Was tun, wenn der Medizinische Dienst kommt ...
Um die Leistungen und die Qualität der stationären Pflegeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste1 transparenter zu machen, hat der Gesetzgeber im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 1. Juli 2008 gehandelt. In § 115 Abs. 1a SGB XI hat er angeordnet, dass die Landesverbände der Pflegekassen und die Einrichtungen künftig sogenannte Pflegetransparenzberichte veröffentlichen müssen. Unter anderem in Form von Noten werden weite Teile der Ergebnisse, die der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in unangemeldeten Prüfungen ermittelt hat, sowohl im Internet als auch durch Aushang in der Pflegeeinrichtung bekanntgemacht (siehe neue caritas Heft 14/2009, S. 3). Die Veröffentlichung und die damit verbundene Transparenz der Prüfergebnisse ist im Sinne des Verbraucherschutzes zwar zu begrüßen. Allerdings besteht auch für vorbildlich geführte Pflegeeinrichtungen das Risiko, durch das Publizieren fehlerhafter Transparenzberichte in ernste Schwierigkeiten zu geraten, indem der Ruf der Einrichtung und des Trägers beschädigt wird. Um den Pflegeeinrichtungen in dieser für sie neuen und damit noch nicht genau einschätzbaren Situation eine Hilfestellung zu geben, haben der Deutsche Caritasverband (DCV) und der VKAD eine Handreichung erarbeitet.2
Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 115 Abs. 1a Satz 1 SGB XI stellen die Landesverbände der Pflegekassen sicher, dass die „von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden“. Daneben sind das Datum der letzten Prüfung durch den MDK, eine Einordnung des Prüfergebnisses nach einer Bewertungssystematik sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse an gut sichtbarer Stelle in der Einrichtung auszuhängen. Vom Gesetzgeber wurde keine zusätzliche Prüfung der Pflegeeinrichtungen vorgesehen, die neben die unangemeldeten Qualitätsprüfungen tritt. Vielmehr werden die für die Veröffentlichung vorgesehenen Kriterien als ein Teil dieser regulären Qualitätsprüfungen durch den MDK erhoben. Die Kriterien der Veröffentlichung, einschließlich der Bewertungssystematik, wurden sowohl für die Alten- und Pflegeheime als auch für die ambulanten Pflegedienste vereinbart (Pflege-Transparenzvereinbarungen, PTV). An der Verhandlung waren neben dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen unter anderem auch die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene beteiligt. Bis Ende des Jahres 2010 soll der MDK jede Pflegeeinrichtung mindestens einmal geprüft haben, ab 2011 finden jährliche Regelprüfungen statt.
Neben den auch weiterhin möglichen Anlassprüfungen wurde neu eingeführt, dass auch die Pflegeeinrichtung Wiederholungsprüfungen veranlassen kann und nicht nur die Landesverbände der Pflegekassen. Bei allen Prüfarten werden die Transparenzkriterien erhoben und anschließend veröffentlicht. Neben den Ergebnissen dieser Prüfungen durch den MDK können auch weitere Prüfresultate von gleichwertigen Qualitätsprüfungen (§ 114 Abs. 3 und 4 SGB XI) veröffentlicht werden. Darunter sind sowohl die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen der Heimaufsichtsbehörden, anderer landesrechtlicher Prüfinstanzen sowie weiterer anerkannter Prüfungen (vgl. § 114 Abs. 4 Satz 2 SGB XI) zu verstehen.
Wie eine Prüfung abläuft
Der MDK kommt unangemeldet. Aus diesem Grund sollte in der Einrichtung ein festes Vorgehen für den Fall einer Prüfung vereinbart und kommuniziert werden. Auch muss, weil sich die Auswahl der zu prüfenden Pflegebedürftigen an der Pflegestufenverteilung orientiert, stets eine aktuelle Pflegestufenübersicht geführt und verfügbar sein. Der MDK überprüft nicht alle Bewohner(innen) beziehungsweise Kund(inn)en einer Pflegeeinrichtung, sondern er kontrolliert stichprobenartig. Nach den Regelungen der PTV sind in Pflegeeinrichtungen mit nicht mehr als 50 Pflegebedürftigen fünf Bewohner(innen) zu prüfen. Bei Einrichtungen mit mehr als 50 Pflegebedürftigen sind zehn Prozent, aber nicht mehr als 15 Personen, einzubeziehen. Als Bezugsgröße für die Auswahl gilt im stationären Bereich die Anzahl der belegten Heimplätze und im ambulanten Bereich die Anzahl aller Sachleistungsbezieher(innen) nach dem SGB XI. Die in die Prüfung einzubeziehenden Pflegebedürftigen werden entsprechend der Verteilung der Pflegestufen eins bis drei in der Einrichtung und innerhalb der Pflegestufen zufällig ausgewählt.
Der/die Bewohner(in) beziehungsweise dessen Betreuer(in) muss in die Prüfung einwilligen. Dies betrifft insbesondere das Betreten der Bewohnerräume sowie eine Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen. Es reicht nicht aus, dass der/die Bewohner(in) bei Einzug in die Pflegeeinrichtung eine generelle Einwilligungserklärung abgibt. Vielmehr muss die schriftliche Einwilligung den strengen Vorgaben des Gesetzgebers genügen.3 So müssen die Pflegebedürftigen über den Anlass und Zweck sowie Inhalt, Umfang, Durchführung und Dauer der Begutachtung, den vorgesehenen Zweck der Verarbeitung und Nutzung der dabei erhobenen personenbezogenen Daten, die Freiwilligkeit der Teilnahme und die jederzeitige Widerrufbarkeit der Einwilligung ausreichend aufgeklärt werden. Daneben sind sie darauf hinzuweisen, dass es für sie keine Nachteile hat, wenn sie ihre Einwilligung verweigern. In der Praxis könnte es schwierig werden, die Einwilligung des Betreuers am Prüfungstag selbst einzuholen: Doch ohne diese Einwilligung darf keine Prüfung stattfinden.
Wie die Ergebnisse veröffentlicht werden
Zur Koordination des Veröffentlichungsverfahrens wurde eine sogenannte Daten-Clearing-Stelle (DCS) geschaffen. Diese erhält vom MDK die ermittelten Transparenzdaten und übersendet die für die Veröffentlichung vorgesehenen Ergebnisse an die Pflegeeinrichtung. Ob dies schriftlich oder nur auf elektronischem Weg geschehen wird, ist noch nicht endgültig geklärt. Die Pflegeeinrichtung kann der DCS dann innerhalb von 28 Kalendertagen Unterlagen zusenden, die in die Veröffentlichung aufzunehmen sind und die Angaben enthalten, die nicht in den Qualitätsprüfungen erhoben wurden oder gleichwertige Prüfergebnisse (vgl. § 114 Abs. 3 und 4 SGB XI) enthalten.
Dazu gehören auch vertraglich vereinbarte Leistungen sowie weitere Leistungsangebote, Strukturdaten und Prüfergebnisse und außerdem ein Kommentar der Pflegeeinrichtung zu den Ergebnissen des MDK. Nach Ablauf der 28-Tage-Frist werden die Prüfergebnisse voraussichtlich von den Landesverbänden der Pflegekassen im Internet veröffentlicht – frühestens im Laufe des Novembers 2009. Daneben müssen die geprüften Pflegeeinrichtungen Teile der Noten an gut sichtbarer Stelle aushängen.
Fehlerhafte Veröffentlichung – was tun?
Sollte eine Pflegeeinrichtung mit – in ihren Augen – falschen Prüfergebnissen konfrontiert werden, stellt sich die Frage nach möglichen Handlungsoptionen.4 Zunächst sollte versucht werden, innerhalb der 28-Tages-Frist die strittigen Punkte zu klären. Ein (gerichtliches) Verfahren, die Veröffentlichung des Transparenzberichts zu verhindern, macht grundsätzlich Sinn und hat Aussicht auf Erfolg, wenn der Bericht fehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Gründe dafür können zum Beispiel sein, dass die Prüfergebnisse nicht korrekt sind oder dass die Darstellung der Ergebnisse nicht den Vorgaben entspricht. Möglicherweise wurde auch das Verfahren der Prüfung nicht eingehalten.
Weil eine schlechte Bewertung für die Pflegeeinrichtung weitreichende Konsequenzen haben kann, ist Ziel des Rechtsschutzverfahrens, die Veröffentlichung zu verhindern. Aus diesem Grund ist das Hauptaugenmerk auf Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu legen. Die Frage, welche Art des vorläufigen Rechtsschutzes die richtige ist, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Noch ist nicht endgültig absehbar, mit welchen verwaltungsrechtlichen Handlungsformen die Pflegekassen bei der Veröffentlichung der Transparenzberichte vorgehen und wie die Gerichte das Handeln rechtlich einordnen werden. Aus diesem Grund ist es dringend anzuraten, sich im Einzellfall juristischen Rat einzuholen.
Anmerkungen
1. Zur bessern Lesbarkeit wird nachfolgend für beide Arbeitsfelder der Begriff Pflegeeinrichtung verwendet.
2. Veröffentlicht im CariNet (Caritas Deutschland/Aktuelles) und als PDF-Dokument abrufbar unter sozialrecht@caritas.de
3. BT-Drs. 16/7439, S. 87.
4. Gegen eventuelle Maßnahmebescheide nach § 115 Abs. 2 SGB XI müssen Einrichtungen gesondert vorgehen.