Für den Sozialstaat werben
Seit dem 6. November ist die Ampelregierung Geschichte. Die Politik hat spätestens mit diesem Datum in den Wahlkampfmodus umgeschaltet. "Sparen beim Sozialen" war eine Bruchstelle dieser Koalition. Im Wahlkampf hört man zum Teil politische Forderungen, nach denen sich der Sozialstaat nur auf die "wirklich" Bedürftigen konzentrieren solle - also auf diejenigen, die bereits durch alle sozialen Netze gefallen sind. Das bedeutet, dass der Sozialstaat massiv gekürzt werden soll. Gleichzeitig spitzt sich die Lage in den Bundesländern, Städten und Kommunen zu. In Zeiten knapper Kassen kommt der Sozialstaat mit seinen Leistungsangeboten auf den Prüfstand. Soziale Absicherung wird infrage gestellt, soziale Gruppen werden gegeneinander ausgespielt.
Was es in dieser Situation nachdrücklich braucht, ist politische Interessenvertretung auf allen Ebenen und in unterschiedlichen Ausprägungen. Doch wie kann das, gerade auf Ortsebene, gelingen? Der Werkzeugkoffer für die politische Interessensvertretung bietet viele Möglichkeiten, auch auf kommunaler Ebene.
Amtsträger:innen einladen
Nachhaltige Eindrücke vermitteln Besuche von Politiker:innen in den 25.000 Einrichtungen und Diensten der Caritas. Sie bieten Einblick in die dort geleistete Alltagsarbeit und die Geschichten der Menschen, die dort Hilfe finden. Diese Einblicke helfen, dass beispielsweise Wahlkreisabgeordnete in den Berliner Sitzungssälen nicht vergessen, was an einzelnen Formulierungen der Gesetzentwürfe praktisch hängt. Es gibt über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine große Anerkennung dafür, was im Wahlkreis Tag für Tag am Krankenbett, in der Pflegeeinrichtung, in der Kita, in der Wohnungslosenhilfe, der Behindertenarbeit, der Begleitung von Kindern und Jugendlichen, Familien, Geflüchteten, Abhängigen, Überschuldeten, Wohnungslosen und Langzeitarbeitslosen geleistet wird. Es wird wahrgenommen, welche Bedarfe es hier gibt. Dasselbe gilt natürlich für Landtags- und Landkreisabgeordnete oder Bürgermeister:innen.
Gemeinsam auf die Straße gehen
Protest auf der Straße ist immer eindrucksvoll - besonders wenn sich, wie zuletzt geschehen, 32.000 Menschen auf den Rheinwiesen in Düsseldorf unter dem Motto "NRW, bleib sozial" versammeln. Seite an Seite für den Erhalt unseres starken Sozialstaats auf die Straße zu gehen, ist für die Demonstrierenden ein prägendes Erlebnis. Was bleibt, sind gute Erinnerungen und schöne Bilder, die unter anderem in sozialen Medien geteilt werden können.
Gesetzgebung mit Fachexpertise begleiten
Politische Arbeit braucht zudem gezielte Interessenvertretung, denn nicht jede:r Politiker:in kann selbst Fachexpertise bis ins kleinste Detail für eine gute Gesetzgebung haben. In den Einrichtungen und Diensten sind das Fachwissen und die Expertise für die Weiterentwicklung unseres Sozialstaats. Hier gilt es, Praxis mit Legislative und Exekutive in Kontakt zu bringen.
Jahreskampagne öffnet Türen für politische Interessenvertretung
Mit seiner Jahreskampagne 2025 "Da kann ja jeder kommen - Caritas öffnet Türen" adressiert der Deutsche Caritasverband genau diese Verknüpfung - die Kampagne legt den Grundstein dafür, die Arbeit auch nach außen zu zeigen. Jetzt kommt es auf jede einzelne Einrichtung an, mit Politiker:innen, die vor Ort und auf Landes- und Bundesebene die Rahmenbedingungen gestalten, ins Gespräch zu kommen. Es geht darum, wie die Lebensbedingungen im Wahlkreis verbessert, wie innovative Lösungsansätze zum Beispiel bei den Megathemen Pflege, Digitalisierung sowie Personal- und Fachkräftemangel in die Fläche gebracht werden können. Es gilt auch zu zeigen, wie in der Co-Produktion von Haupt- und Ehrenamt die Arbeit gestaltet wird.
Der Deutsche Caritasverband unterstützt diese politische Arbeit mit einer Reihe von Faktenpapieren und fachpolitischen Positionen. Er ist mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags, Fachministerien und der Bundesregierung im dauerhaften Austausch. Zugleich gilt jedoch: Nur vor Ort in den Wahlkreisen kann aufgezeigt werden, was ein Wegbrechen der sozialen Infrastruktur für die Region und das Land wirklich bedeuten würde.
Der Fantasie für Formate sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es gibt zahlreiche erfolgreiche Beispiele: Politik trifft in den Wahlkreisen auf Praxis und diskutiert Themen, die den Leuten vor Ort auf den Nägeln brennen. Fachkräfte und Klient:innen tauschen sich in der Einrichtung mit Politiker:innen aus. Abgeordnete begleiten unsere Haupt- und Ehrenamtlichen bei der praktischen Arbeit und hospitieren.
Das alles wirkt und wird gebraucht. Damit diejenigen, die Hilfe brauchen, auch in den kommenden Jahren auf eine offene rote Tür treffen.