„Politik meets Pflege“
Die Caritas beschreibt sich unter anderem als "Mitgestalterin der Sozial- und Gesellschaftspolitik" sowie als "Anwalt und Partnerin von Benachteiligten". Beides verweist darauf, dass die Interessenvertretung oder auch Lobbyarbeit gegenüber der Politik zum Kern der Tätigkeiten der Caritas gehört. Die Caritas als Wohlfahrtsverband hat das Know-how aus der Praxis und kann Politiker:innen wichtige Einblicke in die konkrete Arbeit des Sozialstaats ermöglichen, die sie brauchen, um Politik gestalten zu können. Dies ist nicht nur die Aufgabe der Caritas-Direktor:innen und sollte auch nicht nur durch Gespräche in sterilen Konferenzräumen geschehen. Es braucht den konkreten Kontakt zu Einrichtungen und den dort Beschäftigten, um Politiker:innen ein realistisches Bild der Situation vor Ort zu vermitteln. Solche Begegnungen und Erfahrungen bleiben häufig im Gedächtnis der Abgeordneten präsenter als ein abstraktes Gespräch oder nüchternes Zahlenmaterial.
Hier setzt das Projekt "Politik meets Pflege" an, das Landtagsabgeordnete in Pflegeschulen in Kontakt mit Auszubildenden bringt. Alles begann mit meinem Besuch in einer Kölner Pflegeschule, bei dem es um den Ethik-Unterricht gehen sollte. Die meiste Zeit sprach ich mit dem Schulleiter allerdings über die politischen Rahmenbedingungen der Pflegeausbildung, wobei sein Frust und sein Unverständnis angesichts verschiedener politischer Entscheidungen spürbar waren. Auch die Auszubildenden, sagte er, seien frustriert von der Politik. Spontan schlug ich vor, einen Landtagsabgeordneten in die Pflegeschule einzuladen, um dies zu besprechen.
Daraus entstand die Idee zum Projekt "Politik meets Pflege", bei dem möglichst viele Mitglieder des Landesausschusses für Gesundheit in verschiedene Schulen eingeladen werden sollten. Zwar unterstützten meine Kolleg:innen bei der Caritas die Initiative, waren aber etwas skeptisch, ob Politiker:innen wirklich in eine einzelne Schule kommen würden, um sich mit Auszubildenden zu unterhalten. Caritasintern begegnete mir auch die Vorstellung, dass man als katholische Einrichtung am besten nur die CDU einladen solle. Aufgrund meines eigenen politischen Engagements waren mir solche Gedanken nie gekommen. Seit meinem 15. Lebensjahr bin ich Mitglied einer politischen Partei und habe mich dort in meiner Jugend sehr intensiv engagiert, unter anderem als Landesvorsitzende der Partei-Jugendorganisation, wodurch ich auch viel in Kontakt mit Bundes- und Landtagsabgeordneten kam und wusste: Abgeordnete nehmen solche Termine selbstverständlich wahr - es gehört zu ihrem Job.
Gespräche werden gut vorbereitet
Seit Frühjahr 2023 haben sechs Termine mit verschiedenen Landtagsabgeordneten, die alle auch Mitglieder im Gesundheitsausschuss sind, in Pflegeschulen in unterschiedlichen Orten des Kölner Bistums stattgefunden. Die Terminvereinbarung mit den Büros der Abgeordneten war kein Problem. Der Ablauf der Termine war immer ähnlich: Zunächst wurde der Austausch mit den Auszubildenden vorbereitet. Erarbeitet wurde: Wie führt man ein solches Gespräch und welche Themen sollen angesprochen werden. In Kleingruppen überlegten sich die Auszubildenden, was sie zu den verschiedenen Themen berichten oder fragen wollten. Nach ihrer Ankunft erhielten die Abgeordneten durch die Schulleitung eine kurze Einführung zur jeweiligen Pflegeschule, dann folgte der Austausch mit den Auszubildenden, der ungefähr 90 Minuten dauerte.
Die Erfahrungen aller Besuche waren durchweg positiv. Die Akteur:innen an den Pflegeschulen fühlten sich durch die Gespräche mit den Landtagsabgeordneten in ihren Sichtweisen und Anliegen ernst genommen und gesehen. Der Dialog mit den Politiker:innen hat den Auszubildenden die abstrakte Politik konkreter werden lassen und Einblicke in diese gewährt. Die Politiker:innen zeigten sich interessiert an der Situation der Pflegeschulen und stellten sich engagiert den Nachfragen der Auszubildenden. Viele Politiker:innen haben rückgemeldet, dass dieser Vor-Ort-Austausch wertvolle Informationen für die eigene Arbeit gebracht habe und versprechen, die Themen mit in ihre Fraktions-Arbeitskreise zu nehmen. Alle Abgeordneten waren offen, solche Austauschtermine in der Zukunft öfter wahrzunehmen.
Weitere Besuche sind geplant
Zur Vorbereitung auf den Termin gehörte auch der Hinweis an die Einrichtungen, sich nicht nur von der besten Seite zu zeigen. Die Politiker:innen sollten Schwierigkeiten, Herausforderungen und die knappen Ressourcen hautnah miterleben. Der Erfolg der bisherigen Besuche hat dieses Konzept bestätigt, weshalb das Format nun auf Besuche in anderen Einrichtungen ausgeweitet werden soll. So hat der erste Besuch eines Abgeordneten in einem katholischen Krankenhaus bereits stattgefunden, und für das Jahr 2025 sind weitere Gespräche in Krankenhäusern und Pflegeschulen geplant. Darüber hinaus sollen auch andere Arbeitsfelder im Verband ermutigt werden, Politiker:innen in Einrichtungen einzuladen, wofür wir einen Praxisleitfaden zur Unterstützung der Planung erstellt haben.1 Denn der Kontakt zu Einrichtungen vor Ort ist ein wichtiger Teil der politischen Lobbyarbeit der Caritas.
1. Der Praxisleitfaden ist über die Autorin erhältlich.