Ein wichtiger Player für eine demokratische Gesellschaft
Klimawandel, der Verlust von Biodiversität und Umweltverschmutzung bedrohen die Rechte von Kindern und Jugendlichen in einer bisher unbekannten Größenordnung. In den Hilfen zur Erziehung wurden im Jahr 2022 mehr als 1,1 Millionen junger Menschen1 von mehr als 115.000 pädagogischen Fachkräften2 begleitet. Damit ist die Kinder- und Jugendhilfe hinsichtlich der Entwicklung einer demokratischen und nachhaltigen Gesellschaft ein wichtiger Player, der im Rahmen der sozialen Nachhaltigkeit und der Demokratieförderung einen hohen gesellschaftlichen Beitrag leistet. Nachhaltigkeitsprojekte und pädagogische Konzepte tragen dazu bei, diesen jungen Menschen ihren demokratischen und ökologischen Beitrag begreif- und erfahrbar zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wirtschaftlich zukunftsfähig aufgestellt sein.
Der Begriff der Nachhaltigkeit wird erstmals in der deutschen Sprache im Zusammenhang mit einem langfristig angelegten und verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen von Hans Carl von Carlowitz genutzt.3 Er gilt als Begründer des Prinzips der Nachhaltigkeit.4 Dieser zunächst forstwirtschaftlich geprägte Ansatz entwickelte sich weiter. Heute ist eine der geläufigsten Definitionen die des Brundtland-Berichtes: Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - wirtschaftlich effizient, sozial gerecht und ökologisch tragfähig sollen dabei gleichberechtigt betrachtet werden.5
Die Erkenntnis, dass wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gleichwertige überlebenswichtige Interessen sind, hat 1992 in Rio de Janeiro zu der Verabschiedung der Agenda 21 geführt. In der Folge hat sich das Thema nachhaltige Entwicklung als globales und regionales Leitprinzip etabliert. Auf dem UN-Gipfel in New York 2015 wurde die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet.
Bedeutung für die Kinder- und Jugendhilfe
Die Fallzahlen in der Kinder- und Jugendhilfe sind seit Jahren ansteigend und spiegeln die vielfältigen Bedarfe wider. Zudem ist der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mit 183.809 Mitarbeitenden6 der zweitgrößte Arbeitsbereich der Caritas. Indem sie sicherstellt, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance haben, ihr volles Potenzial zu entfalten und zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu werden, trägt die Kinder- und Jugendhilfe in fünf Dimensionen (siehe Infokasten rechts) dazu bei, eine Gesellschaft zu schaffen, die gerechter, stabiler und zukunftsfähiger ist.
Die Beschäftigung mit der ökologischen Nachhaltigkeit ist in der Kinder- und Jugendhilfe in unterschiedlicher Art und Weise angekommen. Eine Befragung katholischer Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung im Rahmen des Projekts "Natur (er)leben!"7 ergab im Frühjahr 2024, dass der Themenbereich Klima-/Natur-/Umweltschutz und Biodiversität auf Einrichtungsebene insgesamt einen hohen Stellenwert hat: Rund drei Viertel der teilnehmenden Einrichtungen gaben an, dass die Bedeutung dieses Themas für sie eher hoch, hoch oder sogar sehr hoch ist (s. Grafik) oben). Bezogen auf die sich daraus ergebenden Aktivitäten fallen die Einschätzungen dagegen deutlich zurückhaltender aus: Knapp die Hälfte der Einrichtungen (46 Prozent) attestiert sich hier selbst einen eher geringen bis sehr geringen Aktivitätsgrad.
Befragung katholischer Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung im Rahmen des Projektes „Natur (er)leben!“, 2024.Institut für Kinder- und Jugendhilfe
Die Beschäftigung mit Umweltschutzprinzipien und -praktiken in Programmen, Einrichtungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, ein besseres Umweltbewusstsein zu schaffen, Ressourcen zu schonen und umweltfreundliche Verhaltensweisen zu fördern, sowohl in den direkten Aktivitäten mit den Kindern und Jugendlichen als auch in den Strukturen und Prozessen der Organisationen selbst bieten daher Arbeitsfelder für nachhaltige Veränderungen in den Bereichen:
Umweltbildung und Bewusstsein
Ein zentraler Aspekt ist es, Umweltthemen in Bildungsprogramme der Kinder- und Jugendhilfe und in den pädagogischen Alltag der Erziehungshilfe zu integrieren. Das kann beinhalten, Kinder und Jugendliche über Umweltprobleme aufzuklären, aber auch sie zu befähigen, umweltfreundliche Verhaltensweisen zu erlernen und zu praktizieren.
Nachhaltige Einrichtungen
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen können Maßnahmen ergreifen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dazu gehört: erneuerbare Energien zu nutzen, Abfall zu vermeiden und Recycling zu fördern, umweltfreundliche Reinigungs- und Betriebsmaterialien sowie auf umweltfreundliche Transportmittel umzusteigen.
Draußen Natur erfahren
Die Förderung von Naturerfahrungen und Outdoor-Aktivitäten kann nicht nur zur körperlichen und emotionalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beitragen, sondern auch ihr Bewusstsein für die Umwelt schärfen und ihre Wertschätzung der Natur stärken. Der Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) bietet hier ein breites Teilnahmefeld im Rahmen des Projekts "Natur (er)leben!"8 an.
Nachhaltige Beschaffung und Ernährung
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen können sich für die Beschaffung von lokal erzeugten und saisonalen Lebensmitteln einsetzen, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und die Wertschätzung für regionale Produkte zu fördern. Zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung anzuregen, gehört zur Bewusstseinsbildung bei Kindern und Jugendlichen. Auch die Beschaffung von Sachgütern bedarf einer nachhaltigen Betrachtung. So können zum Beispiel über die Plattform innatura.org9 fabrikneue Sachspenden gegen eine Vermittlungsgebühr bezogen werden.
Umweltaktivismus und Partizipation
Kinder und Jugendliche können dazu ermutigt werden, sich aktiv für Umweltthemen und -projekte zu engagieren, sei es durch Teilnahme an Umweltinitiativen, Umweltaktivismus oder die Mitwirkung an Projekten zur Umweltgestaltung und -pflege in ihren Gemeinden.
Ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe ist ein wichtiger Beitrag und die Voraussetzung, die Umwelt für zukünftige Generationen zu bewahren.
Es besteht Handlungsbedarf
Die Kinder- und Jugendhilfe wird häufig nicht als Investition in das Gemeinwohl, sondern vielmehr als Kostenfaktor in den Sozialhaushalten wahrgenommen. Ihr Beitrag für die Entwicklung einer demokratischen und nachhaltigen Gesellschaft durch eine neue Generation rückt dabei in den Hintergrund und sollte deutlicher formuliert werden. Gleichwohl besteht Handlungsbedarf in Bezug auf die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Denn wenn die Kinder- und Jugendhilfe weiterhin die Förderung des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen in den Fokus nimmt, bedarf es der Einbettung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Um Einrichtungen dabei zu unterstützen, hat der Fachausschuss Unternehmensprofil und -entwicklung einen Leitfaden für ökonomische Nachhaltigkeit entwickelt.10
1. Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik: Hilfen zur Erziehung 2022, abgerufen am 29.10.2024 unter Kurzlink: https://tinyurl.com/nc20-24-bedarf
2. Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik: Monitor Hilfen zur Erziehung 2023, S. 23. Kurzlink: https://tinyurl.com/nc20-24-erziehung
3. Grober, U.: Carlowitz und die Quellen unseres Nachhaltigkeitsbegriffs. In: Natur und Landschaft. Heft 2/2013, S. 46.
4. Angesichts einer drohenden Rohstoffkriese forderte er eine Waldbewirtschaftung (Schlagen), die diese nur in dem Rahmen zuließ, wie er wieder nachwächst.
5. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nachhaltigkeit (nachhaltige Entwicklung); Kurzlink: https://tinyurl.com/nc20-24-bmz; abgerufen am 29.10.2024.
6. Siehe: Die katholischen Einrichtungen und Dienste der Caritas - Erhebung zum 31. Dezember 2022 - Zentralstatistik - Gesamtübersicht. In: neue caritas Heft 15/24, S. 42.
7. Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ): Erste Umfrageergebnisse im Rahmen der projektbegleitenden Evaluation "Natur (er)leben!", abgerufen am 29. Oktober 2024. Kurzlink: https://tinyurl.com/nc20-24-naturerleben
8. Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe - BVkE: Natur (er)leben! Kinder- und Jugendhilfe packt an; www.bvke.de/projekte/natur-erleben/natur-erleben; abgerufen am 29.10.2024. www.naturerleben.org
9. innatura vermittelt Sachspenden an gemeinnützige Organisationen, www.innatura.org, abgerufen am 29.10.2024.
10. Der Leitfaden ist abrufbar unter Kurzlink: https://tinyurl.com/nc20-24-leitfaden
Die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt umfassend
Damit Kinder und Jugendliche zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft werden können, unterstützt die Kinder- und Jugendhilfe in verschiedenen Bereichen. Für eine gerechte, stabile und zukunftsfähige Gesellschaft sind insbesondere die folgenden fünf Dimensionen ausschlaggebend:
Gemeinwohl stärken
Indem Kinder und Jugendliche angemessene Unterstützung erhalten und positive Entwicklungsmöglichkeiten haben, tragen sie langfristig zu einer gesunden und stabilen Gesellschaft bei. Gut unterstützte Kinder und Jugendliche haben größere Chancen, zu produktiven und engagierten Mitgliedern der Gesellschaft heranzuwachsen.
Soziale Probleme reduzieren
Durch wirksame Programme und Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe können soziale Probleme wie Armut, Bildungsungleichheit, Jugendarbeitslosigkeit und Kriminalität reduziert werden. Dies trägt dazu bei, die Gesellschaft insgesamt sicherer und stabiler zu machen.
Sozialen Zusammenhalt fördern
Wenn Kinder und Jugendliche inklusive Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten erhalten und sich unterstützt fühlen, wird der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt. Dies kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, das Verständnis zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu fördern und das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Investitionen in die Kinder- und Jugendhilfe können langfristig wirtschaftliche Vorteile bringen, indem sie dazu beitragen, die Produktivität zu steigern und die sozialen Kosten im Zusammenhang mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Gesundheitsproblemen zu reduzieren. Gut unterstützte Kinder und Jugendliche haben bessere Chancen, später im Leben erfolgreiche und produktive Mitglieder der Arbeitswelt zu werden.
Zukunftsfähigkeit stärken
Soziale Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe legt den Grundstein für eine zukunftsfähige Gesellschaft, indem sie sicherstellt, dass die kommende Generation die Fähigkeiten, das Wissen und die Ressourcen hat, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen und positive Veränderungen voranzutreiben.