeit eher durch Hauptberufliche wahrgenommen werden sollte.2
Neben diesen Erwägungen zur Ehren- oder Hauptamtlichkeit des Vorstands sind die folgenden Kriterien bei der Gestaltung der Vorstandsebene relevant:
(1) Beteiligung: Vereine leben von der Beteiligung und den gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder. Deshalb spielt die Frage, welche Mitgliederinteressen im Vorstand präsent sein sollten, eine entscheidende Rolle. Da zu große Gremien und hier insbesondere operative Leitungsorgane nicht mehr arbeitsfähig sind, muss eine Balance zwischen Beteiligung und Arbeitsfähigkeit gefunden werden. Dabei gilt: Beteiligung in grundsätzlichen Fragen kann jedes Mitglied über die Mitgliederversammlung wahrnehmen.
Darüber hinaus können die Organe Mitgliederversammlung und Aufsichtsorgan so ausgestaltet werden, dass möglichst viele Partikularinteressen einbezogen werden und ein hohes Maß an Beteiligung ermöglicht wird.
(2) Mitsprache des Ortsbischofs/der Ordinariate: Viele Satzungen der Diözesan- und Orts-Caritasverbände sehen nach wie vor eine relativ große Anzahl weitreichender Genehmigungsvorbehalte der zuständigen Ordinariate vor (zum Beispiel die Genehmigung von Satzungen). Gemäß dem bewährten Subsidiaritätsprinzip sollten aber möglichst viele Entscheidungskompetenzen bei dem Aufsichts- beziehungsweise dem Vorstandsorgan des Rechtsträgers belassen werden. Mehr Genehmigungsvorbehalte des Ordinariats können dann sinnvoll sein, wenn beim Rechtsträger trotz relativ hoher wirtschaftlicher Risiken keine effektive trägereigene Aufsicht gegeben ist.3
(3) Kompetenzen: Grundsätzlich sollte sich die Besetzung des Vorstandsorgans am Aufgabenspektrum des Vereins und damit an den fachlichen Notwendigkeiten orientieren. Da es finanzielle Grenzen für die Größe des Vorstandes gibt, müssen einzelne Vorstandsmitglieder mehrere Kompetenzen vorweisen können. Erfahrungen zeigen, dass ökonomische, theologisch/ethische, fachspezifische, juristische und Führungskenntnisse vorhanden sein sollten.4
(4) Struktur des Vorstandes: Mehrköpfige Vorstände bieten sich für relativ große Vereine an, die in mehreren Feldern der sozialen Arbeit und auch in marktorientierten Branchen wie zum Beispiel der Altenhilfe tätig sind. Teilweise werden einzelne Tätigkeitsfelder in Tochtergesellschaften ausgelagert, so dass der Verein die Funktion einer Muttergesellschaft übernimmt. In diesen Fällen ist zu entscheiden, wie die Ressorts auf die Vorstandsmitglieder aufgeteilt werden und in welcher hierarchischen Beziehung sie zueinander stehen. So ist es zum Beispiel möglich, einen Vorsitzenden vorzusehen, der nicht überstimmt werden kann.5 Viele Vereine können sich jedoch aus Gründen der finanziellen Tragfähigkeit nur ein einziges Vorstandsmitglied leisten. Um in diesen Fällen das Vieraugenprinzip für Entscheidungen von großer Tragweite zu gewährleisten, kann die zweite Führungsebene mit Hilfe einer entsprechenden Unterschrifts- und/oder Prokura-Berechtigung eingebunden werden.
(5) Zeitliche Anforderungen an die ehrenamtliche Vorstandstätigkeit: Ehrenamtliche Vorstände von Vereinen, deren Geschäftstätigkeit durch den Aufbau neuer Leistungsfelder zunimmt, spüren die zunehmenden zeitlichen Anforderungen an ihre Vorstandstätigkeit. In ehrenamtlich besetzten Vorständen kann dies zu Überforderungssituationen und zur Verzögerung von Entscheidungen führen. Bei kleineren Vereinen mit einem überschaubaren Handlungsspektrum kann hingegen gut mit einem ehrenamtlichen Vorstandsmodell gearbeitet werden.
(6) Risiko der Geschäftstätigkeit, Haftung und Wahrung der kurzfristigen Handlungsfähigkeit des Vereins: Bei der Besetzung des Vorstandsorgans sollte Klarheit bezüglich der wirtschaftlichen Risiken und der Reputationsrisiken herrschen, denen der Verein ausgesetzt ist. Je umfänglicher diese sind, desto mehr spricht dafür, einen hauptamtlichen Vorstand vorzusehen: Dann besteht auch eine wünschenswerte Kongruenz zwischen den bestehenden hohen Haftungsrisiken und der faktischen Wahrnehmung der Vorstandstätigkeit.
In einem gemischt besetzten Vorstand kann die Handlungsfähigkeit tendenziell dadurch eingeschränkt sein, dass die ehrenamtlichen Mitglieder des Vorstandes nur eine begrenzte Zeit für ihre Tätigkeit aufbringen können. Zu empfehlen ist eine Geschäftsordnung des Vorstandes, welche die Aufgabenverteilung und Entscheidungsbefugnisse zwischen den ehrenamtlichen Mitgliedern und dem hauptamtlichen Mitglied des Vorstandes regelt.6 Genehmigungsvorbehalte des Aufsichtsorgans des Vereins oder auch der kirchlichen Oberbehörde sollten sich auf Geschäfte von wesentlicher Bedeutung beschränken, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Vereins nicht negativ zu tangieren, und sie sollten regelmäßig auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.7
(7) Finanzierung: Die Vergütung für einen hauptamtlichen Vorstand steigt auch dadurch, dass er/sie in der Regel nur für eine befristete Zeit berufen wird und ihm/ihr das dadurch entstehende Risiko entgolten werden muss. Viele kleinere Vereine verfügen nicht über den finanziellen Spielraum, um sich einen hauptamtlichen Vorstand leisten zu können. Deswegen greifen gerade kleinere Vereine gerne auf einen rein ehrenamtlichen Vorstand zurück und stellen für die operativen Aufgaben unbefristet einen Geschäftsführer (ohne Organfunktion) an. In diesen Fällen agieren die ehrenamtlichen Vorstände faktisch eher wie ein Aufsichtsorgan (da sie hauptsächlich mit der Aufsicht über den hauptamtlichen Geschäftsführer beschäftigt sind), haften aber rechtlich wie Vorstände.
(8) Geschlechtergerechtigkeit: In Zukunft wird vor dem Hintergrund des Beschlusses der Delegiertenversammlung des DCV, einen ausgewogenen Anteil von Frauen und Männern in Vorständen und Aufsichtsgremien der Caritas zu realisieren (Beschluss im Rahmen der Delegiertenversammlung 2011), diesem Kriterium ein hoher Stellenwert beigemessen. Zur Umsetzung dieses Ziels ist es notwendig, eine entsprechende Unternehmenskultur zu schaffen.
Angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an die Vorstandstätigkeit und der unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Orts-Caritasverbänden sind einige Diözesan-Caritasverbände dazu übergangen, zwei Mustersatzungen für die Ortsverbände in ihrem Bereich anzubieten, die unterschiedliche Modelle repräsentieren. Dabei handelt es sich in der Regel um Modell 2 und Modell 3 (zum Beispiel bei den DiCV Paderborn, Essen und Köln). Die Berücksichtigung von Modell 3 trägt dabei der Bedeutung und Anerkennung der ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit Rechnung, Modell 2 eher der Größe des Trägers und den zu tragenden wirtschaftlichen Risiken.8
Anmerkungen
1. Siehe Verband der Diözesen Deutschlands; Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Arbeitshilfe 182: Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und Aufsicht. 3. Aufl., 2014, S. 27 ff.
2. Siehe Arbeitshilfe 182, S. 29.
3. Die dritte Auflage der Arbeitshilfe 182 führt dafür den Begriff der gestuften kirchlichen Aufsicht ein: Verfügt der Verein über ein funktionsfähiges, trägereigenes Aufsichtsorgan, so kann die durch die kirchlichen Oberbehörden ausgeübte Aufsicht (zum Beispiel in Form von Genehmigungsvorbehalten für Bauvorhaben) über den Rechtsträger entsprechend geringer ausfallen (siehe Arbeitshilfe 182, S. 38).
4. Siehe Arbeitshilfe 182, S. 27.
5. Siehe Arbeitshilfe 182, S. 27.
6. Es entbindet die ehrenamtlichen Mitglieder des Vorstandes aber nicht von der Pflicht, sich im Sinne einer Gesamtverantwortung regelmäßig über die pflichtgemäße Erfüllung der Vorstandsarbeit und hier insbesondere auch des hauptamtlichen Mitglieds zu vergewissern.
7. Siehe Arbeitshilfe 182, S.?39
8. Satzungen der DiCV/LCV finden sich im öffentlichen Bereich von www.carinet.de.
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