Ein Integrationsbetrieb trotzt der Krise
Die weltweite Wirtschaftskrise macht auch vor behinderten Menschen nicht halt. Im Mannheimer Integrationsbetrieb „ad laborem“ gGmbH, einer Tochter des Caritasverbandes Mannheim, führte die Geschäftsführung in Abstimmung mit Betriebsrat und Aufsichtsrat im März 2009 die Kurzarbeit ein. Der Betrieb im Stadtteil Vogelstang, in dem derzeit insgesamt 40 Mitarbeiter(innen) in der Ersatzteilverpackung unter anderem für die Daimler AG arbeiten, beschäftigt 20 behinderte Menschen. Sie leiden an Gehörlosigkeit, Epilepsie, diabetischen Spätschäden oder anderen Krankheiten, haben aber trotz ihres Handicaps bei dem Integrationsbetrieb einen Arbeitsplatz gefunden, der ihnen Selbstvertrauen und ein sicheres Einkommen garantiert. Trotz der durch die Behinderungen der Mitarbeitenden gegebenen Minderleistung arbeitet der Betrieb am ersten Arbeitsmarkt im Bereich Logistik, Kommissionierung, Verpackung, Fertigung, Lager, Transport und Versand und muss sich gegen Mitbewerber behaupten. Um die Minderleistung auszugleichen, erhält die Firma Zuschüsse vom Integrationsamt. Diese bekommt jeder Betrieb, der Menschen mit Behinderung eingestellt hat: Mit den dabei gewährten Mitteln werden weitere Mitarbeiter(innen) beschäftigt, die die im Betriebsablauf fehlende Leistung ausgleichen. Derzeit aber fahren im Tagesverlauf weniger als zehn Lkws die „ad laborem“ an, während in guten Zeiten noch täglich 25 Transporter ihre Waren auf die Vogelstang geliefert haben. Die Nachfrage in der Autoindustrie ist geschwächt. Das wirkt sich auch auf die Zulieferindustrie aus.
Mitarbeiter sind noch zu 80 Prozent beschäftigt
„Wir arbeiten derzeit noch 80 Prozent, das bedeutet vier Arbeitstage pro Woche“, erklärt Betriebsleiter Klaus Litwinschuh die Situation. „Für die Kurzarbeit erhalten unsere Mitarbeiter mit Kindern 67 Prozent ihres Nettogehalts, die Kinderlosen 60 Prozent.“ Der Konjunktureinbruch war vorherzusehen, deshalb haben die ehrenamtlichen Geschäftsführer Volker Hemmerich und Thomas Kloster frühzeitig reagiert: „Die ersten Auswirkungen der Krise zeigten sich bereits im März 2008. Im November letzten Jahres trafen uns Konjunkturabschwung und Finanzkrise dann in vollem Ausmaß: Die Umsätze sind um über 40 Prozent eingebrochen. Wir haben ab diesem Zeitpunkt begonnen, die flexiblen Zeitkonten der Mitarbeiter abzubauen und in den Minusbereich zu fahren“, erinnert sich Hemmerich. Parallel dazu wurden zügig Resturlaube abgebaut und im Jahr 2009 die Urlaubsansprüche frühzeitig realisiert. Bis zum März konnte so die Beantragung der Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit hinausgezögert werden. Eigentlich müsste der Betrieb sogar auf 60 Prozent Arbeitsleistung zurückfahren. Dann aber würden die Mitarbeiter(innen) unter eine Mindestgehaltsgrenze fallen und aufstockende Sozialleistungen beantragen müssen. „Das wollen wir unseren Mitarbeitern nicht zumuten“, so Geschäftsführer Hemmerich.
Mit Mentoren zum Erfolg
Die Automobilindustrie reduziert derzeit aufgrund des Cash-Managements1 vorhandene Lagerbestände. Bei Bedarf müssen deshalb Aufträge äußerst schnell bearbeitet und versendet werden – die Mitarbeiter(innen) müssen flexibler sein als noch vor einem Jahr. Um diese veränderte Situation bewältigen zu können, finden regelmäßig Schulungen, Qualifizierungen und Audits nach dem Qualitätszertifikat ISO 9001 statt. Gleichzeitig haben Volker Hemmerich, Thomas Kloster und Klaus Litwinschuh das Mentorenmodell „Jung und Alt – Hand in Hand zum Erfolg“ eingeführt, das vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg gefördert und durch den Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Dabei werden ältere Arbeitnehmer(innen) zu Mentor(inn)en ausgebildet. Sie sollen ihre Erfahrungen an jüngere Arbeitnehmer(innen) weitergeben, die durch die Anleitung und Unterstützung profitieren.
„Um nach der Krise gut aufgestellt zu sein, investieren wir derzeit mit Unterstützung des Integrationsamtes in unsere Werkshalle und in Qualitätsverbesserungen“, beschreibt Volker Hemmerich weitere Schritte als Reaktion auf die Wirtschaftskrise. Derzeit wird der Hallenboden der Firma saniert: Ein neuer, vom Integrationsamt bezuschusster Industrieboden wird verlegt, der den neuesten technischen und hygienischen Anforderungen entspricht, um nach der Krise auch für weitere Industriebranchen gerüstet zu sein. „Unsere Mitarbeiter erledigen bei der Bodenverlegung Hilfsarbeiten. So können wir diese trotz Kurzarbeit sinnvoll und zukunftsorientiert einsetzen“, erläutert Geschäftsführer Hemmerich.
Anmerkung
1. Die gezielte Steuerung und Sicherung der Liquidität der Firma.